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In der Diskussionsrunde des ersten Konferenzabschnitts kam es zu dem folgenden Austausch zwischen Witali Romanowskij, dem Chefberater des Belarussischen Instituts für Strategische Forschung (BISR), und Helga Zepp-LaRouche.
Witali Romanowskij: Danke, daß Sie mir die Gelegenheit bieten, einen kurzen Kommentar abzugeben und den verehrten Rednern eine Frage zu stellen. Mein Kommentar und meine Fragen beziehen sich sowohl auf die weißrussische Position als auch auf die Geschichte der weißrussischen Positionierung in der europäischen Sicherheitsarchitektur - die Auseinandersetzung, die immer noch geführt wird. Und leider sehen wir, daß sie sich in einer Weise verändert, die wir nicht kontrollieren oder gar steuern können.
Belarus kann auf eine lange Geschichte von Friedensinitiativen in der osteuropäischen Region und insgesamt in der europäischen Sicherheitsarchitektur zurückblicken. Ich könnte zum Beispiel auf die Friedensverhandlungen im Jahr 2015 verweisen, die im Zusammenhang mit der Krisenwelle in der Ukraine stattfanden. Ich könnte daran erinnern, daß nach dem Beginn der militärischen Sonderoperationen die ersten Verhandlungen zwischen der ukrainischen und der russischen Delegation, noch vor Istanbul, auf weißrussischem Gebiet stattfanden. Angesichts dessen, was die verehrten Redner bereits gesagt haben, könnte ich an eine weitere Initiative erinnern, die von der belarussischen Führung seit 2017 formuliert wurde, als der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko zum ersten Mal auf internationaler Ebene die Idee eines neuen Friedensprozesses vorbrachte - einer neuen Friedensformel für Verhandlungen über die europäische Sicherheitsarchitektur. Man nennt dies „Helsinki II“.
Meine Frage an die Gäste und an die Redner lautet: Sehen Sie in Anbetracht dessen, was heute gesagt wurde, derzeit irgendwelche Voraussetzungen für eine Rückkehr zu einem breiteren Verhandlungsprozeß über die europäische Sicherheitsarchitektur? Und wenn ja, wann könnte dieser möglicherweise stattfinden? Ich danke Ihnen vielmals.
Helga Zepp-LaRouche: Nun, ich denke, daß die derzeitigen Regierungen offensichtlich noch nicht bereit sind, sich auf einen solchen Diskussionsprozeß einzulassen. Deshalb habe ich vorgeschlagen, daß wir Wege finden sollten, um verschiedene Szenarien zu organisieren, wie zum Beispiel eine internationale Konferenz von Denkfabriken aus allen fünf Kontinenten, die sich an einer solchen Diskussion beteiligen würden. Ich habe die „Zehn Prinzipien“ vorgeschlagen; das soll nicht heißen, daß das alles ist, was diskutiert werden sollte, es ist nur eine Möglichkeit, die Diskussion anzustoßen und die Bereiche zu benennen, die auf jeden Fall behandelt werden sollten, wenn man eine neue Sicherheits- und Entwicklungsarchitektur haben will.
Das wäre also ein Ansatz, daß man einfach sagt: Laßt uns 10 oder 20 Denkfabriken aus der ganzen Welt zusammenbringen, um eine Diskussion zu führen, vielleicht so etwas wie einen „fiktiven“ Zweiten Westfälischen Frieden, an dem sich dann die Regierungen orientieren könnten. Oder man könnte es auf der Ebene verschiedener Universitäten machen…
Leider muß ich zum jetzigen Zeitpunkt Herrn Rupp zustimmen, was die Art und Weise betrifft, wie Politiker, die nicht auf der Linie bleiben, mundtot gemacht werden. Das ist der Fall. Aber damit einher geht ein völliger Mangel an Dialog!
Wer nicht vollständig mit dem NATO-Narrativ übereinstimmt, wird auf Abschußlisten gesetzt; man wird geächtet. Man wird „Putin-Agent“ genannt. Ich habe es schon oft gesagt: Es ist eine Beleidigung meiner Intelligenz, zu sagen, ich sei ein „Agent“ von irgend jemandem, denn ich bin stolz darauf, ein selbst denkender Mensch zu sein. Und ich habe eine lange politische Karriere und ein langes Leben hinter mir, so daß ich ein gewisses Maß an Urteilsvermögen angesammelt habe - das mag manchmal richtig, manchmal auch falsch sein, aber ich behaupte, daß ich dieses eigene Urteilsvermögen habe.
Wahrscheinlich ist es in den Vereinigten Staaten etwas besser als in Europa, denn die Vereinigten Staaten sind der Hegemon, und dort dürfen die Bürger ein bißchen freier sein als in den „Kolonien“. Und Europa ist weitgehend zur Kolonie geworden: Es gibt keinen freien Dialog mehr; es gibt keine intellektuellen Debatten; es gibt keine Diskussion über die grundlegenden Fragen von Krieg und Frieden, von Kultur und Wissenschaft. Und ich denke, ein solcher Dialog zwischen Universitäten oder Denkfabriken oder in anderen Foren wäre ein Schritt in diese Richtung.