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Neue Solidarität
Nr. 19, 9. Mai 2024

Die Rolle der BRICS bei der Entwicklung Südwestasiens

Von Prof. Georgij Toloraja

Professor Georgij Toloraja, Direktor des Russischen Nationalen Komitees für BRICS-Forschung, hielt im ersten Abschnitt der Internetkonferenz zum Oasenplan am 13. April den folgenden Vortrag.

Zunächst möchte ich dem Schiller-Institut und Dr. Helga Zepp-LaRouche dafür danken, daß sie mich zu diesem sehr interessanten Treffen eingeladen haben. Obwohl ich den größten Teil meiner diplomatischen Laufbahn in Ostasien verbracht habe und in den letzten Jahren bei den Vereinten Nationen und den BRICS tätig war, ist die Frage des Nahen Ostens und des Konflikts dort allen Wissenschaftlern der internationalen Beziehungen bekannt und interessant.

Ich erinnere mich daran, wie ich als Schüler vor fast 60 Jahren im Geographieunterricht einen Bericht schreiben sollte – wir hatten in der Sowjetunion eine gute Ausbildung, jeder verfaßte eine Art von Bericht über Länder und Territorien –, und ich begann diesen Bericht mit den Worten: „Der Libanon hat eine sehr günstige geographische und klimatische Lage.“ Und der Lehrer, der sehr streng war – und ich bekam damals meistens die Note sehr gut –, sagte: „Nein, ich gebe dir ein ungenügend.“ Ich fragte: „Warum?“ „Weil der Libanon direkt neben Israel liegt, und das ist ein Ort, an dem es immer wieder Konflikte und Kriege geben wird.“

Ich wandte ein: „Herr Lehrer, politische Konflikte und Kriege sind vorübergehende Dinge, aber eine geographische Lage ist dauerhaft.“ Und er sagte: „Nein, auch das ist dauerhaft.“

60 Jahre später würde ich sagen, daß die Region des Nahen Ostens im Großen und Ganzen immer noch weit vom Frieden entfernt ist, und die Konflikte, die dort toben, können sogar zu einem globalen Krieg führen. Das ist es, was wir heute erleben. Und obwohl sich die Weltordnung seither schon einmal geändert hat und wir jetzt, nach dem Ende des Kalten Krieges, zum zweiten Mal erleben, wie sich die unipolare Welt in eine multipolare oder, ich bevorzuge den Ausdruck „polyzentrische“ Weltordnung verwandelt, ist dieser Konflikt noch lange nicht gelöst.

Gibt es also irgendeine Möglichkeit, neue Ansätze und Lösungen zu finden, vielleicht im Rahmen des Neuen Paradigmas, einer Weltordnung, die auf Souveränität und auf der Berücksichtigung der Interessen aller Länder und Parteien beruht? Das ist es, was BRICS fördert.

Ich sehe, daß jetzt zwei Länder der Region, Saudi-Arabien und Ägypten, an den Aktivitäten der BRICS beteiligt sind. Vielleicht sollten die BRICS diesem Konflikt also mehr Aufmerksamkeit schenken. Denn ich unterstütze allgemein die Theorie des Schiller-Instituts, daß Entwicklung und Wohlstand die Grundlage für einen dauerhaften Frieden sind, obwohl man diese auch ohne Frieden erreichen kann. Was kommt also zuerst? Wie auch immer, glaube ich nicht, daß ohne zukünftige, nachhaltige Entwicklung irgendein Friedensabkommen langfristig und dauerhaft sein wird.

Wie könnten die BRICS also helfen?

Wie wir wissen, haben die BRICS die Aufgabe, eine neue Weltordnungspolitik einzuführen, die die Interessen der sich entwickelnden Länder des Globalen Südens vertritt, und das auf dem Dollar basierende Finanzsystem abzuschaffen, durch die Einführung einer physischen Wirtschaft und eines neuen Finanzsystems sowie eines neuen Sicherheitsparadigmas. Wie läßt sich das auf die Situation im Nahen Osten übertragen?

Wissen Sie, als Wissenschaftler kann ich keine Untersuchungen anstellen, die all diese Fragen wirklich beantworten können. Aber ich habe gehört, daß einige Institutionen, große Einrichtungen, ich glaube sogar die Weltbank, spezielle Analyseeinheiten haben, die damit beauftragt sind, völlig unrealistische Ideen zu entwickeln und zu erforschen, wie sie realisiert werden könnten, wie sie umgesetzt werden könnten – was passieren kann, wenn sich eine verrückte Idee durchsetzen sollte.

Ich erinnere mich auch an einen Roman eines russischen Schriftstellers, er hieß Wassili Aksjonow, mit dem Titel Die Insel Krim. Sie wissen, daß die Krim eine Halbinsel ist, aber dieser Autor sprach davon, was wäre, wenn die Krim eine Insel wäre, wie Taiwan, und sich von der Sowjetunion abspalten würde.

Das ist lange her, aber ich versuche, den gleichen Ansatz zu verwenden. Wie wäre es, wenn ich einen neuen Weg vorschlagen würde, was eine der Möglichkeiten der Zukunft wäre? Diese Zukunft kann ein BRICS-Mandat für Palästina sein. Wir hatten ein britisches Mandat, aber ich spreche jetzt über so etwas wie Gaza als ein neues Hongkong – übrigens ist Hongkong dreimal so groß wie der Gazastreifen.

Wäre es möglich, im Gazastreifen eine Art BRICS-Pachtgebiet zu schaffen, das für hundert Jahre oder wie auch immer gepachtet oder für eine gewisse Zeit den BRICS-Ländern zur Verwaltung überlassen würde, wobei zum Beispiel Saudi-Arabien und Ägypten die Betreiber dieses Projekts wären?

Dann können wir eine Antwort darauf finden, wie der Oasenplan finanziert werden könnte. Denn die Neue Entwicklungsbank der BRICS-Staaten könnte eine führende Rolle bei der Entwicklung der Infrastruktur übernehmen, und die inneren Angelegenheiten des Gazastreifens würden von einer lokal gewählten Regierung geregelt – sagen wir, der Hamas, denn die Hamas wurde gewählt –, aber die Fragen der Außenpolitik und der Sicherheit würden in die Zuständigkeit der BRICS-Staaten fallen.

Damit wäre der direkte Kontakt zwischen Israel und Gaza und den Palästinensern beendet. Tatsächlich wird es keinen direkten Kontakt geben, weil in diesem Fall der größte Teil der Finanzen, der Technologie und des Außenhandels über das Meer und vielleicht auf dem Landweg durch Ägypten kommen würde. Und in diesem Fall könnte sich dieses Gebiet sehr schnell entwickeln!

Schauen Sie sich doch einmal in der Nähe um: Tel Aviv war vor hundert Jahren noch eine Wüste! Jetzt sehen wir eine moderne Stadt. Warum also nicht das gleiche in Gaza tun? Aber die Frage der Finanzierung und der Mittel für die Entwicklung ist hier genauso wichtig wie das Konzept der Entwicklung selbst.

Im Ernst: Ich finde den Oasen-Plan gut, aber die erste Frage, die sich mir aufdrängt, ist, wie er finanziert und umgesetzt werden kann, selbst wenn die Friedensbemühungen irgendwie vereinbart werden und wenn es eine Zweistaatenlösung gibt: Eine davon wäre ein Palästina mit dem Gazastreifen als Teil davon. Wie wird es entwickelt werden? Wer wird das finanzieren? Wer wird den Menschen dort helfen, ein friedliches und wohlhabendes Leben aufzubauen?

Es tut mir leid, wenn ich mich paradox ausgedrückt habe, aber ich denke, ich habe den verehrten Teilnehmern dieses Treffens einige Denkanstöße gegeben, zur Rolle der BRICS im allgemeinen und zu einer gewissermaßen paradoxen Lösung für den Konflikt – für das Problem, das seit so vielen Jahren, Jahrzehnten und sogar Jahrhunderten nicht gelöst worden ist. Ich danke Ihnen.