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„Wollen die Israelis in einem Land leben, das sich von Blut ernährt?“ So lautet die Überschrift einer Kolumne von Gideon Levy in Haaretz vom 15. September. Trotz der kontrollierten Umgebung, die die Regierung geschaffen hat, sind immer mehr Israelis so entsetzt wie er darüber, was aus dem Land geworden ist. Aber noch sind es viel zu wenige. Wie die Zitate unten zeigen, macht es die gesamte Weltgemeinschaft umso barbarischer, je länger ein andauernder Völkermord toleriert wird.
„Israel verwandelt sich mit alarmierender Geschwindigkeit in ein Land, das von Blut lebt“, beginnt Levy. „Die täglichen Verbrechen der Besatzung sind bereits weniger relevant. Im vergangenen Jahr ist eine neue Realität von Massentötungen und Verbrechen in einem völlig anderen Ausmaß entstanden. Wir befinden uns in einer völkermörderischen Realität; das Blut von Zehntausenden von Menschen ist geflossen. Dies ist der Zeitpunkt, an dem sich alle Israelis fragen sollten, ob sie bereit sind, in einem Land zu leben, das auf Blut basiert. Sagen Sie nicht einfach, wir hätten keine andere Wahl – natürlich haben wir das –, sondern fragen Sie sich zuerst, ob wir wirklich bereit sind, so zu leben. Sind wir, die Israelis, bereit, im einzigen Land der Welt zu leben, dessen Existenz auf Blut basiert? Die einzige Vision, die in Israel derzeit weit verbreitet ist, ist die, von einem Krieg zum nächsten zu leben, von einem Blutbad zum nächsten, von Massaker zu Massaker, wobei die Abstände so groß wie möglich sein sollten. Eine andere Vision gibt es nicht.“
Die neue Normalität des Krieges. Der bekannte US-Journalist Seymour Hersh veröffentlichte am 19. September auf Substack den erschreckenden Bericht einer Kanadierin, die anonym bleiben möchte und als Forscherin in Gaza tätig war. Sie erklärt, „die Militäraktion in Gaza hat neues Terrain der Gewalt gegen Zivilisten erschlossen“. Im nächsten Krieg, wo auch immer er stattfindet, werde es nicht mehr so schockierend sein, wenn systematisch Krankenhäuser, Schulen oder Journalisten angegriffen und Kinder zerfetzt werden – schließlich sähen wir das jetzt alles in Gaza, oft sogar im Livestream. „Die Menschen verstehen nicht, daß das, womit die Israelis in Gaza davonkommen, die Bühne für kommende Kriege bereitet – überall.“ Das visuelle Element dieses Krieges sei „Teil der Normalisierung“. Die Forscherin kritisiert insbesondere die USA, die sich weigern, Druck auf Israel auszuüben, und sie erwartet auch nicht, daß die nächste Regierung das tut, egal wer gewinnt.
Amerikanischer Arzt berichtet schreckliche Erfahrungen in Gaza. Am 16. September nahm Dr. Mark Perlmutter an einem Wahlkampfgespräch mit Senatskandidatin Diane Sare und Kongreßkandidat José Vega vom Schiller-Institut teil, um über seine Erfahrungen in Gaza zu sprechen. Perlmutter ist Präsident der Hilfsorganisation World Surgical Foundation und hat in den letzten 30 Jahren an 40 lebensrettenden Missionen weltweit teilgenommen, aber „all diese Erfahrungen zusammen waren nicht so schlimm wie das, was wir allein in unserer ersten Woche in Gaza gesehen haben“. Da dort keine Journalisten sind, weil sie nicht einreisen dürfen, um getötete Kollegen abzulösen, beschlossen er und seine Kollegen, der Welt zu berichten, wie die Realität für die Bevölkerung aussieht.
„Das Überwältigende, das uns schockierte, war der unverhältnismäßig hohe Anteil der Kinder an den Patienten. In Gaza sind 50% der Menschen Highschool-Schüler oder jünger; wenn also eine Bombe – die wahllos ist – auf eine Zeltstadt, ein Wohnhaus oder einen Spielplatz fällt, sind mindestens 50% oder mehr der Getöteten Kinder.“ Kilometerlange Kolonnen von Lastwagen warteten darauf, Lebensmittel, Wasser, Medikamente und andere lebenswichtige Güter nach Gaza zu liefern, aber die israelischen Streitkräfte verweigern ihnen die Einfahrt. „Die überwältigende Meinung aller Ärzte, die dort waren – und damit auch aller Journalisten, die dort waren –, war, daß es sich hierbei definitiv um einen Völkermord handelt.“
Am 19. September verteilten Aktivisten von José Vegas Kampagne am Sitz der UN in New York Flugblätter mit Zeugenaussagen von Dr. Perlmutter an Delegierte. Doch Beamte des UN-Sicherheitsdienstes nahmen ihnen auf Anweisung ihrer Vorgesetzten die Flugblätter wieder weg. Das zuständige Büro behauptete später, es habe das Recht, zu entscheiden, welche Dokumente auf das Gelände gebracht werden dürfen.