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Neue Solidarität
Nr. 29, 18. Juli 2024

Den historischen Kontext des Konflikts
zwischen Israel und Palästina verstehen

Aktuelle Realitäten, Herausforderungen und der Fahrplan
zu nachhaltigem Frieden und dauerhafter Gerechtigkeit

Von Prof. Dr. Manuel Hassassian

Prof. Manuel Hassassian ist Botschafter der Palästinensischen Autonomiebehörde in Dänemark. Er war Vizepräsident der Universität Bethlehem im Westjordanland. Für die Internetkonferenz des Schiller-Instituts am 15.-16. Juni übermittelte er den folgenden Beitrag.

Ich möchte meine Rede damit beginnen, dem Schiller-Institut für die Gelegenheit zu danken, vor Ihrer geschätzten Konferenz sprechen zu dürfen. Es tut mir leid, daß ich nicht bei Ihnen sein kann, weil ich auf Reisen bin.

Ich möchte meine Rede mit einem kurzen Überblick über den Oasenplan beginnen, später werde ich über den palästinensisch-israelischen Konflikt sprechen und darüber, wie dieser in den Kontext eines Plans eingebettet werden kann, der wirklich Frieden, Sicherheit und Gerechtigkeit durch wirtschaftliche Entwicklung und durch die Beziehungen zwischen Nord und Süd usw. bringen wird. Lassen Sie mich zunächst kurz den Oasenplan beleuchten, der vom Schiller-Institut unter dem Titel LaRouche-Lösung für Frieden durch Entwicklung zwischen Israel und Palästina und für ganz Südwestasien beworben wird. Frieden durch wirtschaftliche Entwicklung ist die einzige erfolgreiche Grundlage für einen dauerhaften gerechten Frieden in der Nahostregion.

Es gibt keine rein militärische Grundlage für Frieden oder Sicherheit, und eine militärische Lösung war noch nie eine Lösung. Es gibt also keine rein militärische Grundlage für Frieden oder Sicherheit. Nur Entwicklung ist wichtig.

Das größte Hindernis für die Entwicklung in unserer Region, also im Nahen Osten und in Südwestasien, ist jedoch, wie jeder weiß, der Mangel an Süßwasser. Denn wenn wir dieses Problem nicht lösen, wird der nächste Krieg im Nahen Osten um die Wasserressourcen geführt werden. Deshalb brauchen wir den Bau eines Netzes von Entsalzungsanlagen, die idealerweise nuklear betrieben werden und das Meerwasser in Süßwasser umwandeln können.

Diese Anlagen könnten das Rote Meer mit dem Toten Meer und das Tote Meer mit dem Mittelmeer verbinden, wie es in dem Plan vorgesehen ist. Und das wird nur möglich sein, wenn wir die Machtpolitik und die Geopolitik ablehnen und einen neuen Paradigmenwechsel in den internationalen Beziehungen herbeiführen, der auf einem neuen Konzept der wirtschaftlichen Entwicklung beruht, d.h. Sicherheit und Entwicklung werden sich als großes Konzept durchsetzen.

Wie Helga Zepp-LaRouche einmal sagte: „Man muß Hoffnung haben und der Jugend eine anständige Zukunft geben, damit sie ein normales Leben führen und nützliche Dinge tun kann.“ Dieser Plan sollte auf den palästinensisch-israelischen Konflikt anwendbar sein, damit er endlich und dauerhaft gelöst wird, damit Frieden und Sicherheit herrschen.

Die Zerstörung im Gazastreifen

Und nun lassen Sie mich die aktuelle Situation in Palästina beleuchten. Ich denke, es ist wichtig, die Tragweite dieses großen Konflikts zu kennen, der die ganze Welt in Mitleidenschaft gezogen hat. Und wie Sie sehen können, hat er die ganze Welt erfaßt. Die öffentliche Meinung wird sich mehr und mehr bewußt, was die Palästinenser im Gazastreifen, im Westjordanland und in Ostjerusalem durchmachen müssen. Israels anhaltende apokalyptische Militärkampagne gegen den Gazastreifen, das Westjordanland und Ostjerusalem ist die Krönung von 76 Jahren Verfolgung, Vertreibung und Völkermord. Sie hat zu einer Massenvernichtung geführt. Sie hat zur Vertreibung von mehr als 90% der Bevölkerung des Gazastreifens geführt und zum Tod und zur Verstümmelung von Zehntausenden unschuldiger Zivilisten, von denen die meisten, wie Sie wissen, Frauen und Kinder sind.

In den letzten 250 Tagen hat Israel eine anhaltende Kampagne von Luftangriffen auf Zivilisten in Gaza durchgeführt. Bei der jüngsten Eskalation wurden im Flüchtlingslager Al-Nuseirat im Zentrum des Gazastreifens etwa 210 Palästinenser massakriert und über 400 verwundet. Die Zahl der Todesopfer beläuft sich auf mehr als 37.000, wobei die Hälfte der Opfer Kinder sind. Tragischerweise werden über 10.000 Märtyrer unter den Trümmern der zerstörten Gebäude vermutet.

Die katastrophale Lage wird noch verschlimmert durch den Verlust von 147 UN-Mitarbeitern und die Zerstörung von 32 Krankenhäusern, so daß nur wenige betriebsbereite Einrichtungen mit begrenzten Ressourcen übriggeblieben sind.

Darüber hinaus wurden alle Bildungseinrichtungen, einschließlich Schulen und Universitäten, dezimiert und zahlreiche religiöse Stätten, wie Kirchen und Moscheen, vollständig zerstört.

Die Kontrolle über den Grenzübergang Rafah schränkt den Zugang zu lebenswichtigen Gütern, einschließlich Treibstoff, weiter ein und verhindert das Funktionieren lebenswichtiger Dienste. Infolgedessen liegen etwa 70% der Infrastruktur des Gazastreifens in Trümmern, was die humanitäre Krise in der Region verschärft.

Welche Bezeichnung beschreibt diesen Konflikt am besten? Handelt es sich um einen Verteidigungskrieg, bei dem Israel sich selbst schützt, oder ist es ein Feldzug zur Unterdrückung eines Volkes, das nach Unabhängigkeit und Freiheit strebt? Manchmal finde ich es ironisch, wenn ich mit europäischen oder amerikanischen Regierungsbeamten diskutiere, wie ich es unzählige Male in meiner diplomatischen Laufbahn getan habe, und sie ständig für eine Zweistaatenlösung plädieren, während Palästina selbst immer mehr zerstört wird. Trotz dieser Realität wird die Rhetorik beibehalten. Wenn sie wirklich für eine Zweistaatenlösung sind, warum legen sie dann in den Vereinten Nationen ein Veto ein, erst recht, wenn fast 140 Länder Palästina anerkannt haben? Zudem folgt Europa in dieser Angelegenheit oft dem Beispiel der Vereinigten Staaten, was Fragen über die Ausgewogenheit ihres Ansatzes für die Zweistaatenlösung aufwirft.

USA kein ehrlicher Makler

Die Palästinenser setzen sich heute für das grundlegende menschliche Prinzip der Selbstbestimmung ein. Es stellt sich die Frage, warum die Weltgemeinschaft das Selbstbestimmungsrecht, wie es in Woodrow Wilsons 16. Artikel formuliert ist, allgemein unterstützt, dieses Prinzip aber im Zusammenhang mit Palästina oft mißachtet wird. Das regt zum Nachdenken darüber an, ob die Palästinenser in ihrem Streben nach Anerkennung als unabhängiger Nationalstaat innerhalb der internationalen Gemeinschaft weniger Beachtung verdienen?

Bei dem Konflikt geht es nicht einfach um konkurrierende Ansprüche auf das gleiche Land; er wird als Übergriff Israels wahrgenommen. Das zionistische Bestreben wurde von der internationalen Gemeinschaft unterstützt, die die Hauptverantwortung dafür trägt, die Folgen dieser Handlungen rückgängig zu machen.

Der Diskurs über die Praktiken im Zusammenhang mit dieser umstrittenen Besetzung könnte Stunden dauern, doch der Kern der Sache ist klar: Wie können wir diesen Konflikt beenden? Und wer sind die Hauptakteure, die sich um eine Lösung bemühen?

Es ist frustrierend, daß die Vereinigten Staaten, obwohl sie sich in den letzten drei Jahrzehnten als Vorreiter des Friedensprozesses positioniert haben, ins Stocken geraten sind und sich mehr auf Krisenmanagement als auf Konfliktlösung verlegt haben. Gegenwärtig ist es offensichtlich, daß die USA in ihrer Rolle als ehrlicher Makler für den Frieden kläglich versagt haben, da sie unverhältnismäßig und ungleichmäßig Israel, die dominante Partei, gegenüber Palästina, der marginalisierten Gegenseite, unterstützen.

Bedauerlicherweise war unser Vertrauen in die Amerikaner fehl am Platze. Es tut mir Leid für die amerikanischen Bürger, die von einer so ineffektiven Führung in den Vereinigten Staaten regiert werden, die eine kurzsichtige Vision für die Förderung von Sicherheit und Frieden auf der Welt hat. Ein Präsident, der sich für humanitäre Hilfe einsetzt, schickt paradoxerweise Tausende von Bomben, die den Tod unschuldiger Kinder und Palästinenser in Gaza verursachen. Wie können wir solch senile Äußerungen eines Präsidenten tolerieren, der den Bezug zur Realität verloren zu haben scheint? Und leider ist die Alternative auch nicht vielversprechender.

In der heutigen globalen Landschaft wird die Vorstellung, Personen oder Länder als bloße Schachfiguren in internationalen Konflikten einzusetzen, zunehmend als unhaltbar angesehen. Solche Konflikte haben das Potential, zu regionalen oder sogar globalen Kriegen zu eskalieren, aber die Ursachen liegen oft in grundlegenden Problemen wie extremem Hunger, bitterer Armut, mangelnder wirtschaftlicher Entwicklung und nationalen Interessen.

Anerkennung Palästinas

Daher stellt sich die Frage: Welche Auswirkungen hätte die Anerkennung Palästinas als Staat für die internationale Gemeinschaft? Palästina hat bereits in der Vergangenheit seine Kompromißbereitschaft unter Beweis gestellt, indem es 1988 nur 22% des historischen Palästina als Staatsgebiet anerkannte. Dieses Gebiet umfaßt das Westjordanland, den Gazastreifen und Ostjerusalem, während die restlichen 78% dem zionistischen Projekt zugestanden wurden.

Trotz dieses schwerwiegenden Kompromisses streben bestimmte Gruppierungen innerhalb Israels nach einer weiteren territorialen Ausdehnung, insbesondere im Westjordanland. Es ist jedoch wichtig, darauf hinzuweisen, daß Israels Interesse am Gazastreifen in erster Linie auf Sicherheitserwägungen und dem Zugang zu Öl beruht und nicht auf territorialen Ambitionen.

In den letzten zwei Jahrzehnten gab es eine bemerkenswerte Abwesenheit einer effektiven und charismatischen globalen Führung, was zu einem Gefühl der Stagnation oder des Niedergangs inmitten von anhaltenden Konflikten, Hunger und Ungerechtigkeit beigetragen hat. Dies wirft Fragen über die Qualität der demokratischen Repräsentation und den Einfluß der politischen Parteien auf die Auswahl der Führungskräfte auf. Trotz des Reichtums an intellektuellen und institutionellen Ressourcen in den Vereinigten Staaten, wie es renommierte Think Tanks und akademische Einrichtungen wie Harvard, Yale, Columbia usw. veranschaulichen, wird die Präsidentschaftskandidatur von Persönlichkeiten wie Biden und Trump von einigen als ohnmächtig und ineffektiv angesehen. Dies unterstreicht die Besorgnis über die Dominanz der politischen Eliten über den Wahlprozeß, statt einer echten Führung an der Basis.

Die Effektivität der Vereinigten Staaten als vermittelnder Dritter zur Überbrückung der Kluft und Ungleichheit zwischen zwei nicht gleichberechtigten Seiten wird in Frage gestellt. Bei den Verhandlungen zwischen Israel und Palästina ist das Ungleichgewicht in der Machtdynamik offensichtlich. Die Vereinigten Staaten, die eine dominante Position innehaben, haben häufig Resolutionen zugunsten Israels verfaßt und den Palästinensern kaum eine andere Wahl gelassen, als sich ihnen zu fügen.

Dieser Mangel an Parität untergräbt das Wesen echter Verhandlungen, die im Idealfall symmetrische Verhandlungen zwischen zwei konkurrierenden Mächten sind, die sich um eine Lösung ihrer Differenzen bemühen. In diesem Fall wurden die Verhandlungen jedoch eher von machtpolitischen Erwägungen diktiert als von einem aufrichtigen Dialog. Die Palästinenser, als die unterlegene Partei, trugen stets die Hauptlast dieses Ungleichgewichts.

Die Lage in Israel

Der aktuelle Stand der Demonstrationen in Israel mag irreführend erscheinen, aber es ist wichtig, die allgemeine öffentliche Stimmung zu verstehen. Seit der ersten Intifada von 1987 hat sich die öffentliche Meinung in Israel deutlich gewandelt, wobei die Unterstützung für eine rechtsgerichtete Führung überwiegt. Der Einfluß der linken, progressiven Elemente hat abgenommen, was zu ihrer Marginalisierung in der politischen Landschaft geführt hat. Das Auftauchen von Persönlichkeiten wie Ben-Gvir, Smotrich und Netanjahu in Machtpositionen spiegelt diesen rechtsgerichteten Trend wider. Folglich wurde das Potential für eine liberalere Regierung, die sich für den Frieden einsetzt, durch die vorherrschende rechte Gesinnung in der israelischen Gesellschaft behindert.

Es besteht die Gefahr, daß größere Konflikte mit Ägypten, dem Libanon und dem Iran angezettelt werden. Das Versagen der USA dabei, einen Waffenstillstand herbeizuführen, hat ihre Glaubwürdigkeit beeinträchtigt.

Die derzeitige Situation in Israel ist sehr unbeständig, und die eskalierenden Spannungen deuten auf einen gefährlichen Kurs hin. Es gibt Beobachter, die glauben, daß die Zerstörung Israels im Gange ist, was durch die jüngsten Ereignisse wie die Studentenproteste in Amerika unterstrichen wird. Diese Proteste enthüllen eine breitere Kritik am Umgang der Regierung Biden mit internationalen Konflikten, einschließlich der Gaza-Krise und des Ukraine-Krieges. Experten sehen darin ein Anzeichen für ein größeres Versagen bei der Durchsetzung der amerikanischen Dominanz auf der Weltbühne.

Heutzutage liegen die Ursachen für Konflikte oft in nationalen und wirtschaftlichen Interessen und nicht in reiner Ideologie. Das eifrige Engagement religiös motivierter Menschen gibt jedoch weiterhin Anlaß zur Sorge. Es ist wichtig, eine mögliche Eskalation in einen religiösen Konflikt zu verhindern, insbesondere zwischen Muslimen und Juden.

Wir konzentrieren uns darauf, einen nationalen Kampf zu führen, der von der säkularen Ideologie der Errichtung einer demokratischen Einheit in Palästina geleitet wird, die mit den Überzeugungen unserer Führung übereinstimmt. Diese Vision erfordert jedoch kollektive Anstrengungen, einschließlich Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in Palästina, sowie eine umfassende Reform unserer politischen Infrastruktur.

Ich sage das als Selbstkritik, weil ich als Akademiker ehrlich sein muß, um die wichtigsten Schritte zu skizzieren, die notwendig sind, um realistisch einen nachhaltigen und dauerhaften Frieden zu erreichen.

Schließlich könnte die Übernahme des LaRouche-Konzepts der wirtschaftlichen Entwicklung, wie es vom Schiller-Institut vertreten wird, eine entscheidende Rolle bei der Schaffung globaler Sicherheit spielen, und zwar durch regionale Sicherheit und durch die Lösung langjähriger Konflikte wie dem palästinensisch-israelischen Konflikt. Indem sie wirtschaftlichen Beziehungen Vorrang vor militärischen Lösungen einräumen, können Nationen vom Norden bis zum Süden einen Ansatz verfolgen, bei dem alle gewinnen und der die globale Stabilität und den Wohlstand fördert.

Ich wünsche der Konferenz viel Glück bei ihren Bemühungen und hoffe, daß meine Botschaft laut und deutlich ankommt. Lassen Sie uns gemeinsam für Frieden und Stabilität arbeiten, durch wirtschaftliche Stabilität und durch das, was wir das LaRouche-Konzept nennen – das ist der Oasenplan. Ich danke Ihnen sehr, meine Damen und Herren.