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Infolge der Zerstörung der Infrastruktur und der unerträglichen hygienischen Bedingungen droht im Gaza-Streifen eine Polioepidemie.
Während sich die Verhandlungen in Doha über einen möglichen Waffenstillstand für den Gazastreifen hinziehen, leidet die palästinensische Bevölkerung weiter. Eine Studie in der renommierten britischen medizinischen Fachzeitschrift The Lancet vom 5. Juli kam zu dem Ergebnis, daß seit dem 7. Oktober 2023 bis zu 186.000 Palästinenser gestorben sind, ausgehend von einer konservativen Schätzung von vier indirekten Todesfällen je direktem Todesfall durch israelische Bombardierung und Kampfhandlungen.
Eine Hauptursache für die Sterblichkeit ist die Ausbreitung von Epidemien und Krankheiten bei einem völligen Zusammenbruch des Gesundheitssystems. Nach einer neuen UN-Schätzung, über die Bloomberg News berichtete, ist der Gazastreifen inzwischen unter etwa 42 Millionen Tonnen Schutt begraben. Mehr als 70% der Häuser, Schulen und Krankenhäuser sind beschädigt. Der größte Teil der Bevölkerung wurde vertrieben und muß in überfüllten, unhygienischen Flüchtlingslagern leben, wo sie trotzdem nicht vor israelischen Panzern und Bomben sicher sind.
Nun ist sogar die Kinderlähmung (Polio) wieder zu einer sehr realen Bedrohung geworden, insbesondere bei Kleinkindern. Die Welthungerhilfe und UNICEF bereiten eine Impfkampagne vor, benötigen dafür aber mindestens eine siebentägige Kampfpause.
Save the Children, Teil einer Koalition von 20 humanitären Organisationen und 20 Ärzten, warnt, daß eine ganze Generation von Kindern im Gazastreifen in großer Gefahr ist, wenn nicht sofort ein Waffenstillstand ausgerufen und uneingeschränkter Zugang für humanitäre Hilfe gewährt wird. Besonders dringend nötig sind Polio-Impfungen für 640.000 Kinder unter zehn Jahren. Jake Johnson, ein angesehener Haiti-Experte in den USA, berichtet am 20. August unter der Überschrift „Eine ganze Generation ist in Gefahr“ in Common Dreams, die Gesundheitsbehörden im Gazastreifen hätten wenige Tage vor dem Aufruf von Save the Children den ersten Poliofall seit mehr als zwei Jahrzehnten festgestellt - ein erst zehn Monate altes Kind in Deir al-Balah. Deir al-Balah ist eine der Städte, in denen das Gesundheitsministerium des Gazastreifens und die Weltgesundheitsorganisation im vergangenen Monat das Poliovirus im Abwasser entdeckt hatten.
„Ohne sofortiges Handeln ist eine ganze Generation dem Risiko einer Infektion ausgesetzt und Hunderte von Kindern sind von einer hochgradig infektiösen Krankheit bedroht, die durch einen einfachen Impfstoff verhindert werden kann“, sagte Jeremy Stoner von Save the Children. Für eine wirksame Impfkampagne müsse man jedoch 95% der gefährdeten Kinder erreichen, „und das ist in einem aktiven Kriegsgebiet nicht möglich“. Daher müsse eine von der UNO geforderte Waffenruhe nicht nur für Impfungen, sondern auch für den uneingeschränkten Zugang für humanitäre Hilfe gelten, „unabhängig davon, ob der Konflikt aktiv ist oder nicht”.
Johnson dokumentierte (worüber wir bereits berichteten), daß die unhygienischen Bedingungen im Gazastreifen, die Zerstörung des Gesundheitssystems und der Infrastruktur für die Abfallbeseitigung „die Voraussetzungen für eine Katastrophe im Bereich der öffentlichen Gesundheit“ geschaffen haben. Er zitierte den Leiter des Gesundheitsprogramms von CARE Westbank und Gaza, Nahed Abu Iyada: „Ohne einen sofortigen Waffenstillstand und den Zugang zu Impfstoffen und humanitärer Hilfe im gesamten Gazastreifen stehen die Menschen in Gaza vor einer Gesundheitskatastrophe, die sich ausbreiten und Kinder in der gesamten Region und darüber hinaus gefährden wird.“
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