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Buchbesprechung: Hannes Hofbauer: „Im Wirtschaftskrieg – Die Sanktionspolitik des Westens und ihre Folgen. Das Beispiel Rußland“, ISBN 978-3-85371-533-8, 256 Seiten, 22,00 Euro.
Der Wiener Publizist und Verleger Hannes Hofbauer beschäftigt sich in seinem neuesten Buch mit den Folgen der völkerrechtswidrigen Sanktionen, die schon jahrzehntelang von den USA, Großbritannien und der EU gegen mißliebige Staaten und Personen verhängt wurden. Auch wenn die Schlußfolgerungen dem informierten Beobachter der politischen Lage geläufig sind: Sanktionen treffen immer die Ärmsten und Schwächsten. Und im gegenwärtigen Wirtschaftskrieg gegen Rußland sind es vor allem die Europäer und insbesondere Deutschland, die die Zeche zahlen, während die USA wirtschaftlich gewinnen und Rußland durch Verlagerung der Handelswege und Stärkung eigener Fähigkeiten gestärkt hervorgeht.
Im ersten Drittel des Buches gibt der Autor einen kurzen Abriß der Geschichte von Sanktionen, Boykotten und Blockaden von der Antike bis zur Neuzeit, um sich dann dem eigentlichen Thema Rußland zu widmen. Er befaßt sich mit den verschiedenen Wellen von Sanktionen, gibt Experten Raum, die völkerrechtlichen Fragen zu beleuchten, und zeigt an Einzelfällen die brutalen Auswirkungen.
Wer auf Sanktionslisten landet, entscheiden keine Gerichte, sondern politische Gremien oder Bürokraten. Hofbauer berichtet z.B. den Fall des Josef Hambalek, slowakischer Staatsbürger und Europachef der russischen Motorradgang „Nachtwölfe“, der im Juli 2022 sanktioniert wurde, ohne daß ihm ein konkretes Vergehen vorgeworfen wurde. „Wenn ein auf diese Weise ausgelisteter Mensch seinen Lebensmittelpunkt in einem Drittstaat hat, ist eine Sanktionierung für ihn unangenehm und er kann sehr viel verlieren, aber sie ist nicht existenzbedrohend. Ein EU-Bürger ohne andere Staatsbürgerschaft verliert damit allerdings alles: seine Lebensgrundlage und seine Bürgerrechte – und das ohne jedes gerichtliche Verfahren.“ (S. 118)
Das Perfide dabei ist, daß es nach den Sanktionsregeln verboten ist, einem Sanktionierten juristischen Beistand zu gewähren. Und so bedurfte es der Intervention des im Herbst 2023 neugewählten slowakischen Ministerpräsidenten, Robert Fico, der im März 2024 verkünden konnte, daß Josef Hambalek von der Sanktionsliste gestrichen wurde.
Im Gegensatz zu den Erzählungen der Regierungen und Mainstream-Medien beginnt für den Autor der Ukrainekonflikt nicht an einem willkürlich herausgegriffenen Datum (24.2.2022), sondern er skizziert zumindest kurz die Vorgeschichte. So habe die EU bereits 2009 sechs Staaten der ehemaligen Sowjetunion in der Peripherie zu Rußland ins Visier genommen, um mit ihnen Assoziationsabkommen im Rahmen der „Östlichen Partnerschaft“ abzuschließen: Belarus, Ukraine, Moldawien, Georgien, Armenien und Aserbaidschan. Während Belarus und Aserbaidschan den Sirenengesängen der EU nichts abgewinnen konnten, verweigerte der Präsident der Ukraine, Wiktor Janukowitsch, gestützt auf ein Votum des ukrainischen Parlaments im November 2013 die Unterschrift beim EU-Gipfel in Vilnius. Die Folgen sind bekannt.
Aus der heutigen Sicht könnte man hinzufügen, daß die EU damit in den genannte Staaten eine permanente Destabilisierung heraufbeschworen hat. Hätte man diese Staaten als Brücke zwischen Ost und West verstanden und nicht als Rammbock gegen Rußland (und China), wäre den Menschen viel Leid erspart geblieben.
Weitere Themen des Buches sind die Auswirkungen der Sanktionen im kulturellen und sportlichen Bereich sowie die zunehmende Zensur in Europa und den USA. Zum Schluß kommen die russische Gegenmaßnahmen zur Sprache sowie die Perspektive der Entdollarisierung des Welthandels durch die BRICS-Staaten und ähnliche Bemühungen im Globalen Süden.
Alles in allem ein lesenswertes Buch für alle, die eine kompakte Zusammenfassung zum Thema Sanktionen interessiert. Was in einer 2. Auflage ergänzt werden könnte, ist ein Anhang mit der Dokumentation der verschiedenen Sanktionsrunden als Nachschlagewerk für den „täglichen“ Gebrauch.
(Hannes Hofbauer stellt sein Buch vor: 14.11. Leipzig, 22.11. Aachen, 23.11. Köln, 27.11. Wien, 28.11. Tübingen, 29.11. Stuttgart. Näheres zu den Veranstaltungen: https://mediashop.at/veranstaltungen/.)
Klaus Fimmen