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Von Frank Bornschein
Frank Bornschein ist Ingenieur und Unternehmensberater sowie Stadtrat von Schwedt in Brandenburg.
Hallo, einen schönen guten Nachmittag, vielen Dank, daß ich hier reden darf. Vielleicht haben Sie mich ja schon mal gesehen, in dem Beitrag in Straßburg vom vergangenen Jahr, wo ich über die Deindustrialisierung Deutschlands und die Situation am Beispiel des PCK Schwedt gesprochen habe.
Mein Name ist Frank Bornschein. Ich bin von Beruf mehrfacher Ingenieur, und dann habe ich auch noch Betriebswirtschaftslehre studiert und bin seit dem Jahr 2000 als Unternehmensberater tätig, in mehreren Bundesländern, und denke schon, daß ich von Wirtschaft ein bißchen Ahnung habe. Und ich bin gleichzeitig noch Stadtrat der Stadt Schwedt, auch wieder neu gewählt, und bin Mitinitiator der Friedensbewegung hier bei uns im Nordosten vom Land Brandenburg.
In Straßburg habe ich zu der Problematik der Deindustrialisierung gesprochen, der Deindustrialisierung Europas, am Beispiel des PCK Schwedt. Wir müssen davon ausgehen, daß das PCK Schwedt ein energieintensiver Wirtschaftszweig ist und voll unter die Energieeinsparpläne der Europäischen Union fällt.
Vielleicht war mancher von Ihnen schon in Schwedt gewesen, viele haben von Schwedt gesagt, es riecht dort immer nach Erdöl – ja, das stimmt, wenn der Wind ungünstig steht, riecht es nach Erdöl. Aber ich komme aus dem anhaltinischen Raum, aus dem Chemiedreieck Wolfen-Bitterfeld, da roch es auch lange Zeit immer sehr streng.
Zum Industriestandort Schwedt: vor der Boykottierung des russischen Öls deutscherseits hat Schwedt 20% der Bruttowertschöpfung des Landes Brandenburg generiert, und die Stadt Schwedt war auch die Stadt oder die Region mit der höchsten Bruttowertschöpfung pro Kopf in den neuen Bundesländern. Das muß man also auch mal darstellen – diese halb automatisierten und automatisierten Fertigungsbereiche, die dann natürlich auch nicht so personalintensiv sind wie zum Beispiel andere Produktionsstätten bzw. im Dienstleistungsbereich.
In Schwedt wurden bis zum Ende des Jahres 2022 jährlich 11 Millionen Tonnen Rohöl verarbeitet, vorwiegend aus Rußland, über die Erdölleitung Druschba – also Freundschaft –, die in den 60er Jahren fertiggestellt wurde. Zeitweilig konnten bis 18 Millionen Tonnen verarbeitet werden.
Nach den Embargo-Maßnahmen, nach dem Einfuhrstopp des russischen Öls, werden dort ca. 7 Millionen Tonnen Rohöl verarbeitet. Die werden angeliefert über die Ausgleichsleitung von Rostock zur Raffinerie über den Anschluß Danzig und praktisch auch die Erdölleitung Freundschaft, die über Tanker angefahren wird, wo dann Öl reingepumpt wird – auch kasachisches Öl aus der Erdölleitung Druschba. Jeder, der weiß, wo Kasachstan ist, weiß, wo die Ölfelder sind. Man kann nicht unterscheiden, ob es russisches Öl ist oder kasachisches Öl. Das ist auch vollkommen nebensächlich.
In der Betriebswirtschaftslehre gibt es die sogenannte Gewinnschwelle, und die Gewinnschwelle ist der sogenannte tote Punkt. Jedes Gramm Fertigung mehr, das über der Gewinnschwelle liegt, ist gewinnorientiert, und die Gewinnschwelle im PCK Schwedt liegt bei ca. 7 Millionen Tonnen – genau bei diesem Wert, was diese Raffinerie jetzt gegenwärtig produziert.
Und jeder, der ein bißchen aus der Wirtschaft kommt, der weiß: Wenn ich gerade so haarscharf an der Gewinnschwelle produziere, kann ich keine Rücklagen bilden, um auf unvorhergesehene Ereignisse zu reagieren zu können. Das heißt, ich stehe genau an der Grenze des sogenannten Eigenkannibalismus, also, ich fresse mich faktisch selber auf.
Rosneft ist der Mehrheitseigner, mit mehr als 50%. Die PCK-Raffinerie befindet sich gegenwärtig unter staatlicher Verwaltung, unter staatlicher Treuhand. Diese staatliche Treuhand, die sollte schon lange auslaufen, ist es aber nicht, die wurde immer wieder für ein halbes Jahr verlängert. Warum? Es findet sich kein Investor, der diese Raffinerie dort kauft.
Das ist alles wunderbar und wunderschön, und die Mitarbeiter fühlen sich wahrscheinlich auch noch sehr, sehr sicher. Die Unruhe geht um, aber sie werden stillgehalten.
Gegenwärtig arbeiten im PCK Schwedt circa 1000 Mitarbeiter im Primärbereich – das ist alles, was mit Erdölverarbeitung, mit Erdölveredelung, mit der Petrochemie zu tun hat –, und weitere circa 3000 Arbeitsplätze sind in der Peripherie. Nach dem, was wir alle befürchten – zumindest wir von unseren Kräften hier in Schwedt – werden, wenn das alles abgewickelt ist, ca. 300 Mitarbeiter im Primärbereich übrigbleiben und ungefähr 900 in der Peripherie.
Warum sage ich das so? Es gibt den Green Deal der Europäischen Union, der ist 2019 verabschiedet worden, der die europäischen Länder zu einseitigen Energiesparmaßnahmen, Sparmaßnahmen dort aufruft oder veranlassen soll. Auf dieser Grundlage gibt es seit 2021 das Energiesicherungsgesetz in Deutschland, was gegenwärtig die energieintensiven Industriezweige, ich sage mal, „aufs Korn nimmt“. Dazu zählt der Maschinenbau. Dazu zählt auch der KFZ-/Automobilbau, die Papierindustrie und natürlich auch die Chemieindustrie.
Und wir wissen selber, in welcher Phase wir uns jetzt befinden, wir haben es hier vorhin schon mehrmals gehört – die Digitalisierung bzw. die künstliche Intelligenz. Wenn ich die Frage stelle: Was meint ihr, liebe Freunde, warum so viele Strommasten gebaut werden? Die künstliche Intelligenz braucht viel Energie, deswegen haben wir so viele Stromtrassen, die notwendige Energie muß da nämlich durch. Und weil wir wissen, was für Strommengen so ein Großrechner benötigt, da wissen wir, wieviel Energie benötigt wird.
Künstliche Intelligenz hat natürlich den Vorteil: eine solche Arbeitskraft, die durch künstliche Intelligenz ergänzt wird oder ersetzt wird, die wird nicht krank, macht keinen Urlaub, und das ist dann mittelfristig und langfristig für die Betreiber solcher Unternehmen natürlich wunderbar.
Es steht also die Entkarbonisierung in der EU und im Bund an, und die wird befolgt und weiter getrieben. Und ich möchte mal ein Beispiel nennen. Zu Beginn des Jahres 2023, als die Erdölleitung zu war, hat das PCK mit circa 50% produziert. Wir haben keine Engpässe gehabt in der Erdölversorgung, in der Benzinversorgung, da hat es keine Engpässe gegeben. Wir haben in Deutschland gegenwärtig einen Überhang von zwei Raffinerien, die ohne weiteres geschlossen werden können, ohne daß es hier dann zu Versorgungsengpässen kommt.
Was passiert mit den Mitarbeitern dort? Die Menschen, die da alle gemeinsam mitarbeiten, die Gewerkschaften, die Betriebsräte, die Politik – ja, die Politik hier vor Ort, ich bin ja im Stadtrat –, die werden hingehalten durch Versprechungen von den Ministern, die werden hingehalten durch Versprechungen von der Politik allgemein. Die meinen ja alle, das läuft.
Es gibt auch diesen Fonds in der Bundesrepublik, der solche Betriebe zeitweilig stützt. Aber diese Unterstützung ist auf maximal zwei Jahre befristet und wir schreiben das Jahr 2022, Ende 2022: Die zwei Jahre sind dieses Jahr rum! Und dann befürchten wir, daß es dann zu Personalabbau in Größenordnungen kommt, wo dann erst einmal der Paragraph 613a BGB greift, daß sie erst mal ein Jahr noch weiter beschäftigt werden, ohne daß sie Einbußen erleiden. Aber was ab Ende 2025 passiert, das weiß keiner.
Wie schon gesagt, die werden alle still gehalten, die werden alle ruhig gehalten. Die Stimmung, die Gaststätten sind voll, das muß ich ganz ehrlich sagen, wer sich umsieht in der Stadt, da ist alles paletti – ist es aber nicht. Die Unruhe geht um, aber man versucht von der Politik, dem gegenzusteuern.
Das ist die Situation mit PCK. Aber Schwedt besteht nicht nur aus dem PCK Schwedt. Wir haben einen zweiten Großbetrieb, der genauso viele Beschäftigte hat, und dieser Betrieb befindet sich in argen Schwierigkeiten, der hat jetzt schon 25% seiner Kapazität abgebaut, also eine von vier Papiermaschinen ist geschlossen. Und wie es da weitergeht, das weiß keiner. Dieses Unternehmen befindet sich in einem sehr harten Überlebenskampf. Und wenn ich jetzt sage oder gesagt habe, daß zu der energieintensiven Industrie auch die Papierindustrie dazu zählt, dann wissen wir ungefähr, was diesen Industriestandort Schwedt in der nächsten Zeit erwartet.
Wir sind da nicht untätig, wir halten dagegen. Wir versuchen, die Menschen aufzuklären. Wir haben eine Gruppe, wir sind auch sehr viel im Organisationsbereich tätig. Aber solange ein Stück Fleisch auf dem Teller liegt, die Bundesliga läuft und der Hund im Garten bellt, scheint die Welt für viele noch in Ordnung zu sein. Auch das ist ein allgemeines Problem, was wir in Deutschland haben.
Wir kämpfen aber weiter.