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Neue Solidarität
Nr. 47, 21. November 2024

Wladimir Putin: „Die neue Welt wird polyphon sein“

In seiner Rede vor dem Waldai-Diskussionsclub am 7. November gab der russische Präsident Wladimir Putin einen ausführlichen Überblick über den Stand der internationalen Beziehungen und betonte die Rolle der BRICS und des Globalen Südens für den Aufbau einer polyphonen Weltordnung. Diejenigen im Westen, die sich weiter an den Mythos einer „unipolaren Welt“ klammern, sollten seine Überlegungen gründlich bedenken. Es folgen ausgewählte Zitate.

„Wir sind Zeuge der Entstehung einer völlig neuen Weltordnung, die nichts mit dem Westfälischen System oder dem System von Jalta zu tun hat, wie wir es in der Vergangenheit hatten. Neue Mächte steigen auf. Die Nationen werden sich immer mehr ihrer Interessen, ihres Wertes, ihrer Einzigartigkeit und ihrer Identität bewußt und verfolgen immer nachdrücklicher die Ziele von Entwicklung und Gerechtigkeit. Gleichzeitig sind die Gesellschaften mit einer Vielzahl neuer Herausforderungen konfrontiert, von aufregenden technologischen Veränderungen bis hin zu katastrophalen Naturkatastrophen, von empörender sozialer Spaltung bis hin zu massiven Migrationswellen und akuten Wirtschaftskrisen...

Die bisherige Weltordnung geht unwiderruflich zu Ende, ja sie ist bereits zu Ende gegangen, und es entfaltet sich ein ernsthafter, unversöhnlicher Kampf um den Aufbau einer neuen Weltordnung. Unversöhnlich vor allem deshalb, weil es sich nicht einmal um einen Kampf um Macht oder geopolitischen Einfluß handelt. Es ist ein Kampf um die Prinzipien, die den Beziehungen der Länder und Völker in der nächsten historischen Etappe zugrunde liegen werden. Sein Ausgang wird darüber entscheiden, ob wir in der Lage sein werden, durch gemeinsame Anstrengungen eine Welt aufzubauen, die es allen Nationen ermöglicht, sich zu entwickeln und aufkommende Widersprüche auf der Grundlage der gegenseitigen Achtung der Kulturen und Zivilisationen ohne Zwang und Gewaltanwendung zu lösen. Und schließlich, ob die menschliche Gesellschaft ihre ethisch-humanistischen Prinzipien bewahren kann und ob der Einzelne menschlich bleiben kann...

Ich habe bereits erklärt, daß wir an rote Linien gestoßen sind. Die Aufrufe des Westens dazu, Rußland, einem Land mit dem größten Atomwaffenarsenal, eine strategische Niederlage zuzufügen, offenbaren das verantwortungslose Abenteurertum einiger westlicher Politiker. Dieser blinde Glaube an die eigene Straffreiheit und Ausnahmestellung könnte in einer weltweiten Katastrophe enden...

In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal betonen: Im Gegensatz zu unseren Gesprächspartnern sieht Rußland die westliche Zivilisation nicht als Gegner an und stellt auch nicht die Frage: ,wir oder sie‘. Ich wiederhole: ,Entweder ihr seid für uns oder gegen uns‘ gehört nicht zu unserem Wortschatz. Wir wollen niemanden belehren und niemandem unsere Weltanschauung aufzwingen...

Der Aufstieg von Nationen und Kulturen, die bisher aus dem einen oder anderen Grund am Rande der Weltpolitik standen, bedeutet, daß ihre eigenen Vorstellungen von Recht und Gerechtigkeit eine immer wichtigere Rolle spielen. Sie sind vielfältig. Das mag den Eindruck von Zwietracht und vielleicht Kakophonie erwecken, aber das ist nur die Anfangsphase. Ich bin zutiefst davon überzeugt, daß das einzig mögliche neue internationale System eine Polyphonie ist, in der viele Töne und viele musikalische Themen zusammen erklingen und eine Harmonie bilden. Wenn Sie so wollen, bewegen wir uns auf ein Weltsystem zu, das eher polyphon als polyzentrisch sein wird, ein System, in dem alle Stimmen gehört werden und, was am wichtigsten ist, unbedingt gehört werden müssen. Diejenigen, die an das Solospiel gewöhnt sind und es beibehalten wollen, müssen sich jetzt an die neuen ,Partituren‘ gewöhnen.“