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Neue Solidarität
Nr. 22, 30. Mai 2024

Wir müssen den Strom- und Wasserverbrauch vervielfachen

Von Dr. Kelvin Kemm

Dr. Kelvin Kemm ist Kernphysiker und ehemaliger Vorsitzender der South African Nuclear Energy Corporation. Im zweiten Abschnitt der Konferenz zum Oasenplan am 13. April sagte er folgendes. (Übersetzung aus dem Englischen, die Zwischenüberschriften wurden hinzugefügt.)

Wenn es etwas gibt, das über viele Jahrhunderte hinweg politische Konflikte überdauert hat, dann ist es die Wissenschaft. Wissenschaftler, die in Zeiten von Konflikten weiter miteinander reden, sind sehr wichtig.

Wir müssen uns jetzt etwas ansehen, nämlich die direkte Korrelation zwischen dem BIP eines Landes und seinem Stromverbrauch. Es gibt ein recht bekanntes Diagramm in der Wirtschaftswissenschaft, das belegt, daß es eine ganz direkte Korrelation gibt – eine gerade Linie. Es gibt keine Länder, die nicht auf dieser Linie oder mindestens nahe an ihr liegen. Wenn man das Einkommen eines Menschen verdoppeln will, dann muß man den Stromverbrauch des Landes verdoppeln. Punktum. Niemand verdient Geld ohne Strom, er ist das Lebenselixier eines Landes. Es ist das Lebenselixier, das alles am Laufen hält. Genauso wie Ihr ganzer Körper nicht mehr funktioniert, Leber, Magen und alles andere, wenn Ihr Herz aufhört zu schlagen, genauso geht ein Land zugrunde, wenn dort der Strom ausfällt.

Die Technik an sich verändert die Menschheit. Es kommen nicht nur neue Geräte auf den Markt, Küchenmaschinen, Mikrowellenherde usw., es werden auch immer mehr Menschen durch Dinge wie Facebook, E-Mail, das Internet usw. individuell beeinflußt. So können Menschen, die noch vor ein paar Jahren im Hintergrund standen, jetzt weltweit bekannt werden, indem sie ins Internet gehen, usw.

Aber das geht jetzt noch weiter. Elon Musk hat zum Beispiel Tausende von Starlink-Satelliten gestartet. Starlink-Satelliten werden es den Menschen ermöglichen, direkt im Internet zu kommunizieren, ohne über einen lokalen Dienstanbieter zu gehen, was bedeutet, daß man nicht durch die Politik seines Landes eingeschränkt wird – es sei denn, diese beschließt, die Übertragung zu blockieren, was passieren kann.

Es bekommen also immer mehr Menschen immer mehr individuellen Einfluß. Das hat eine gute Seite, aber leider gibt es, wie so oft, auch eine schlechte Seite. Denn, ob es uns gefällt oder nicht, jede Gesellschaft braucht sozialen Zusammenhalt und soziale Disziplin.

Es gibt jetzt Teenager, die in T-Shirts herumlaufen, auf denen steht „No Rules“ – „keine Regeln“. Das macht sich großartig, wenn man sagt, „ich mache einfach mein eigenes Ding, ich halte mich nicht an die Regeln der Gesellschaft“, als junger Mensch fühlt es sich gut an, diese Meinung zu haben.

Aber leider funktioniert die Gesellschaft nicht so. Helga (Zepp-LaRouche) hat uns vorhin gesagt, daß die Linksgrünen in Deutschland sehr diktatorisch geworden ist. Einige dieser Linken sagen, sie hätten eine Version der Gesellschaft, die wie diese „freie Version“ der Gesellschaft ist, ohne Regeln usw. Sie sind der Meinung, daß das die beste Gesellschaft ist. Aber dann kommen sie an und sagen: „Jetzt werdet ihr tun, was wir sagen. Ihr werdet euer Leben so führen, wie wir es sagen.“ So machen sie daraus ihre Regeln, die sie allen anderen aufzwingen.

Das ist sehr besorgniserregend. Es verletzt die Freiheit der anderen, die nicht mitmachen wollen. Meiner Meinung nach ist das eine Kraft in der Welt, die im Moment sehr besorgniserregend ist. Ich denke, daß einige der Kommentare von Lyndon LaRouche, die wir vorhin gesehen haben, direkt darauf zutreffen.

Diese Leute kommen an und sagen, ihr Plan für das Leben sei es, daß wir „einfach leben“. Der einzelne soll nicht mehr durch Kapitalismus usw. mächtig werden. Jeder soll ein einfaches Leben haben. Aber man kann die Gesellschaft nicht mit Solarzellen auf jedem Dach betreiben. Man kann einen elektrischen Zug nicht über Hunderte von Kilometern mit Solarzellen betreiben. Es ist ja schön und gut, wenn man ein Solarpanel hat, das einem hilft, seine Stromrechnung zu senken. Aber mit Solarzellen und Windkraft kann man keine Länder versorgen. Man kann die Menschen nicht zu diesem sogenannten einfachen Leben zwingen.

Was also passiert, ist, daß dieses linke Element diese Gesellschaft ohne Regeln haben will, aber unter der Annahme, daß alles weiter funktioniert: Die Straßen sollen funktionieren, die Eisenbahnen, die Telefonverbindungen, das Fernsehen würde weiter funktionieren. Dies und das, alles soll funktionieren, aber es soll keine Regeln geben.

Nachfrage nach Elektrizität und Wasser wird weiter wachsen

So funktioniert es aber leider nicht. Schauen Sie sich zwei der kritischen Dinge an, über die wir gesprochen haben: Strom und Wasser. Strom und Wasser sind in unserer modernen Welt sozusagen zu einer Verlängerung der grundlegenden Menschenrechte geworden. Es kann kein Recht in dem Sinne sein, daß niemand dafür bezahlen muß, aber Strom und Wasser sind lebenswichtig.

Dabei muß man beachten, daß die Gesamtmenge an Wasser auf der Erde feststeht. Es wird kein Wasser verbraucht und kein Wasser hinzugefügt, was die Anzahl der Moleküle auf dem Planeten angeht. Was passiert, ist, daß wir sie umher bewegen. Mutter Natur wird die Niederschlagsmenge auf dem Planeten nicht verdoppeln. Niederschlag ist Wasser, das verdunstet, in die Luft aufsteigt, Wolken bildet, sich in eine bestimmte Richtung bewegt und dann wieder herunterkommt.

Aber wenn man sich die wachsende Gesellschaft anschaut, nimmt nicht nur die Bevölkerung des Planeten stark zu, es erwarten auch immer mehr Menschen, daß ihre Häuser mit Strom und Wasser versorgt werden usw. Wir müssen uns also darüber im klaren sein, daß wir große Steigerungen brauchen. Wenn man sich den Anstieg der Elektrizität ansieht, hat sich der weltweite Stromverbrauch in den letzten 25 Jahren verdoppelt. Und es gibt keinen Grund anzunehmen, daß er sich in den nächsten 25 Jahren nicht wieder verdoppelt. Ich glaube sogar, daß es viel schneller gehen wird; ich denke, daß er sich in 20 Jahren oder früher verdoppeln wird, weil es immer mehr elektrische Geräte gibt und viele Menschen Stromanschluß bekommen. Es ist bekannt, daß es in Afrika immer noch etwa 600 Millionen Menschen gibt, die keinen Stromanschluß haben. Sie wünschen sich Elektrizität. Wir müssen also mit einem Anstieg des Stromverbrauchs um 100% rechnen. Und wenn das erreicht ist, wird es weitere 100% geben, und danach weitere 100%.

Diese phantasievollen Vorstellungen, daß jeder Solarpaneele auf dem Dach hat und sich dann alles irgendwie stabilisiert, um angeblich den Planeten zu retten, und daß es keine weitere Industrialisierung geben wird usw., sind schlicht und einfach Unsinn. Wir müssen den Stromverbrauch verdoppeln, also müssen wir auch die Stromerzeugung verdoppeln.

Das gleiche gilt für Wasser. Der Wasserverbrauch auf unserem Planeten wird sich verdoppeln und dann nochmals verdoppeln. Aber Mutter Natur wird nicht mehr Wasser produzieren. So wird Wasser zu einem Problem der Elektrizität, zu einem Energieproblem. Wir müssen das Wasser viel mehr transportieren, also brauchen wir viel mehr Entsalzung, wir brauchen viel mehr Pumpen, Kanäle und alle möglichen wissenschaftlichen Methoden, um das Wasser zu transportieren.

Mein Vorredner hat sehr eloquent über die Situation der Wasserverteilung in der Nahost-Region gesprochen – einige haben dort mehr als andere, usw. Was wir tun müssen, ist nun, mehr Wasser aus dem Meer zu holen, es zu entsalzen, es auf das Land zu bringen und es umzuleiten und zu recyceln. Das ist also eine technologische Frage.

Um auf meinen Ausgangspunkt zurückzukommen: Wissenschaft und Technik sind tendenziell immer mehr gewesen als Funktionen der Politik. Wir brauchen das. Wenn man sich die Konflikte auf der Welt ansieht, und wie viele Menschen sterben, dann ist das Traurige, daß die Menschen, die sterben, nicht diejenigen sind, die den Konflikt ausgelöst haben. Sie sind das Kanonenfutter, das dort geopfert wird – junge Männer, Frauen, Kinder –, nachdem die Kämpfe begonnen haben.

Wir brauchen also eine Gesellschaft, in der es Regeln gibt und eine Struktur. Wir dürfen nicht zulassen, daß diese extremen Linksgrünen daherkommen und so viel Schaden anrichten, wie sie es jetzt tun. Wir müssen den Stromverbrauch verdoppeln und den Wasserverbrauch verdoppeln. Und das bedeutet Dinge wie Entsalzung in großem Maßstab.

Die notwendige technische Zusammenarbeit

Ich denke, es ist daher auch sehr wichtig, daß es eine starke technische Zusammenarbeit zwischen den Ländern gibt. Wenn wir diese großen Wasserprojekte umsetzen wollen, dann kann das nicht nur innerhalb der politischen Grenzen eines Landes geschehen. Man muß in der Lage sein, Wasser aus dem Meer durch ein Entsalzungssystem zu leiten, das weit vom Ursprungsort entfernt ist.

Wir in Südafrika haben uns mit diesen Herausforderungen befaßt. Wir haben hier in Pretoria einen kleinen modularen Kernreaktor entwickelt. Südafrika war das erste Land der Welt, das mit der Entwicklung eines kommerziellen kleinen modularen Reaktors (SMR) begonnen hat. Wir haben jetzt einen einsatzbereiten Reaktor, der 100 MW Wärme oder 35 MW Strom erzeugt.

Damit ändert sich die Psychologie, wie die Energie genutzt werden kann. Die kleinen modularen Reaktoren können im Besitz eines Staates, aber auch einer Gemeinde oder einzelner Unternehmen sein, wie Bergbauunternehmen oder landwirtschaftliche Genossenschaften. Es ist nicht mehr notwendig, daß die Stromversorgung dem Staat untersteht. Man braucht kein nationales Stromnetz mehr. Einen kleinen modularen Reaktor kann man überall aufstellen, wo man möchte. In Afrika kann man weit weg von den vorhandenen Übertragungsleitungen einen Kernreaktor aufstellen, mit einem Netz mit 2-3 km Durchmesser, das völlig unabhängig vom nationalen Netz ist. Wir müssen uns also mit einer völlig anderen Art der Energieversorgung befassen.

Ähnlich verhält es sich mit Dingen wie dem Transport von Wasser, der Entsalzung von Wasser und dem Pumpen von Wasser über sehr weite Strecken. All das ist technisch machbar.

Hier in Südafrika ist es jedes Jahr ein bißchen ein Glücksspiel, wie beim Roulette im Kasino, ob wir eine gute Maisernte haben werden oder nicht. Wenn der Regen zur richtigen Zeit kommt, die richtige Menge Wasser über die richtige Anzahl von Tagen, dann gibt es eine reiche Maisernte, und wir exportieren Mais in die ganze Welt und verdienen etwas daran. Im nächsten Jahr kommt das Wasser nicht zur richtigen Zeit, dann gibt es eine Maisknappheit und wir müssen ihn importieren. Das ist alles nur wegen des Regens. Wenn wir das Wasser dorthin pumpen und die Wasserversorgung jedes Jahr garantieren könnten, dann gäbe es jedes Jahr eine reiche Maisernte, und wir würden viel mehr Mais produzieren, um viel mehr Menschen zu ernähren.

Wir haben hier Pipelines, die Benzin und Diesel von der Küste bis hierher, wo ich lebe, nach Pretoria pumpen. Als das vor Jahren vorgeschlagen wurde, war das eine ziemlich erstaunliche Sache – die Entfernung beträgt 600 km. Sie füllen Benzin in die Pipeline und pumpen es ins Landesinnere. Und ob Sie es glauben oder nicht, sie setzen ein Trennstück in die Pipeline, dieses Metallteil läuft mit entlang, und direkt dahinter wird Diesel eingefüllt, und danach, gleich hinter einem weiteren Trennstück, wird eine andere Benzinsorte eingefüllt. Das Benzin und der Diesel fließen alle durch die 600 km lange Pipeline und kommen in der Region Johannesburg-Pretoria wieder heraus. Wenn wir Benzin und Diesel über 600 km durch dieselbe Pipeline pumpen können, dann gibt es keinen Grund, warum wir nicht auch Wasser über große Entfernungen von einem Entsalzungspunkt zu dem Ort pumpen können, an dem es benötigt wird. Entscheidend ist, wie wir technische Zusammenarbeit erreichen und wie wir Dinge wie unsere kleinen modularen Reaktoren in weiten Gebieten einsetzen können. Ich könnte hier stundenlang weitermachen, aber das werde ich nicht tun. Wir würden zum Beispiel in ganz Afrika kleine modulare Reaktoren in jedem Land einsetzen.

Aber um einen Kernreaktor zu betreiben, muß man mit der Internationalen Atomenergiebehörde zusammenarbeiten; man braucht eine nationale Atomaufsichtsbehörde. Südafrika hat eine der ältesten nationalen Atomaufsichtsbehörden der Welt; sie ist jetzt 40 Jahre alt. Man kann nicht von jedem Land erwarten, daß es eine hochentwickelte Atomaufsichtsbehörde entwickelt, um einen Atomreaktor besitzen zu können.

Deshalb haben wir ins Auge gefaßt, alle diese Reaktoren sozusagen über das Internet miteinander zu verbinden. Von einem zentralen Kontrollpunkt aus kann man dann eine ganze Reihe von Reaktoren in verschiedenen Ländern sehen. Man kann die Drücke und die Durchflußraten beobachten, man kann viele Dinge tun und eine ganze Reihe von Kooperationen eingehen. Wenn etwas schief geht, können die Aufsichtsbeamten in ein Flugzeug steigen, das dann schnell mit Geigerzählern und ähnlichem zur Überprüfung dorthin fliegt.

Diese technische Zusammenarbeit ist notwendig, um den Menschen einen guten Lebensstandard zu ermöglichen. Denn wie ich bereits sagte, hängt das BIP-Wachstum direkt mit der Elektrizität zusammen, die wiederum eine Technologie ist.

Deshalb müssen wir irgendwie über dieses politische Gezänk an den Grenzen hinwegkommen und versuchen, einen höheren Intellekt zu finden, der sich damit befaßt, wie wir die moderne Technologie im Makromaßstab einsetzen, und das auf eine insgesamt viel kooperativere Art und Weise. Dabei müssen wir bedenken, daß der einzelne jetzt immer mehr Macht hat, z.B. die Möglichkeit, über die Starlink-Satelliten u.ä. direkt ins Internet zu gehen. Immer mehr Einzelpersonen bekommen Möglichkeiten, die sie vor ein paar Jahrzehnten noch nicht hatten.

Der Nachteil dabei ist, daß auch immer mehr dieser Menschen von der extremen Linken oder den radikalen Grünen, über die wir gerade gesprochen haben, ihre Fantasiepläne umsetzen können, die nicht funktionieren werden. Wir brauchen realistische Menschen, die in der Lage sind, die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen, damit wir mit Hilfe der Technik das Beste für die Menschheit erreichen können.

Ich denke, das ist alles möglich, aber es ist eine intellektuelle Herausforderung, eine ziemlich große Herausforderung für alle Beteiligten. Aber ich bin sicher, daß es mit dem richtigen Blickwinkel möglich ist, das Problem zu lösen. Ich danke Ihnen.