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Der Ablauf einer Stabsübung amerikanischer Experten zeigt, daß ein Krieg zwischen Israel und Iran sehr schnell „nuklear“ werden könnte.
(E.I.R Nachrichten) 4. August 2024 – Im November und Dezember 2023 führte das Nonproliferation Policy Education Center (NPEC) in Arlington bei Washington eine Stabsübung („Kriegsspiel“) durch, deren Ergebnis die bisherigen Annahmen über Israels Atomwaffen und deren möglichen Einsatz in Frage stellt. NPEC-Geschäftsführer Henry Sokolski schreibt in einem Bericht, der am 27. Februar im Bulletin of the Atomic Scientists erschien: „Jahrzehntelang gingen die meisten Sicherheitsanalysten davon aus, daß Israels nicht deklarierte Atomwaffen nur zur Abschreckung eingesetzt werden und daß der Iran es nicht wagen würde, Israel direkt anzugreifen.“1 Darauf könne man sich nicht mehr verlassen. Sein Bericht trägt die Überschrift „Kriegsspiel simuliert Konflikt zwischen Israel und Iran: Es wurde schnell nuklear“.
Sokolski fährt fort: „Dieser Nachbericht beschreibt ein Kriegsspiel, das ursprünglich vor fast zwei Jahren entwickelt wurde. Es stellt diese Annahmen direkt in Frage und legt nahe, daß Militärschläge zwischen Israel und dem Iran – auch nukleare – möglich sind.“ Zu den 35 Teilnehmern des Kriegsspiels gehörten republikanische und demokratische Kongreßmitarbeiter, Beamte und Analysten der US-Regierung, führende Akademiker, Experten für nationale Sicherheit und den Nahen Osten sowie Angehörige des US-Militärs.
Das Szenario des Kriegsspiels ging davon aus, daß Israel beschließt, das iranische Atomprogramm anzugreifen, nachdem es Anzeichen dafür entdeckt hat, daß der Iran begonnen hat, Atomsprengköpfe an Raketen zu montieren. Israel beschließt, den Iran zunächst mit konventionell bewaffneten Hyperschallwaffen anzugreifen, die von den USA zur Verfügung gestellt werden, die aber nicht die gewünschte Wirkung haben. Nach mehreren verheerenden Angriffen beider Seiten, auch von der Hisbollah, und halbherziger Unterstützung der USA kommt Israel zu dem Schluß, daß es keine andere Wahl hat, als einen geballten Angriff mit 50 Atomsprengköpfen gegen 25 iranische Militärziele (einschließlich russisch gesteuerter Luftabwehr) zu starten. „Das Ziel ist es, die iranischen Offensivkräfte zu lähmen und vielleicht so viel Chaos zu verursachen, daß das iranische Revolutionsregime zusammenbricht“, berichtet Sokolski. „Fast unmittelbar nach dem israelischen Angriff startet der Iran jedoch einen eigenen Nuklearangriff gegen einen israelischen Luftwaffenstützpunkt, auf dem sich auch amerikanisches Militär befindet.“ An diesem Punkt endete die Simulation, und viele Fragen blieben unbeantwortet.
„Die strategischen Unwägbarkeiten, die nach einem israelisch-iranischen Nuklearkampf entstehen, werden wahrscheinlich mindestens genauso groß sein wie die, die vor einem solchen Zusammenstoß auftreten könnten“, so Sokolski weiter. „Eine unausgesprochene Hoffnung unter Sicherheitsexperten ist, daß die nukleare Abschreckung zwischen Israel und dem Iran funktionieren kann. Solcher Optimismus hält jedoch davon ab, klar darüber nachzudenken, was passieren könnte, wenn die Abschreckung versagt und beide Länder Atomwaffen einsetzen.“ Während der Übung und der anschließenden Diskussionen „betonten die Teilnehmer, wie schwierig es war, angemessene politische Reaktionen auf den Einsatz von Atomwaffen durch Israel oder den Iran zu entwickeln, da keine der beiden Möglichkeiten vor dem Einsatz angemessen berücksichtigt worden war“.
Eine Woche zuvor hatten Sokolski und zwei Co-Autoren einen Gastkommentar in der Washington Post veröffentlicht, in dem sie ein Ende der Geheimniskrämerei in Washington um das israelische Atomprogramm forderten.2 „Eine der besten Möglichkeiten, diese Fragen zu klären, besteht darin, daß amerikanische und israelische Experten und Beamte einen Blick in die Zukunft werfen, indem sie verschiedene Nuklearkriegsszenarien durchspielen“, so Sokolski und die Mitautoren in dem Kommentar.
Seinen Bericht über das Kriegsspiel schließt er: „In Anbetracht der strategischen Risiken und Ungewißheiten, die ein möglicher nuklearer Schlagabtausch zwischen Israel und dem Iran in dieser Simulation offenbart hat, scheint die Formulierung einer angemessenen militärischen, politischen und wirtschaftlichen Politik zur Abschreckung vor einem Nuklearwaffeneinsatz von entscheidender Bedeutung zu sein. Das erfordert Kriegsspiele und eine sorgfältige Planung – beides Bemühungen, die wegen der veralteten Politik der Vereinigten Staaten gegenüber Israel in Bezug auf die nukleare Einstufung nahezu ausgeschlossen sind.“
Monate nach der Simulation und dem Bericht ist die Frage des israelischen Atomwaffenarsenals heute vielleicht sogar noch aktueller, vor allem, wenn Ministerpräsident Netanjahu versucht, die USA in einen Krieg mit dem Iran hineinzuziehen.
Anmerkungen
1. Wargame simulated a conflict between Israel and Iran: It quickly went nuclear, Bulletin of the Atomic Scientists, 27.02.2024
2. Why the U.S. should start telling the whole truth about Israeli nukes, Washington Post, 20.02.2024