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Neue Solidarität
Nr. 42, 17. Oktober 2024

Typhon-Stationierung macht Deutschland
zum Ausgangspunkt eines globalen Atomkrieges

Von Prof. Theodore Postol

In der Internetkonferenz des Schiller-Instituts am 2. Oktober sprach Prof. Theodore Postol über die Gefahr eines Atomkriegs, die durch die Stationierung mobiler amerikanischer Mittelstreckenraketen in Deutschland heraufbeschworen wird, und über die Folgen des Einsatzes taktischer Nuklearwaffen. Dr. Postol ist emeritierter Professor für Wissenschaft, Technologie und internationale Sicherheit am MIT, einer der weltweit bekanntesten Experten für die Frage des Atomkriegs. Er wurde ausgezeichnet mit dem Hilliard Roderick Prize for Excellence in Science, Arms Control, and International Security von der International Association for the Advancement of Science und dem Leo-Szilard-Preis der American Physical Society. (Leicht gekürzte Übersetzung aus dem Englischen, Zwischenüberschriften wurden von der Redaktion hinzugefügt.)

Ich möchte ein wenig darüber sprechen, warum die Stationierung dieser amerikanischen Raketen in Deutschland ein Auslöser für einen Dritten Weltkrieg sein kann. Die Gründe dafür sind eigentlich ganz einfach: Die Vorwarnzeit, die den Russen wie auch den Europäern und den Vereinigten Staaten zur Verfügung stünde, wäre sehr kurz. Und wegen dieser kurzen Vorwarnzeiten und der enormen Zerstörungskraft der betreffenden Waffen wäre die Situation ständig auf Messers Schneide.

Ich werde mich in dieser Diskussion auf die russische Seite konzentrieren, weil dies wichtige Auswirkungen auf die Sicherheit Deutschlands hat, aber tatsächlich werden beide Seiten versuchen, die Nuklearstreitkräfte der anderen Seite zu zerstören, weil sie im Fall der Fälle das Gefühl haben, keine andere Wahl zu haben. Und das wird mit ziemlicher Sicherheit zu einer schnellen, unkontrollierten Eskalation führen, an der die strategischen Streitkräfte sowohl der Vereinigten Staaten als auch Rußlands beteiligt wären.

Es geht also einfach um eine Frage der kurzen Distanz, der wahrgenommenen Gefahr, die jede Seite für die andere darstellt, und die Unmöglichkeit, Atomwaffen auf irgendeine „kontrollierte“ Weise einzusetzen, um sich zu schützen. Aber es wird sicherlich eine Situation geben, die nicht mehr aufzuhalten ist, sobald sie einmal in Gang kommt.

Ich habe ein paar Abbildungen, die ich durchgehen möchte.

Im Grunde genommen geht es mir um die Stationierung dieser mobilen, atomar bewaffneten Raketen in Deutschland, die ich in diesem Vortrag beschreibe. Manche Leute sagen: „Die sind doch gar nicht atomar bewaffnet.“ Das ist lächerlich. Sie werden nuklear bewaffnet sein! Sie müssen nuklear bestückt sein, denn wenn sie das nicht sind, sind sie bedeutungslos. Das möchte ich klarstellen. Die Anzahl dieser Raketen und konventionellen Sprengköpfe kann unmöglich etwas Wesentliches am militärischen Gleichgewicht ändern, es gibt viel zu wenige davon und ihre Fähigkeiten sind viel zu gering. Deshalb wird man diese Waffen sehr schnell zu Atomwaffen umfunktionieren.

Und leider kann man meinem Land, wie Botschafter Matlock auch gesagt hat, nicht trauen, daß es nicht plötzlich die Einsatzregeln ändert. Meiner Meinung nach ist es ausgeschlossen, daß diese Raketen nicht nuklear sind, wenn sie eingesetzt werden. Das ist also etwas sehr wichtiges, das man im Hinterkopf behalten sollte.

Abb. 1: Die „Typhon“-Systeme sind als normale LKW ge­tarn­te mobile Startrampen, von denen aus konventionell oder nuklear bewaffnete Raketen und Marschflugkörper ge­star­tet werden können [oben].



Abb. 2: 100-kt-Sprengköpfe des U-Boot-gestützten Trident-II-Systems für bal­lis­tische Raketen [rechts mitte] sind im US-Atomwaffen­arsenal allgegenwärtig und die naheliegende Wahl für die neuen Typhon-Raketensys­teme [rechts unten]. In Zukunft können auch Hyperschall-Marschflugkörper [rechts oben] eingesetzt werden.
Abb. 3: Das geplante Hyper­schall-Raketensystem wird die Radar-Frühwarnzeiten für Rußland erheblich verkürzen – das sich auf Radarsysteme verlassen muß, um einen Angriff zu erkennen. Moskau hätte bei einem nuklearen Angriff aus Deutschland vielleicht 3–4 Minuten Vor­warn­zeit [unten].
Abb. 4: Im Fall der Stationierung von Hyperschall-Marschflugkörpern in Deutschland wären die Vorwarnzeiten für Nuklearangriffe der NATO auf Moskau extrem kurz! Radarsysteme in Moskau könnten einen bevorstehenden Nuklearangriff der NATO nur für Zeiträume von bis zu 6 Minuten (!) erkennen.

Wenn man sich diese speziellen Raketen ein wenig genauer ansieht, wird man feststellen, daß Lastwagen sie transpor­tieren, die Behälter tragen, die durch das Dach des Lastwagens senkrecht gestellt und abgefeuert werden können (Abbildung 1).

Wichtig an diesen Lastwagen ist, daß sie, wenn sie auf der Straße unterwegs sind, nur sehr schwer von kommerziellen Lastwagen zu unterscheiden sind, die zivile Handelsgüter transportieren. Das ist kein Zufall. Sie sollen nur sehr schwer zu erkennen sein, und eine Möglichkeit, diese Lastwagen zu verstecken, besteht eben darin, sie schlicht und einfach wie kommerzielle Lastwagen aussehen zu lassen.

Das bedeutet, wenn die Russen an­fangen, sich Sorgen zu machen, daß diese Lastwagen an verschiedenen Orten stehen werden, die möglichst geheim­ge­halten werden, aber die Russen würden mit Sicherheit trotzdem einige der Orte kennen. Wenn die Russen das sehen und sich entscheiden, etwas dagegen zu tun, werden sie wahrscheinlich versuchen, diese Einheiten zu zerstören, bevor sie für einen Angriff auf Rußland eingesetzt werden. Das bedeutet, daß es auf deutschem Boden zu einem sehr breiten Einsatz von Atomwaffen kommen könnte.

Das Besondere an den Raketen, die diese Systeme tragen (Abbildung 2), ist: Sie sind im Grunde in vielerlei Hinsicht einem Sprengkopf für ballistische Raketen sehr ähnlich, aber sie sind so konstruiert, daß sie einen gewissen aerodynamischen Auftrieb haben. Sprengköpfe für bal­lis­tische Raketen sind eher nicht so aus­ge­legt, weil sie sich die meiste Zeit außer­halb der Atmosphäre befinden.

Einen Sprengkopf für eine ballistische Rakete würde man auf einer anstei­gen­den Flugbahn abschießen, und diese ansteigende Bahn würde aufgrund der Erdkrümmung schnell sichtbar werden, auch wenn die Krümmung groß genug ist, um den Start vor einem Radar in Moskau zu verbergen (Abbildung 3 oben). Dann hätte man mindestens 10 oder 12 Minuten Zeit, um dieses Objekt zu beobachten, das auf einen zukommt.

Ein Hyperschallfahrzeug jedoch wird auch mit einer Geschwindigkeit gestartet, die in etwa der einer ballistischen Rakete entspricht, so daß es Moskau schneller erreicht, weil es auf einer kürzeren Flugbahn unterwegs ist. Es streift die Oberfläche der Atmosphäre (Abbildung 3 unten), aber seine Geschwindigkeit ist extrem hoch.

Und weil es sich in geringer Höhe über dem Boden befindet, ist es wahr­schein­lich, daß es nur etwa drei Minuten lang in der Sichtlinie der Radargeräte in Moskau ist, bevor es dort eintrifft. Die Russen hätten also fast keine Vorwarnung vor einem nuklearen Angriff auf ihre Führung (Abbildung 4).

Das wird die Russen dazu veranlassen, Mechanismen einzurichten, um schnell reagieren zu können. Ich kann Ihnen nicht sagen, wie diese Mechanismen aussehen würden, aber sie werden sicherlich verschiedene Dinge beinhalten, die wir „vorab delegierte Autorität“ nennen: die Befugnis, Maßnahmen zu ergreifen, wenn beispielsweise die Kommunikation aus Moskau plötzlich abbricht. Und wenn es unter bestimmten Krisenbedingungen zu einem versehentlichen Kommunikationsausfall käme, könnte das zum massiven Einsatz von Atomwaffen gegen Deutschland führen.

Der Präzedenzfall: Die Kubakrise 1962

Ich werde nicht näher darauf eingehen, aber das war die Angst der Vereinigten Staaten während der Kubakrise 1962!

Abb. 5: Flugdauer russischer Nuklearschläge gegen Washington, D.C. und andere US-Städte von Kuba aus im Jahr 1962.

1962 verhängten die Vereinigten Staaten eine Blockade gegen Kuba und planten eine Invasion, falls die Russen nicht einlenken und die Stationierung von Atomwaffen auf Kuba stoppen würden, weil die Vorwarnzeiten so kurz und für die Vereinigten Staaten inakzeptabel wären, wenn ballistische Atomraketen von Kuba aus gestartet werden (Abbildung 5).

Glücklicherweise hatte Chruschtschow selbst den Krieg erlebt und wußte, was das bedeutet – ebenso wie John F. Kennedy, der den Krieg auch erlebt hatte. Und diese beiden erfahrenen Präsi­den­ten, die beide Soldaten gewesen waren, hatten verstanden, wie schnell die Lage außer Kontrolle geraten konnte.

Stellen Sie sich nun vor, was passiert wäre, wenn Chruschtschow zu Kennedy gesagt hätte: „Kuba geht Sie nichts an. Sie haben kein Recht, uns zu verbieten, Atomwaffen auf Kuba zu stationieren!“ An diesem Punkt hätte der Dritte Weltkrieg beginnen können. Die Vereinigten Staaten wären mit Sicherheit dort einmarschiert, und wir wissen jetzt, daß auf Kuba bereits nuklear bewaffnete ballistische Raketen waren. Wir wissen nicht, was passiert wäre, aber es besteht eine erhebliche Wahrscheinlichkeit, daß diese Waffen abgefeuert worden wären.

In der Gegenwart, im Dezember 2021, sprach Sergej Lawrow mit Antony Blinken, und Blinken sagte ihm, daß sich die Vereinigten Staaten das Recht vorbehalten, nuklear bewaffnete ballistische Raketen in der Ukraine zu stationieren. Lawrow protestierte und sagte: „Wir würden dagegen Einspruch einheben“, und Blinkens Antwort an Lawrow lautete: „Nun, Sie haben kein Recht, den Ukrainern zu sagen, was sie tun und was sie nicht tun dürfen. Das geht Sie nichts an.“

Stellen Sie sich vor, Chruschtschow hätte das damals mit dem amerikanischen Präsidenten so gemacht.

Das war im Dezember 2021, und die Invasion folgte bekanntlich am 24. Februar 2022, nur zwei Monate später – keine Überraschung, wenn man ein wenig über die Situation weiß und überlegt, wie die Menschen aus militärischer und politischer Sicht darüber denken würden.

Wie würde ein Nuklearschlag auf Deutschland aussehen?

Wie könnte nun ein taktischer Nuklearschlag Rußlands auf diese Raketenstellungen in Deutschland aussehen? Nun, wir wissen es nicht genau, aber wir wissen, auf welche Weise eine militärische Institution vorgehen könnte. Nicht, weil sie verrückt sind, sondern weil sie auf jede erdenkliche Weise versuchen, den Schaden für ihr Land zu begrenzen. Und sie wissen, daß das wahrscheinliche Ergebnis ihrer Handlungen die Zerstörung der Welt ist.

Wer glaubt, diese Soldaten wüßten nicht, was sie tun, und könnten die Konsequenzen ihres Handelns nicht in vollem Umfang verstehen, der kennt sie einfach nicht. Ich habe Seite an Seite mit Amerikanern gearbeitet, die damit befaßt waren – Soldaten – und die wußten genau, womit sie es zu tun hatten. Und sie hätten ihren Job gemacht, aber sie hätten sich dabei keinerlei Illusionen gemacht, daß die Welt so bleiben würde, wie sie ist, oder daß sie selbst oder ihre Familien am Leben bleiben würden. Die Vorstellung, daß diese Soldaten die Konsequenzen irgendwie nicht verstehen, ist falsch! Meiner Erfahrung nach sind es die Zivilisten, die zivile Führung im Pentagon, die die Konsequenzen nicht vollständig verstehen.

Abb. 6: Mögliche Fallout-Muster bei sehr begrenzten russischen taktischen Nuklearraketen-Gegenschlägen.

Hier ist als Beispiel ein Gedankenspiel (Abbildung 6). Ich habe kleine nukleare Explosionen eingezeichnet, und die roten ovalen Bereiche zeigen Ihnen Gebiete, in denen der Fallout – das radioaktive Material aus den nuklearen Explosionen – zu Boden sinken und ein so großes Strahlungsfeld erzeugen würde, daß Menschen, die das Gebiet nicht innerhalb von 24 Stunden evakuieren, eine tödliche Dosis erhalten. Der blaue Bereich zeigt das Gebiet, in dem die Menschen soviel Strahlung abbekommen würden, daß sie krank werden; einige von ihnen würden aber auch sterben, weil sie keine medizi­nische Versorgung hätten. Die Karte zeigt nur etwa ein Dutzend nuklearer Detona­tionen.

Ich gehe dabei übrigens von einer nuklearen Sprengkraft der Sprengköpfe aus, die genau der von Putin genannten Sprengkraft der russischen taktischen Nuklearsprengköpfe entspricht: 75 Kilotonnen. Das ist meine Annahme. Sie könnten größer sein, sie könnten kleiner sein. Ich vermute, daß es eine Mischung wäre.

Diese Angriffe würden an den Orten stattfinden, wo nach den Erkenntnissen der Russen Einheiten taktischer ballistischer US-Raketen stationiert sind. Aber tatsächlich gäbe es noch viel mehr Standorte, die sie nur vermuten können, und wahrscheinlich würden Hunderte dieser Waffen darauf abgefeuert, weil die Geheimdienstinformationen unsicher sind und es ein großes Risiko ist, einen Ort zu übersehen, an dem mehrere Atomwaffen gegen dein Land und seine Hauptstadt abgefeuert werden könnten. Wenn man ohnehin schon solche Waffen einsetzt, wird man nicht sagen: „Ach je, wenn wir noch eine Waffe mehr einsetzen, könnte das eine Eskalation bedeuten.“ Nein, du würdest alles ins Visier nehmen, was deiner Ansicht nach eine Bedrohung für dein Land darstellen kann.

Kommen wir zu einem Gefahrenbereich, der ebenfalls ins Visier genommen werden könnte. Das ist eine Karte von Hamburg aus dem Jahr 1943. Sie markiert Gebiete, die bei den Bombenangriffen vom 27. und 28. Juli 1943 bombardiert wurden. Hamburg ist übrigens eine große Kommandozentrale, also wird es auch getroffen werden. Niemand wird sagen: „Wir werden keine Kommandozentrale angreifen.“ Dort werden alle Entscheidungen getroffen, diese Waffen gegen euch einzusetzen. Deshalb wird man sie alle angreifen, und es wird viele große Städte geben, sogar wahrscheinlich die meisten, die mit einer Atomwaffe getroffen werden. Dieses Gebiet brannte in einem sogenannten Feuersturm nieder.

Hier sehen Sie ein Foto eines Brandgebiets. Ein Feuersturm entsteht, wenn ein sehr großes Gebiet in Flammen steht. Die Größe des Gebiets spielt eine Rolle, denn je größer es wird, desto größer ist die Intensität der Erwärmung über dem Gebiet. Das Gebiet, über dem die Luft erwärmt wird, wächst im Quadrat, während der Umfang nur linear größer wird. Daher reicht die Intensität der von außen einströmenden Luft nicht aus, um die Lufttemperatur im Brandbereich ausreichend abzukühlen und zu verhindern,

Abb. 7 und 8: Ein Feuersturm entsteht, wenn die aufgeheizte Luft in die Höhe gerissen wird, aber die nachströmende Luft nicht ausreicht, um den Brandbereich zu kühlen [links]. Es bildet sich ein Luftwirbel aus, der das Feuer nach innen treibt, was dazu führt, daß das gesamte Gebiet in Flammen aufgeht und am Boden sehr starke Winde entstehen [rechts].
Abb. 9 Foto: Opfer des Feuer­sturms, die durch Kohlenmo­noxid und starke Boden­er­hitzung durch einen Feuer­sturm getötet wurden.
Abb. 10: Unmittelbarer Wir­kungsbereich der russischen 75-kt-taktischen thermo­nukle­aren Detonation (großer Kreis) auf Hamburg im Ver­gleich zum Feuersturm von 1943 (gelb schraffierte Fläche unten rechts im Bild).
Abb. 11: Zu dem Feuersturm, den die Detonation einer taktischen 75-kt-Kernwaffe auslösen würde, kommt noch die Wirkung des radioaktiven Niederschlags (schwarze Schraffierung).
Abb. 12: Würde außerdem auch der Hamburger Flug­hafen mit einer taktischen 75-kt-Bomben angegriffen [unten], würden sich die bei­den Brandgebiete zu einem einzigen noch größeren Feuersturm vereinigen.

daß sie immer weiter ansteigt. Und so entsteht sehr schnell ein zirkulierender Feuersturm (Abbildung 7).

Hier ist ein Bild von einem Luftangriff mit dem sich entwickelnden Feuersturm – das werde ich jetzt nicht weiter ausführen. Dabei passiert folgendes: Der kreis­förmige Bereich des Feuers erzeugt auf natürliche Weise eine Luftbewegung, die das Feuer nach innen treibt, was dazu führt, daß das gesamte Gebiet in Flammen aufgeht und am Boden sehr starke Winde entstehen (Abbildung 8).

Die Temperaturen sind enorm – so hoch, daß sie Glas schmelzen, so intensiv ist ein Feuersturm. Die Lufttemperatur liegt über dem Siedepunkt von Wasser. Die Windgeschwindigkeit erreicht Orkan­stärke, und selbst Menschen in Schutz­räumen sind verloren, sie können den Schutzraum nicht verlassen, weil die Luft so heiß ist und die Winde so stark sind, und sie werden in den Schutzräumen buchstäblich gebraten (Abbildung 9).

Das haben wir in Hamburg, Dresden und anderen deutschen Städten gesehen, die im Zweiten Weltkrieg ausgebombt wurden.

Damit Sie einen Eindruck bekommen, wie Hamburg heute bei einem Feuersturm (durch eine Nuklearbombe) leiden würde, im Vergleich zu 1943, habe ich dieses Gebiet auf die Satellitenkarte von Google projiziert, damit Sie sich ein Bild von der Struktur der Stadt machen können, anstatt nur eine Karte zu betrachten.

Abbildung 10 zeigt das Gebiet, das eine kleine taktische 75-Kilotonnen-Nuklear­waffe in Brand setzen würde. Das Brand­gebiet am Boden wäre viel intensiver als im Feuersturmgebiet während des Groß­angriffs 1943.

Nun ist es wichtig zu bedenken, daß diese Atomwaffe auch Strahlung erzeugt, die größtenteils in große Höhen getragen wird und dann in Form von Partikeln innerhalb von zehn Minuten nach Bildung der Detonationswolke herabfällt. Und Abbildung 11 zeigt Ihnen, daß das ziemlich nahe ist. Es zeigt das Gebiet in Windrichtung, wenn man von einer bestimmten Windrichtung ausgeht – die man tatsächlich zum Zeitpunkt des Angriffs nicht wüßte –, und es zeigt Ihnen das Gebiet, in dem Menschen innerhalb einer Stunde an den Folgen des radioaktiven Niederschlags sterben würden, weil die Strahlungsintensität so hoch wäre und so schnell käme.

Nun ist Hamburg eine große Metropol­region und hat einen Flughafen. Warum sollte jemand einen zivilen Flughafen angreifen, es ist doch keine militärische Einrichtung?

Nun, wenn man im Krieg ist oder ein Krieg möglich ist, würden sehr wahrscheinlich viele Militärflugzeuge auf zivile Flughäfen verteilt, um die Wahrscheinlichkeit zu minimieren, daß sie zerstört werden, wenn der Militärflughafen angegriffen wird. Das bedeutet, daß auch die zivilen Flughäfen angegriffen werden. Ich versuche nur, Ihnen einen Eindruck von der Argumentation hinter solchen Angriffen zu vermitteln.

In diesem Fall hätten Sie eine zweite – wiederum willkürlich angenommen – taktische Nuklearwaffe mit 75 kt. Sie könnte durchaus größer sein, und ich glaube sogar, sie wäre wahrscheinlich größer (Abbildung 12). Und in dem Gebiet zwischen diesen beiden Feuerbereichen würden Winde aus den beiden Windbewegungen entstehen, die Luft ansaugen und miteinander konkurrieren, was dazu führen würde, daß das gesamte Gebiet zu einem riesigen Feuersturm verschmilzt.

Abb. 13: Fotos von Schäden durch den Feuersturm in Nagasaki, maßstabgerecht überlagert mit dem Feuer­sturmgebiet in Hamburg im Juli 1943.
Abb. 14a [oben], b [unten]: Nagasaki, Japan, oben vor und unten nach einem Atomangriff und einem „Feuersturm“ durch die Detonation einer 22-Kilotonnen-Bombe am 9. August 1945.

Das ist also die Art von Schaden: unvorstellbar! Wie Sie wahrscheinlich erkennen können, habe ich mir hier viel Mühe gegeben, um Grafiken zusammenzustellen, die realistisch sind, so gut wir es als Menschen eben können.

Hier habe ich zu dieser Grafik, die nur das Brandgebiet von Hamburg zeigt, Nagasaki hinzugefügt, in einem vergleichbaren Maßstab (Abbildung 13). Die Straßenmaße sind also mit dem ausgebrannten Gebiet vergleichbar.

Dies ist ein kleineres Gebiet, das ich Ihnen hier zeige. Wenn Sie einen Eindruck vom Ausmaß der Schäden bekommen wollen, die durch den Atomangriff auf Nagasaki entstanden: Das ist eines der beiden Fotos oben vor dem Angriff (Abbildung 14a), und hier ist es nach dem Angriff (Abbildung 14b). In diesem Fall gab es eine starke Explosion, und an dem Ort waren praktisch alle Gebäude und alles Leben eliminiert.

Damit komme ich zum Schluß.

Ich könnte mehr zum radioaktiven Niederschlag sagen, aber ich denke, mein Punkt hier ist der: Um transparent und unverblümt zu sein, muß man die Wahrheit aussprechen. Ich bin offen gegenüber den Menschen, wenn ich über diese Themen spreche. Ich möchte die Situation nicht überbewerten. Tatsächlich untertreibe ich sie sogar. Ich möchte, daß die Menschen verstehen, daß wir es hier wirklich mit dem Abgrund zu tun haben: dem Ende der menschlichen Zivilisation, wie wir sie kennen, und möglicherweise dem Ende des menschlichen Lebens auf dem Planeten, wie wir ihn kennen. Und ich versuche, mit diesen Grafiken so ehrlich wie möglich zu sein, sie nicht zu übertreiben, sondern Ihnen nur einen Eindruck davon zu vermitteln, was passieren könnte. Und deshalb stimme ich der Argumentation von Botschafter Jack Matlock in allen Punkten voll und ganz zu.

(Den Videomitschnitt des Vortrags mit deutscher Simultanübersetzung finden Sie im Youtube-Kanal des Schiller-Instituts)