Produktive Kreditschöpfung 
  Neues Bretton Woods
  Glass-Steagall
  Physische Wirtschaft
  Kernenergie
  Eurasische Landbrücke
  Transrapid
  Inflation
  Terror - Cui bono?
  Südwestasienkrise
  11. September und danach
  Letzte Woche
  Aktuelle Ausgabe
  Ausgabe Nr. ...
  Heureka!
  Das Beste von Eulenspiegel
  Erziehungs-Reihe
  PC-Spiele & Gewalt 
  Diskussionsforum
  Wirtschaftsgrafiken
  Animierte Grafiken
» » » Internetforum mit Helga Zepp-LaRouche « « «
Folgen Sie uns auf
acebook
Neue Solidarität
Nr. 30, 25. Juli 2024

Zusammenarbeit für das kulturelle Erbe der Welt:
Ein wichtiger Schlüssel für den Weltfrieden

Von Karel Vereycken

Karel Vereycken ist Maler und Graveur, Kunsthistoriker und Aktivist des Schiller-Instituts in Frankreich. Im vierten Abschnitt der Internetkonferenz des Schiller-Instituts am 16. Juni 2024 sagte er folgendes. (Übersetzung aus dem Englischen.)

Bevor wir über das Weltkulturerbe sprechen, ein paar Worte zu den Begriffen „Sympathie“, „Empathie“ und „Mitgefühl“ - drei Begriffe, die mit dem Wort pathos, dem griechischen Wort für „Leiden“ oder „Zuneigung“, zusammenhängen.

Heute wird „Empathie“ oft austauschbar mit „Sympathie“ und „Barmherzigkeit“ verwendet, aber sie sind nicht wirklich dasselbe. Alle drei beziehen sich auf eine fürsorgliche Reaktion auf die Notlage eines anderen Menschen (pathos).

Aber Empathie, das Einfühlungsvermögen, ist besonders wichtig für unser Thema an dieser Stelle, für das „Frieden stiften“, weil sie eine Brücke zwischen Menschen bauen kann, die sich gegenseitig als „Feinde“ betrachten. Wir können Empathie für Personen zeigen, die uns überhaupt nicht sympathisch sind. Wir teilen ihre Gefühle nicht, aber anstelle bloßer Zuneigung engagieren wir uns in dem, was man „kognitive Empathie“ nennt: Wir wissen genug über den Hintergrund und die Kultur des anderen, um seine Beweggründe zu verstehen. Als Nebenprodukt kann uns Empathie helfen, zu vergeben und zu verzeihen, so wie es der Westfälische Friede verlangt.

Wenn wir heute den Frieden Wirklichkeit werden lassen wollen, dann müssen wir uns mobilisieren, um das Niveau der Empathie zu erhöhen.

Heutzutage wird die Empathie systematisch unterdrückt:

Nach den blutigen Kriegen zwischen Frankreich und Deutschland gab es in Europa eine Kampagne zur Stärkung der Empathie, als in Frankreich das Goethe-Institut und in Deutschland die Alliance Française gegründet wurden. Es gab auch die Bewegung für die Partnerstädte, die es Menschen aus einem Ort ermöglichte, einen Partnerort im anderen Land zu besuchen. Man unterhielt sich, lachte über Vorurteile und feierte gemeinsam, man führte einen persönlichen Dialog und lernte, in den Gesichtern die Gefühle zu lesen, die „hinter“ den Worten standen.

Das Wissen, das man sich über die Kultur, Sprache und Geschichte des anderen aneignen kann, ist natürlich ein grundlegendes Hilfsmittel, um diese kognitive Empathie zu entwickeln, die es uns ermöglicht, Menschen als „Produkte“ einer Geschichte, Kultur und Zivilisation zu sehen, und nicht nur als atomisierte kleine Einheiten.

Nachdem ich zum Beispiel die Philosophie der Mu'tazila des Bagdader Abassidenkalifats entdeckt hatte, änderte sich meine gesamte Sicht auf den Islam. Ich weiß genau, was mit ihrer Zivilisation geschehen ist, ich kenne ihre Enttäuschungen und Hoffnungen.

China engagiert sich jetzt sehr für den Schutz des vorislamischen Kulturerbes in Afghanistan und anderen Ländern Zentralasiens. Das ist in seinem eigenen Interesse. Ein führender chinesischer Archäologe, den ich traf, sagte völlig richtig, die Schönheit und intellektuelle Herausforderung dieser Kunst „ist der beste Weg, den Terrorismus zu bekämpfen.“ Nicht Waffen und Drohnen, sondern Kultur!

In Afghanistan trafen sich damals die Akteure der Seidenstraße, als sich die griechische Kultur nach Osten und die chinesische Kultur nach Westen ausbreiteten.

Die Buddhisten waren in diesem Gebiet sowohl auf der Seidenstraße zur See als auch auf der zu Lande sehr aktiv, das reichte bis nach Pakistan, Indien, Sri Lanka, Xinjiang und China. Sie beschäftigten sich intensiv mit Metallurgie, Architektur, Malerei, Bildhauerei, Poesie und Literatur. Der früheste bekannte gedruckte Text ist ein buddhistischer Text aus dem Jahr 868 nach Christus.

© Barakat Gallery
Abb. 1: Bodhisattva des unendlichen Mitgefühls, um 1250, Song-Dynastie.
© Dallas Museum of Art, Wendover Fund
Abb. 2: Denkender Bodhisattva, Hadda, Gandhara, Afghanistan.

Hinzu kommt die Geburt einer sehr agapischen Form des Mahayana-Buddhismus in der Region Gandhara (heute hauptsächlich in Pakistan). Seine Anhänger verfolgten nicht das rein persönliche Ziel des Nirwana (Erleuchtung), sondern freuten sich darüber, die gesamte Menschheit vom Leiden zu befreien!

Einfühlungsvermögen, Mitgefühl und Barmherzigkeit waren die höchsten Qualitäten, die in der Gandhara-Kunst verherrlicht wurden, vor allem in Form der sogenannten Bodhisattvas, das sind gewöhnliche Menschen, die eigentlich erleuchtet werden sollten, sich aber stattdessen dafür entschieden haben, in dieser Welt zu bleiben, um das Leiden aller Wesen zu lindern und um anderen zu helfen, Erleuchtung zu erlangen.1

Die Abbildungen 1 und 2 sind Beispiele dafür.

Einer, der verstanden hatte, daß diese revolutionäre Form des Buddhismus die Region befrieden konnte, war der indische Ministerpräsident Nehru, er nannte seine Tochter - die spätere Premierministerin Indira Gandhi - „Indira Priyadashini“, weil Priyadarshi der Name war, den Kaiser Ashoka der Große (304-232 v. Chr.) annahm, nachdem er konvertiert und ein buddhistischer Friedensfürst geworden war.

Im Jahr 1956, kurz vor der Gründung der Bewegung der Blockfreien und nach der Konferenz von Bandung, veranstaltete Nehru ein einjähriges Fest zu Ehren von „2500 Jahren Buddhismus“ - nicht um einen alten Glauben wieder aufleben zu lassen, sondern um für Indien den Status als Geburtsort des Buddhismus zu beanspruchen: ein alter Glaube, der für Gewaltlosigkeit und Pazifismus steht und dazu aufruft, das schändliche „Kastensystem“ zu beenden, das die Briten verschlimmert hatten und weltweit aufrechterhalten wollten.

Mes Aynak

Heute arbeiten wir vom Schiller-Institut zusammen mit dem Ibn Sina Research & Development Center in Kabul an der Rettung der archäologischen Stätte von Mes Aynak. Wir wollen erreichen, daß die UNESCO sie zum Weltkulturerbe erklärt.

Mes Aynak ist das zweitgrößte Kupfervorkommen der Welt, und Afghanistan braucht den Bergbau, um Einnahmen für den dringend nötigen Wiederaufbau des Landes zu erzielen. Aber über der Mine stehen die Ruinen eines riesigen buddhistischen Klosterkomplexes, der zwischen dem 1. und 8. Jahrhundert ein wichtiger Handelsposten an der Seidenstraße war.

Nach unserer Kampagne und vielen Gesprächen zwischen der afghanischen Regierung, China und dem chinesischen Bergbau­unternehmen haben sich alle Beteiligten darauf geeinigt, daß das gesamte kulturelle Erbe an der Oberfläche geschützt wird und der Abbau nur mit unterirdischen Techniken geschieht.

Wir haben einen Kampf gewonnen, jetzt müssen wir den Frieden gewinnen.


Anmerkung

1. https://artkarel.com/the-miracle-of-gandhara-when-buddha-turned-himself-into-man/