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Neue Solidarität
Nr. 34, 22. August 2024

Abgeordnetenwatch.de: Zensur
im Interesse der Davoser Milliardäre?

Die Internetseite Abgeordnetenwatch.de wirbt damit, mit ihrem Frageportal „einen öffentlichen Dialog und Transparenz zu schaffen für eine Verbindlichkeit in den Aussagen der Politiker:innen, da ihre Positionen auch Jahre später noch nachlesbar sind“. So wurde den Kandidaten ein Katalog mit 80 Thesen zugesandt (von denen aber nachträglich nur 15 zur Veröffentlichung ausgewählt wurden), zu denen sie Stellung nehmen sollten, damit die Wähler sich einen Eindruck von den Positionen der Parteien verschaffen können.

Offenbar entspricht diese Eigenwerbung der Seite aber nicht der Realität, wie Landtagskandidaten der Bürgerrechtsbewegung Solidarität (BüSo) in Sachsen feststellen mußten. Positionen, die den Moderatoren von Abgeordnetenwatch nicht paßten, wurden unter Hinweis auf den sogenannten „Moderationskodex“ zensiert, und so den Lesern von Abgeordnetenwatch die Möglichkeit genommen, sich ein korrektes Bild von den tatsächliches Positionen der Kandidaten zu  Fragen zu machen, die sie möglicherweise als wichtig betrachten.

So beantwortete Michael Gründler, der Landesvorsitzende und Spitzenkandidat der BüSo bei der sächsischen Landtagswahl am 1. September, die These „Sachsen soll vor 2038 aus der Kohleenergie aussteigen“ mit „Lehne ab“, und begründete dies folgendermaßen: „Die günstigste, sauberste und insgesamt beste Energiequelle ist die Kernenergie. Die sollten wir in Sachsen auf- und ausbauen. Das kann auch schnell gehen, wenn der politische Wille dazu da ist. In der Zwischenzeit sollte die Kohle ein wesentlicher Erzeuger für Elektrizität bleiben.“

Abgeordnetenwatch verweigerte die Veröffentlichung dieser Aussage mit der Begründung: „Derzeit verstößt eine Ihrer Thesenbegründungen gegen unseren Moderations-Codex, weil sie unbelegte Tatsachenbehauptungen enthält. Sie schreiben ,Die günstigste, sauberste und insgesamt beste Energiequelle ist die Kernenergie. Die sollten wir in Sachsen auf- und ausbauen. Das kann auch schnell gehen, wenn der politische Wille dazu da ist. In der Zwischenzeit sollte die Kohle ein wesentlicher Erzeuger für Elektrizität bleiben.‘ Bitte belegen Sie mit seriösen Quellen, daß Kernenergie die günstigste Form der Stromgewinnung ist oder machen Sie deutlich, daß dies Ihre eigene Meinung ist.“

Anstelle der von Michael Gründler eingereichten Antwort veröffentlichte Abgeordnetenwatch dann den Satz: „Diese Begründung wird von uns nicht veröffentlicht, da sie gegen unseren Moderations-Kodex verstößt. Michael Gründler wurde darüber informiert und gebeten, den Text entsprechend zu überarbeiten.“

Zur gleichen Aussage – „Sachsen soll vor 2038 aus der Kohleenergie aussteigen“ – antwortete Gründlers grüne Gegenkandidatin Ulrike Caspary: „Kohle wird absehbar immer weniger wettbewerbsfähig. Deshalb werden nicht nur aus Klimaschutzgründen, sondern auch auf Grund der Wirtschaftlichkeit, erneuerbare Energien die Kohle ersetzen.“ Diese Aussage wurde von Abgeordnetenwatch offenbar nicht bemängelt, obwohl hier offensichtlich ebenfalls „unbelegte Tatsachenbehauptungen“ aufgestellt werden – nämlich, daß die erneuerbaren Energien wirtschaftlicher seien als die Kohle. Da wurde also offenbar mit zweierlei Maßstab bemessen.

Frau Caspary sei es unbenommen, eine derartige Position zu vertreten und zu veröffentlichen. Schließlich wollen die Nutzer von Abgeordnetenwatch ja diese Positionen kennenlernen, um sie mit der eigenen Meinung zu den jeweiligen Themen vergleichen zu können – und gegebenenfalls zu dem Schluß zu kommen, daß der betreffende Kandidat da Unsinn redet.

Überhaupt darf man davon ausgehen, daß es vielen Politikern geradezu die Sprache verschlagen würde, wenn man von ihnen verlangte, daß sie zu jeder von ihnen ausgesprochenen Behauptung Belege anführen – noch dazu aus „seriösen Quellen“, von denen nicht näher definiert ist, was denn eigentlich seriöse Quellen sind. Ganz abgesehen davon erwarten die Wähler von den Kandidaten sowieso keine Doktorarbeiten mit ausführlichen Quellenhinweisen (wofür der vorgegebene Platz auch gar nicht ausreichen würde).

Insofern dient eine derartige Forderung im „Kleingedruckten“ des Moderationskodex offensichtlich als Gummiparagraph, mit dem unerwünschte Positionen ausgesiebt werden können. Aber wenn die Aussagen der Kandidaten in dieser Weise zensiert werden, nimmt dies den Wählern – im Gegensatz zu dem Anspruch, den Abgeordnetenwatch öffentlich erhebt – die Möglichkeit, die Kandidaten richtig einzuschätzen.

Interessant ist: Der Mitbegründer und Geschäftsführer von Abgeordnetenwatch ist Wikipedia zufolge Gregor Hackmack. Er studierte Internationale Beziehungen und Politische Soziologie an der London School of Economics und wurde 2010 in das Netzwerk der Young Global Leaders der Schwab-Stiftung aufgenommen – der Stiftung von Klaus Schwab, dem Initiator des Davoser Weltwirtschaftsforums, wo sich alljährlich Milliardäre und führende Politiker versammeln, um die politischen Linien vorzugeben und jene „Young Global Leaders“ auszuwählen, die ihren jeweiligen Interessen am besten dienen.

Alexander Hartmann