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Dies ist die bearbeitete und leicht gekürzte Abschrift eines Interviews, das EIR am 7. November 2024 mit Richard A. Black geführt hat. Black ist seit 50 Jahren mit der LaRouche-Bewegung verbunden und vertritt derzeit das Schiller-Institut bei den Vereinten Nationen. Er war vom 1. bis 3. Oktober als geladener Redner auf der Konferenz der BRICS International School in Moskau, wo er Lyndon LaRouches Ideen einer internationalen Gruppe junger Akademiker vorstellte. Das Interview führte EIR-Mitherausgeber Michael Billington; Zwischenüberschriften wurden hinzugefügt.
Billington: Du warst vor kurzem in Moskau, um an der BRICS International School zu sprechen, die nur zwei Wochen vor dem BRICS-Gipfel im russischen Kasan stattfand. Kannst du uns mehr über die BRICS International School erzählen?
Black: Sie brachte 85 Studenten, Graduierte und einige junge Diplomaten aus der ganzen Welt zusammen. Etwa 300 junge Menschen haben sich für das dreitägige Seminar bewarben, und 85 wurden angenommen, darunter auch junge Professoren aus Brasilien, Südafrika, China und anderen Ländern. Die Idee für diese Seminare hatte Professor Georgij Toloraja von der Russischen Akademie der Wissenschaften, die erste war vor acht Jahren. Er ist seit mehreren Jahren Direktor des russischen Nationalkomitees für BRICS-Forschung. Das war eine Gelegenheit, junge Leute zusammenzubringen – Menschen in ihren Zwanzigern, junge Spezialisten, einige College-Studenten –, die in der Zukunft den Kader bilden werden, der den gesamten internationalen BRICS-Prozeß vorantreibt. Es hat mich sehr gefreut, am ersten Tag auf dem ersten Podium sprechen zu dürfen. Das war eine außergewöhnliche Erfahrung.
Billington: Welchen Eindruck hattest du von den Studenten, die teilnahmen?
Black: Es war ziemlich beeindruckend. Zunächst einmal: Sie kamen aus der ganzen Welt: Ecuador, Brasilien, Laos, Vietnam, Jemen, Ägypten, Indonesien, Indien und mehr – sehr, sehr vielfältig. Sie waren von dem Seminar total begeistert und hungerten geradezu nach Ideen. Mein Vortrag über die Rolle des „Prinzips“ bei der Gestaltung der Weltgeschichte und des weiteren Verlaufs des BRICS-Prozesses wurde mit großer Begeisterung aufgenommen.
Vieles von dem, was ich vortrug, war ihnen unbekannt, und ich wurde drei Tage lang in den Mittagspausen und Veranstaltungspausen von Gruppen von Studenten belagert; sie hatten Fragen zu Lyndon LaRouche und zur Rolle der Ideen vom Westfälischen Frieden über die Geburt der Blockfreienbewegung, die Asien-Afrika-Konferenz in Bandung in Indonesien 1955 bis hin zum Vorschlag der Zehn Prinzipien einer Neuen Internationalen Sicherheits- und Wirtschaftsarchitektur, den Helga Zepp-LaRouche seit einigen Jahren verbreitet. Jeder in der Schulung hat eine Kopie von Zepp-LaRouches Zehn Prinzipien bekommen, entweder auf Englisch oder auf Russisch. Es herrschte wirklich eine große Begeisterung, ich war von dem Optimismus völlig überwältigt. Es handelt sich hier um junge Menschen, sehr intelligent, Klassenbeste, die darüber nachdachten, wie man die Welt in Zukunft gestaltet, und der Globale Süden als Kraft in der Geschichte definiert dabei ihre große Aufmerksamkeitsspanne und ihre Offenheit für Ideen und Konzepte.
Billington: Wie war es mit den anderen Experten, die während der Sitzung gesprochen haben? Haben sie auf das reagiert, was du über Lyndon und Helga LaRouche gesagt hast?
Black: Ich habe ein wenig über die Vorgeschichte gesprochen, so gut das in einem 20minütigen Vortrag möglich war, über Lyndon LaRouches Erfahrungen in Indien am Ende des Zweiten Weltkriegs, als er den Völkermord des Britischen Empire sah und sich schwor, in die USA zurückzukehren und auf irgendeine Weise eine Bewegung zu gründen, eine Sammlung von Ideen und eine Bewegung darum herum, um den Gang der Welt zu ändern. Ich habe in meinem Vortrag den Westfälischen Frieden als Beispiel angeführt.
Zu meiner Überraschung – vielleicht hätte ich nicht überrascht sein sollen – sagte einer der russischen Forscher auf demselben Podium: „Nein, nein, nein. Der Westfälische Frieden war ein Mißerfolg, er war nicht wichtig, denn auch wenn er den Krieg in Europa beendet haben mag, gingen im Rest der Welt Konflikte weiter. Deshalb war der Westfälische Frieden nicht wichtig.“
Ein anderer sagte: ‚Ich bin anderer Meinung, die Bewegung der Blockfreien in den 1950er und 60er Jahren hat für die BRICS heute keine Bedeutung, denn das war damals nur eine Opposition gegen die Sowjetunion und gegen den Westen. Deshalb sollte man das ignorieren.“ Interessant.
Ich fragte einen der erfahrenen Diplomaten dort: „Ich verstehe nicht ganz den Einwand dieser Forscher gegen das, was ich vorgetragen habe. Das sind doch die führenden Gelehrten des BRICS-Prozesses. Ist das historische Amnesie? Hat für die nichts vor 1991 irgendeine Relevanz?“
Die Antwort war: „Nein, nein, Sie verstehen das nicht. Was Sie bei einigen dieser jungen Professoren und Forscher sehen, ist die Folge von zwei Jahrzehnten amerikanischen Steuergeldern, mit denen man junge Forscher in Rußland einer Gehirnwäsche unterzieht.“
Was ich sagte, war also ziemlich kontrovers, und ich muß auch sagen, daß einige der anderen Vorträge ein bißchen flach waren. Mein Vortrag wurde mit großer Begeisterung aufgenommen.
Billington: Du hast auch erwähnt, daß der stellvertretende russische Außenminister Sergej Rjabkow dort gesprochen hat.
Black: Das war großartig, Mike. Am zweiten Tag war der gesamte Vormittag einem Vortrag von Vize-Außenminister Sergej Rjabkow vorbehalten. Er hielt vor der versammelten Gruppe von 85 Studenten einen sehr scharfsinnigen Vortrag über die Weltkriegsgefahr und über den BRICS-Prozeß als Ausweg aus dieser Gefahr. Dann nahm er sich etwa 45 bis 50 Minuten Zeit, um die Fragen des Publikums zu beantworten, eine nach der anderen. Die waren nicht zensiert, nichts war aufgeschrieben oder vorher geprüft. Die jungen Leute aus Afrika und Südamerika hatten eine Frage nach der anderen, meistens zu den Entwicklungsperspektiven ihres jeweiligen Landes. Rjabkow gab erschöpfende Antworten, war sehr entspannt, und er macht einen sehr belesenen Eindruck. Die jungen Menschen schätzten es sehr, mit einem der führenden Männer der Außenpolitik der Russischen Föderation zu sprechen.
Nach etwa anderthalb Stunden sagte der Moderator: „Laßt uns ein Foto machen.“ Vizeminister Rjabkow ging vom Podium und setzte sich an den Bühnenrand, und alle die jungen Leute stürmten heran wie ein Mob, jeder wollte ihm nahe sein. 20 Fotografen machten Fotos von uns allen auf der Bühne. Die Szene verkörperte mehr als alles andere, daß diese jungen Menschen wissen, daß sie Teil der Geschichte sind. In gewisser Weise hat dieser sehr offene, ausgedehnte Dialog mit dem stellvertretenden Außenminister, der ja der Sherpa für die einjährige russische BRICS-Präsidentschaft war, die direkte Beziehung zu ihm, wo man ihm Fragen stellen kann, ihre Begeisterung geweckt und die Tatsache bestätigt, daß wir Geschichte schreiben.
Billington: Gibt es eine Verbindung zwischen der BRICS International School und dem eigentlichen BRICS-Treffen, das zwei Wochen später in Kasan stattfand?
Black: Ich glaube, es gab im Laufe des Jahres 2024 hunderte Vorbereitungstreffen, die auf das Treffen in Kasan Ende Oktober hinführten. Die BRICS International School, die wie gesagt seit acht Jahren jedes Jahr stattfindet, war eine dieser Veranstaltungen. Das bemerkenswerte war, daß dort keine hochgestellten Minister über Bankenpolitik oder Außenpolitik diskutierten, sondern daß da junge Menschen waren, um zu lernen, nachzudenken und Kontaktdaten auszutauschen. Ich schätze, etwa 20 Studenten haben mir ihre Kontaktdaten über WhatsApp und WeChat und so weiter gegeben, und seitdem stehe ich mit ihnen in Kontakt. Sie sind sehr daran interessiert, sich in irgendeiner Weise an dem zu beteiligen, was wir tun. Insofern war diese BRICS-Schule, obwohl sie nur drei Tage dauerte, ein wichtiges Vorbereitungstreffen für Kasan.
Billington: Auf dem Treffen in Kasan hat der russische Präsident Wladimir Putin mehrere „ernsthafte Vorschläge“ für die BRICS-Diskussion vorgelegt. Dazu gehörten eine Investitionsplattform, eine Getreidepattform und einige andere Ideen, die nicht im Detail ausgearbeitet wurden, sondern eher Ideen waren, die noch konkretisiert werden müssen. Wie siehst du Putins Vorschläge zum jetzigen Zeitpunkt, da die BRICS-Präsidentschaft im nächsten Jahr an Brasilien übergeht?
Black: Eines der Dinge, die mir aufgefallen sind, ist Putins Aussage in seiner Eröffnungsrede zu Beginn des Gipfeltreffens in Kasan, daß die BRICS-Staaten die Geschichte gestalten, und das nicht nur mit Worten, sondern auch mit Taten. Das war eine äußerst starke Aussage über die Souveränität des Prozesses, in dem diese Nationen auf der ganzen Welt sich verbinden, um etwas Neues zu schaffen. Und am Ende der Konferenz, ich glaube in einer seiner Abschlußreden, erwähnte er unter anderem, daß die BRICS mehrere Initiativen hat: eine Investitionsplattform, eine Getreideplattform; die Afrikaner haben eine geologische Plattform für die Erschließung der unerschlossenen unterirdischen Reichtümer vorgeschlagen; andere Plattformen im Zusammenhang mit der Nuklearmedizin usw. Was er vorschlug, waren also ganz konkrete Ideen.
Wir von der LaRouche-Bewegung vertreten bekanntlich schon seit langem die Auffassung, daß das gegenwärtige Weltwährungssystem realistisch betrachtet nicht reformierbar ist und daß man neue Institutionen braucht, die keine Währungsinstitutionen, sondern Kreditinstitutionen sind, damit sehr langfristige, sehr große Kredite nach Afrika, Mittel- und Südamerika und Südostasien vergeben werden können, um Projekte zu realisieren, die fünf, zehn oder auch dreißig Jahre dauern können. Diese Idee einer neuen Investitionsplattform, die Putin vorbrachte, geht tatsächlich in diese Richtung.
Und seit Kasan haben sich viele Sprecher in diese Richtung geäußert. Während wir heute sprechen, findet gerade seit mehreren Tagen in Rußland im Waldai-Club in Sotschi die Waldai-Konferenz statt, mit wichtigen Beiträgen zur Gestaltung einer neuen Welt auf der Grundlage der Realwirtschaft und des Transfers moderner Wissenschaft in den ehemaligen kolonialen Süden. Die Vorträge halten u.a. der russischen Akademiker Sergej Glasjew, Paulo Nogueiro Batista aus Brasilien und Dr. Wang Wen vom Chongyang-Institut der chinesischen Renmin-Universität. Das sind herausragende Denker, die neue Ideen vorbringen.
Das ist es, was bei den College- und Graduiertenstudenten, vor denen ich an der BRICS-Schule gesprochen habe, soviel Anklang fand. Sie wissen, daß etwas Neues geschieht. Wenn wir mit ihnen über „die nächsten 50 Jahre der Erde“ sprechen, dann wissen sie, daß sie es sind, die das in die Tat umsetzen werden. So denke ich, daß diese Vorschläge von Putin, wie eine Getreideplattform und eine Finanzplattform, sehr wichtig sein werden, wenn die BRICS-Präsidentschaft am 1. Januar, also in wenigen Wochen, an Brasilien und Präsident Lula übergeben wird.
Billington: Präsident Putin erinnerte die etwa 12.000 Teilnehmer des BRICS-Gipfels in Kasan auch daran, daß das ursprüngliche Konzept für die BRICS vom damaligen russischen Ministerpräsidenten Jewgeni Primakow stammt. Das war 1998. Primakow erklärte bei einem Besuch in Indien, die Zukunft werde von „RIC“ geprägt sein, wie er es damals nannte: Rußland, Indien, China. Was bedeutet es deiner Meinung nach, wenn Putin das zur Sprache bringt?
Black: Ich halte das für äußerst wichtig. Wir vom Schiller-Institut haben über die Jahre hinweg immer wieder an die enorme Bedeutung dieses Genies erinnert – das war er meines Erachtens –, Akademiemitglied Jewgeni Primakow, der 1998 zum russischen Ministerpräsidenten ernannt wurde und sich einer schrecklichen internationalen Krise gegenübersah. Es hatte gerade den Bankrott der russischen Staatsanleihen gegeben. In Rußland schrumpfte die Bevölkerung unter der Schocktherapie der 1990er Jahre, es verlor eine Million Bürger pro Jahr. China war noch ziemlich arm, und die Beziehungen zwischen China und Indien waren unklar. Und inmitten dieser Krise sagt ein Visionär wie Jewgeni Primakow, die Zukunft werde vom Erfolg der Zusammenarbeit zwischen Rußland, Indien und China geprägt sein. Erstaunlich!
Das ist der wahre Ursprung der BRICS-Idee. Wenn Putin das so zum Ausdruck bringt, ist das eine Polemik, denn wenn man die westlichen Finanzmedien liest, steht dort, den Begriff BRICS hätte ein Goldman-Sachs-Banker namens Jim O'Neill geprägt. Das ist eine Geschichtsfälschung. Es handelt sich um ein 25-jähriges Projekt, das es dem Globalen Süden ermöglichen soll, ins Zentrum der Geschichte zu rücken. Und es war natürlich einer der wichtigsten Vorschläge der Gründerin des Schiller-Instituts, Helga Zepp-LaRouche, daß der Globale Süden Geschichte schreiben und Chancen schaffen muß, auch als Brücke zum Westen. Und jetzt sehen wir, daß es so geschieht.
Ich denke also, daß es für diejenigen, die sich ein wenig mit Geschichte auskennen, ziemlich polemisch war, daß Präsident Putin Akademiemitglied Primakow zitiert hat. Unsere Konferenz fand übrigens in einem Hotel in der Moskauer Innenstadt gegenüber dem riesigen Gebäude des Außenministeriums statt. Direkt vor dem Hotel steht eine große Gedenkstatue von Primakow, die seine Verdienste um die Weltgeschichte würdigt
Billington: Auf dem BRICS-Gipfel in Kasan gab auch ein etwas unerwartetes, aber äußerst wichtiges Treffen zwischen dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping und dem indischen Premierminister Narendra Modi, die sich während des Gipfels ausführlich unterhielten. Kannst du etwas zur Bedeutung dieses Treffens sagen?
Black: Das ist meiner Meinung nach eine der wunderbaren Dimensionen des BRICS-Prozesses. Unser Freund von der Russischen Akademie der Wissenschaften, Professor Georgij Toloraja, der wirklich eine treibende Kraft im russischen BRICS-Prozeß war, hat darauf hingewiesen, daß die BRICS-Staaten zusammenkommen, um über Politik zu beraten und sich auf neue Wege in Richtung wirtschaftlicher Gerechtigkeit zu einigen, die bisher verwehrt wurde. Natürlich gibt es Konflikte zwischen den verschiedenen Ländern außerhalb des BRICS-Prozesses, aber diese Konflikte werden nicht in die Diskussion innerhalb der BRICS eingebracht. Das heißt, die BRICS ist neuen Ideen verpflichtet, die auf einem gemeinsamen „Win-Win-Prozeß“ basieren, wie die Chinesen sagen.
Bei diesem Treffen zwischen Indien und China, einem langen persönlichen Treffen zwischen Modi und Xi – das erste seit fünf Jahren – ging es darum, daß wir uns in ein neues Paradigma bewegen, wie Helga Zepp-LaRouche es beschreibt. Die Grenzfrage wurde aufgegriffen; Soldaten sowohl Chinas als auch Indiens wurden zurückgezogen. Das war ein wichtiger Schritt. Wir wissen, daß in Indien viele Industrielle und Unternehmer Modi gesagt haben: „Wir sollten China als Chance sehen, nicht als Bedrohung. Und wir würden uns über chinesische Investitionen in die Chipindustrie und andere Hochtechnologiebereiche in Indien freuen.“ Das ist nur ein weiterer Beweis dafür, daß das, was den Menschen an der London School of Economics, der Wharton School usw. beigebracht wird, Unsinn ist.
Diese Konflikte, zwischen Saudi-Arabien und dem Iran, Ägypten und Syrien, China und Indien, können gelöst werden, wenn man weiß, wie man denkt. Und hier betont Helga Zepp-LaRouche den „Zusammenfall der Gegensätze“, eine Denkmethode, die Nikolaus von Kues vor vielen Jahrhunderten entwickelt hat und die heute noch relevant ist. Man muß vom „Einen“ ausgehen, von der Universalität der Menschheit, von der Definition der gemeinsamen Ziele der Menschheit als Ganzes, dann können von diesem Standpunkt aus Konflikte gelöst werden – auf diese Weise und auf keine andere, nur durch diesen Prozeß.
Billington: Eine der wichtigsten Rednerinnen auf dem BRICS-Treffen in Kasan war Dilma Rousseff, die Leiterin der Neuen Entwicklungsbank (NDB), die offiziell mit der BRICS-Bewegung verbunden ist. Sie ist außerdem ehemalige Präsidentin Brasiliens. Wie siehst du die Rolle der Neuen Entwicklungsbank im Zuge dieses Prozesses?
Black: Wie üblich hat Präsident Putin eine Flanke geschaffen. Im Verlauf der Diskussion auf dem BRICS-Gipfel in Kasan sagte er, Rußland sei zwar an der Reihe, nächsten Juli einen neuen Leiter der BRICS-Bank, der Neuen Entwicklungsbank, zu ernennen, aber Rußland wolle mit seinen Problemen und Kontroversen dem positiven Prozeß der Weiterentwicklung der Bank nicht im Wege stehen. Deshalb schlug Putin vor, daß Dilma Rousseff im Amt bleibt, weil sie seiner Meinung nach absolut außergewöhnliche Arbeit geleistet habe. Putin und Dilma Rousseff haben sich wie gesagt während der Konferenz getroffen. Zudem hat Präsident Xi in China Dilma Rousseff den höchsten Orden verliehen, den die chinesische Regierung an einen ausländischen Staatsbürger vergeben kann. Das ist schon ziemlich brillant.
Der BRICS-Prozeß, die Präsidentschaft, wird am 1. Januar an Lula und Brasilien übergeben. Vermutlich wird Dilma in der NDB bleiben. Andere, wie Paulo Nogueira Batista aus Brasilien, der ehemalige Vizepräsident der NDB, skizzieren genau, wie Schritte in Richtung einer Reservewährung und umfassender Alternativen zum IWF und den IWF-Konditionalitäten ausgearbeitet werden können. Ich denke also, Dilma Rousseffs Rolle und die Zustimmung der „Schwergewichte“ Rußland und China, sie im Amt zu halten – wenn man das mit dem zusammennimmt, worüber wir gerade gesprochen haben, die Notwendigkeit einer neuen Investitionsplattform –, das bedeutet: Kredite. Es bedeutet große Kapitalmengen für Dinge wie den Grand-Inga-Staudamm in der Demokratischen Republik Kongo, dessen Verwirklichung immer wieder verschoben wurde, oder das Transaqua-Projekt in Westafrika. All diese Projekte müssen, wie Glasjew sagt, „polyzentrisch“ in Bezug auf Investitionen sein.
Die Idee ist, daß die Neue Entwicklungsbank von ganz oben her – Putin, Xi, Lula – zu dem werden kann, was Lyndon LaRouche vor langer Zeit, 1975/76, entworfen hat: eine Internationale Entwicklungsbank oder eine Entwicklungsbank des Südens und für den Süden, wie Dilma es beschreibt. Ich denke also, das hat viel Potential. Da Präsident Trump wieder ins Amt kommt und er wiederholt erklärt hat, daß er sich mit Putin treffen und sich für ein Ende des Krieges in Europa einsetzen wird, gibt es gute Aussichten, wenn wir diese Staatschefs beim Wort nehmen.
Billington: Im Gegensatz dazu stellen die Massenmedien im Westen die BRICS als eine große Bedrohung für den US-Dollar, für Institutionen wie den IWF und die Weltbank und für Amerika und seine Bürger dar. Was sagst du dazu?
Black: Präsident Putin ist ein Meister der Flanke. Er hat im Verlauf des Gipfeltreffens in Kasan sehr deutlich gesagt, daß das, was wir zusammenbauen, nicht westlich, aber auch nicht antiwestlich ist. In jeder größeren Rede in den letzten sechs Monaten hat er gesagt, daß diese neue internationale Architektur, die wir zusammenbauen, allen Ländern offensteht, auch den NATO-Ländern. Putin sagte: Die BRICS-Staaten sind gegen niemanden, sie sind für die Entwicklung der Menschheit als Ganzes.
Bisher besteht die Propaganda in den Medien nur aus Horrorgeschichten, um in der amerikanischen und europäischen Bevölkerung antirussische und antichinesische Ressentiments zu schüren. Aber wenn man sich die Fakten ansieht, haben die Präsidenten Xi und Putin gesagt, daß sie einem Beitritt des Westens völlig offen gegenüberstehen. Wie Helga Zepp-LaRouche uns kürzlich in Erinnerung gerufen hat, traf sich Präsident Xi mit dem damaligen US-Präsidenten Obama und bot Obama an, der Gürtel- und Straßen-Initiative beizutreten und mit ihr zusammenzuarbeiten. Das ist die ständige Politik.
Und es ist wahr: Die BRICS-Führer gehen vom Standpunkt der „einen Menschheit“ aus. Das ist die Zerstörung der Geopolitik. Das geht wirklich auf Helgas großartige Einsicht in ihren Zehn Prinzipien für eine neue Sicherheits- und Entwicklungsarchitektur zurück. In den Prinzipien neun und zehn sagt sie, die Grundlage unseres Vorgehens sei, daß der Mensch gut ist und fähig ist, die Kraft seines Geistes, die Kraft der Vernunft und die Schönheit seiner Seele zu vervollkommnen. Und da diese Eigenschaften des Geistes und der Seele universell sind, ist die Geopolitik aus dieser Sicht eine falsche Doktrin, weil sie auf gegenteiligen Axiomen beruht, nämlich daß der Mensch ein Tier sei. Und weil der Mensch ein Tier sei, gebe es jemanden an der Spitze und jemanden am unteren Ende, und daher kommt die Idee des Hegemon.
Was diesen Diskussionsprozeß über die Offenheit der BRICS gegenüber dem Westen betrifft, so war ich vor etwa einem Jahr in Minsk auf einer großen Sicherheitskonferenz, und ausnahmslos jeder Außenminister oder stellvertretende Außenminister, der dort sprach – von Lawrow aus Rußland über Szijjarto aus Ungarn bis hin zu vielen stellvertretenden Außenministern aus Asien – sagte dasselbe: Wir schaffen etwas Neues, und wir möchten, daß der Westen mitmacht, sie ist aber jetzt noch nicht bereit, sich anzuschließen, sie halten an ihrem System der imperialen Kontrolle fest. Sobald sie es aufgeben, heißen wir sie willkommen, wenn sie mit gegenseitigem Respekt und gutem Willen kommen.
Wir müssen also gute Arbeit leisten, Mike, um unsere amerikanischen Mitbürger zu erreichen und ihnen zu erklären, daß dies eine einmalige Gelegenheit ist – und übrigens eine sehr „amerikanische“ Gelegenheit! Eines der Themen, die ich mit den Studenten der BRICS-Schule besprochen habe, ist die Rede Präsident Roosevelts aus dem Jahr 1941, die als „Rede über die vier Freiheiten“ bekannt ist: Freiheit von Hunger, Freiheit von Angst, Freiheit der Religion, Freiheit der Rede für alle, überall auf der Welt. Für diese Freiheiten kämpfen wir, überall auf der Welt. Das ist keine amerikanische Politik. Das ist eine universelle Politik. Und das ist im wesentlichen die Ausrichtung der BRICS-Staaten.
Billington: Du hast nicht nur Rußland und Weißrußland besucht und mit ihnen zusammengearbeitet, du warst auch mehrmals in China. Und ich weiß, daß du dich intensiv mit der Frage der Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und China beschäftigt hast. Ich habe gehört, was du über Präsident Trumps Versprechen gesagt hast, den Ukraine-Krieg, den NATO-Krieg gegen Rußland zu beenden, was extrem wichtig ist. Aber wie du bereits angemerkt hast, hat Trump vor der Wahl gesagt, daß er China von Rußland wegbringen will, die enge Verbindung zwischen China und Rußland sei eine Bedrohung für die USA und den Westen. Gibt es also einen Grund für uns, China zu fürchten?
Black: Absolut nicht. Das bringt mich wieder zu den Teilnehmern der BRICS-Schule. Sie sind begeistert von einer neuen Welt und hungern nach neuen Ideen, um diese neue Welt zum Funktionieren zu bringen.
Ich möchte zwei außergewöhnliche Dinge an China nennen, die mir in den Sinn kommen. Erstens sagten sie etwa 2016, wir müssen etwas gegen die extreme Armut bei uns tun. Und sie starteten ein Programm zur Beseitigung der extremen Armut in jeder Provinz und jedem Dorf in diesem riesigen Land. Geografisch gesehen hat das Land etwa die Größe der Vereinigten Staaten. Sie stellten dafür 240.000 Sozialarbeiter, Ingenieure und Wirtschaftswissenschaftler im ganzen Land an und organisierten die Beseitigung der ländlichen Armut durch großangelegte Wirtschaftsentwicklung. Und 2020 haben sie es geschafft. Sie haben die extreme Armut beseitigt, in dem ganzen Land mit 1,4 Milliarden Einwohnern. Das ist außergewöhnlich.
Und ich kann Ihnen sagen, das hat einen enormen Einfluß auf jede Staatsführung in Afrika, Südamerika, Südwestasien und Südostasien: diese Vorstellung, daß die Chinesen das geschafft haben. „Sie waren in extremer Armut. Und wenn sie es geschafft haben, dann können wir es auch.“
Das ist also ein Merkmal Chinas. China gewinnt Freunde, indem es Außergewöhnliches leistet, nicht indem es sich gegen die USA oder irgend etwas im Westen stellt.
Zweitens läuft dort eine sehr amerikanische wirtschaftspolitische Debatte, in der Präsident Xi vor einem Jahr Studien auf höchster Regierungsebene forderte, um eine neue Theorie der Produktivkräfte in der Wirtschaft auf den Weg zu bringen. Heute ist nicht der richtige Zeitpunkt, um hier ins Detail zu gehen, aber die Theoretiker an der Spitze der chinesischen Regierung sagen: Der Schlüssel zu unserem anhaltenden wirtschaftlichen Erfolg liegt nicht darin, so weiterzumachen wie bisher. Präsident Xi sagte, was wir bisher getan haben, reicht nicht aus. Sie fordern, die Rate ihrer Innovationssprünge in der Wissenschaft zu erhöhen. Von Quantencomputern, Lebenssystemen im Weltraum, Kernfusion bis zur Saatgutforschung produzieren sie eine Erklärung nach der anderen, ein Papier nach dem anderen, daß sie versuchen, eine neue Theorie der Produktivkräfte auf der Grundlage der Physik, auf der Grundlage der Wissenschaft zu bilden.
Aber das ist eine ganz amerikanische Idee! Sie haben die Spätzeit der Regierung von Franklin D. Roosevelt studiert, als der Physiker Dr. Vannevar Bush, Roosevelts brillanter Wissenschaftsberater, sagte, die Grundlage für unseren Erfolg nach dem Krieg werde darin bestehen, neue Prinzipien und neue Konzepte zu beherrschen und sie im ganzen Land zu verbreiten – eine sehr amerikanische Idee, typisch Lincoln, typisch Hamilton. Das ist es, was die Chinesen jetzt tun.
Die Chinesen gewinnen Freunde, nicht indem sie die Vereinigten Staaten angreifen, sondern indem sie etwas tun, das meiner Meinung nach sehr amerikanisch ist. Und das andere ist, daß Trump nach seinem ersten Wahlsieg an der ersten Phase eines Handelsabkommens mit China arbeitete. Das dauerte etwa ein Jahr, anderthalb Jahre. Und ich erinnere mich lebhaft an die Szene im Weißen Haus, als der chinesische Chefökonom Liu He, ein brillanter Mann, neben Trump stand.
Sie hatten gerade ein riesiges Geschäft mit Sojabohnenverkäufen an China und anderem abgeschlossen. Trump hielt eine Rede vor den chinesischen Spitzenökonomen und dem amerikanischen Kabinett. Er sagte, das sei nicht nur in Bezug auf den Handel wichtig, wir schaffen damit eine ganze Reihe neuer Möglichkeiten, und das ist unsere Arbeit. Das war Trump mit der chinesischen Wirtschaftsführung, ein Jahr nach seinem Amtsantritt.
Ich sage oft scherzhaft: Das einzig wirklich Gute an Trump ist, daß er keine Prinzipien hat. Er ist durch und durch pragmatisch. Wenn er also etwas wirklich Dummes sagt, wie er es im Wahlkampf getan hat, nämlich daß er, sobald er ins Weiße Haus einzieht, Rußland und China auseinanderbringen wird – das ist absurd, natürlich wird das nicht funktionieren. Aber ist er dem wirklich verpflichtet? Ich glaube nicht. Er ist nur sehr wenig verpflichtet, nur dem, was er gerade denkt.
Das ist eine unserer Aufgaben, was die von Diane Sare organisierte nationale Bewegung verkörpert. Hinter mir ist das Plakat zu sehen, auf dem auf Mandarin-Chinesisch steht: „Atomkraft, nicht Atomkrieg“. Das war eines unserer Kampagnenplakate in Chinatown in New York City. Unsere Aufgabe ist es, die Bewegung, die wir im ganzen Land aufbauen, dazu zu bringen, Trump wachzurütteln und ihm etwas Vernunft in Bezug auf die physische Wirtschaft zu vermitteln.
Billington: Wie würdest du insgesamt die Erfolge des BRICS-Gipfels in Kasan charakterisieren?
Black: Unsere Kollegin Helga Zepp-LaRouche hat in all ihren Interviews in TASS und anderen internationalen Medien betont, daß sie sich vom Kasaner Gipfel nicht nur die Vereinbarung und Unterzeichnung einiger neuer politischer Maßnahmen erhofft, sondern daß er ein neues Paradigma der internationalen Beziehungen einläutet – daß wir der britischen Geopolitik den tödlichen Pflock ins Herz treiben und sie durch ein neues Paradigma der internationalen Beziehungen ersetzen. Und ich denke, unter den BRICS-Staaten sehen wir den Keim dieser Entwicklung wachsen.
Man darf nicht vergessen, daß China keine christliche Nation ist; es ist konfuzianisch, es ist buddhistisch, es ist daoistisch. Rußland ist eine ökumenische Nation mit einem langen, stolzen christlichen Erbe. Brasilien, auf der anderen Seite der Welt, ist ein Riese in einer anderen Hemisphäre. Wie kommt es, daß diese Nationen – China 5000 Jahre alt, Rußland 1000 Jahre alt, eine christliche Nation – bei bestimmten Grundprinzipien zusammenarbeiten? Ich denke, wir machen Fortschritte in Richtung dessen, was Helga Zepp-LaRouche als sehr hohen Standard gesetzt hat: daß wir ein neues Paradigma, eine neue Denkweise brauchen. Wie Dr. Sun Yat-sen 1918 polemisch bemerkte, als er über das Chaos in China frustriert war, selbst nach dem erfolgreichen Sturz der Dynastie im Jahr 1911: Er sagte, die chinesische Ideologie unter den Bauern ist falsch. Die Bauern glauben, Denken sei einfach und Handeln sei schwer. Das sei die Ursache allen Chaos. Handeln ist einfach – denken ist schwer! Wenn man auf wahrheitsgemäße Weise denken kann, dann ist die Ausführung relativ einfach.
Und ich denke, wir sehen den Beginn eines Umdenkens auf höchster Ebene, nicht in den Bürokratien dieser verschiedenen Nationen, sondern auf der Ebene von Präsident Xi und Präsident Putin. Unser Beitrag und sicherlich auch Helga Zepp-LaRouches Zehn Prinzipien1 waren in Kasan im Umlauf. Ich denke, wir stehen kurz davor, ein neues Paradigma ins Leben zu rufen.
Anmerkung
1. Helga Zepp-LaRouche, Zehn Prinzipien für eine neue internationale Sicherheits- und Entwicklungsarchitektur.