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Von Donald Ramotar
Donald Ramotar war Präsident von Guyana (2011-2015) und Mitglied des Parlaments (1992-2011). In der Internetkonferenz des Schiller-Instituts zum Oasenplan am 13. April hielt er den folgenden Vortrag. (Übersetzung aus dem Englischen, die Zwischenüberschrift wurde hinzugefügt.)
Ich danke Ihnen sehr für die Einladung, an Ihrer hochkarätigen Diskussionsrunde zu einem sehr wichtigen Thema teilzunehmen.
Wir treffen uns zu einer Zeit, in der unsere Welt noch nie so nahe an einer schrecklichen Katastrophe eines nuklearen Konflikts war, der die ganze Welt vernichten kann. Gleichzeitig denke ich, daß wir hier zu einer Zeit zusammenkommen, in der sich am internationalen Horizont die Konturen großer Möglichkeiten abzeichnen, die unsere Menschen aus der Armut in eine Periode der Entwicklung und des Friedens führen können.
Die Gefahren, die in der Welt bestehen, sind offensichtlich. Die beiden wichtigsten Themen, die heute auf unserer Tagesordnung stehen, sind die israelischen Angriffe auf die Palästinenser im Gazastreifen und im Westjordanland, und möglicherweise überall, und die zweite Gefahr ist der Stellvertreterkrieg, der gegen Rußland geführt wird, bei dem die Ukraine als Stellvertreter benutzt wird. Das ist eine besonders gefährliche Situation, weil die NATO drei Atommächte in ihren Reihen hat und Rußland selbst ebenfalls eine mächtige Atommacht ist.
Diese Gefahr hat ihren Ursprung im Zusammenbruch der Sowjetunion Anfang der 1990er Jahre, als die NATO trotz der Zusicherungen der westlichen Staaten, keinen Zentimeter über das heutige Deutschland hinaus vorzurücken, mehr als tausend Meilen vorgerückt ist. Und jetzt steht sie an der Grenze zu Rußland.
Leider haben die USA das nicht als Chance für den Frieden gesehen, sondern als Möglichkeit, sich dauerhaft als einzige Supermacht und als Nummer eins in der Welt zu behaupten. Ich möchte nur daran erinnern, daß Paul Wolfowitz Mitte der 1990er Jahre die Ansicht vertrat, die USA dürften diese Chance nicht verpassen, um ihre Vorherrschaft in der Welt zu sichern. Er sagte: „Unser Ziel ist es, das Wiederauftauchen eines neuen Rivalen zu verhindern, sei es auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion oder anderswo. Das ist unsere wichtigste Überlegung im Bereich der neuen wachsamen Verteidigungsstrategie, und es erfordert, daß wir uns bemühen, jede Macht, deren Wiederaufstieg ausreichen würde, um globale Macht zu erringen, an der Vorherrschaft in unserer Region zu hindern.“
Seit Mitte der 90er Jahre war dieser Gedanke der globalen Vorherrschaft also ganz klar vorhanden, ganz besonders bei den Vereinigten Staaten, aber auch bei den NATO-Verbündeten. Das erklärt den Angriff auf Jugoslawien, den Angriff auf den Irak, den Angriff in Afghanistan, die Zerstörung Libyens und so weiter.
Vergessen Sie auch nicht, daß sie jeden Anspruch auf Frieden, Anstand und Menschenrechte aufgegeben haben. 1996 sagte [US-Außenministerin] Madeleine Albright in einem Interview, die Sanktionen gegen den Irak, durch die mehr als eine halbe Million Kinder starben, seien die Sache wert gewesen. Sie haben jeglichen Anschein von Menschenrechten und jeden Anstand aufgegeben, um dauerhaft die Kontrolle über die Welt als Ganzes zu haben. Es handelt sich um eine Art Super-Kolonialismus, bei dem die Vereinigten Staaten der Herrscher sind, aber auch in Partnerschaft mit einigen NATO-Ländern, die die Rolle des Juniorpartners spielen.
Die Provokation gegen Rußland ist auch insofern lehrreich, als die Wirtschaftssanktionen lange vorher gut vorbereitet waren. Die Wirtschaftssanktionen, die seit mehr als 60 Jahren gegen Kuba und viele andere Länder verhängt werden, haben der dortigen Bevölkerung schreckliches Leid zugefügt.
Erinnern Sie sich auch daran, daß es kurz vor der russischen militärischen Sonderoperation ein Thema gab, bei dem wir Frieden hätten haben können, und daß dieser Krieg völlig unnötig war. Aber wir hatten die Unanständigkeit des Verrats an Rußland; die Täuschung durch Deutschland und Frankreich, die das Minsker Abkommen garantiert hatten, aber sagten, daß sie das nur getan hätten, um der NATO-Ukraine Zeit zu geben, sich als NATO-Macht aufzubauen.
Man erinnere sich auch, daß es Jens Stoltenberg war, der kurz zuvor Rußland drohte und sagte, man sei auf die Invasion vorbereitet. Er sagte: „Wir in der NATO haben über 100 Flugzeuge in höchster Alarmbereitschaft, 120 verbündete Schiffe auf See von der hohen Nordsee bis zum Mittelmeer, 7 Luftlandedivisionen in Europa. Außerdem haben die USA mehr als 1000 Soldaten in die Ostsee geschickt.“ All das sollte Selenskyj davon überzeugen, daß er kein Abkommen mit Rußland schließen, sondern in den Krieg ziehen und die Russen besiegen sollte.
Diese Mentalität erklärt auch die Haltung der USA gegenüber China, denn wenn man jede einzelne politische Äußerung oder Linie oder Aktion der chinesischen Regierung verfolgt, wird man feststellen, daß China nie jemanden bedroht hat, weder die Vereinigten Staaten noch irgend jemand sonst. Aber insbesondere seit Ende 2008, nach der Finanzkrise und dem Auftauchen Chinas als mächtiger wirtschaftlicher Akteur auf der internationalen Bühne, wird China nun als Bedrohung für diesen Plan der totalen Vorherrschaft gesehen.
All das hat eine weitere Tatsache zur Folge: Die Länder beginnen, eigene Maßnahmen zu ergreifen, um einigen dieser Maßnahmen entgegenzuwirken. Diejenigen Länder, die ihre Souveränität ernst nehmen, haben Maßnahmen ergriffen, um ihre Vorherrschaft [der USA u.a.] zu verhindern.
An diesem Punkt setzen unsere heutigen Diskussionen über den Oasenplan an – einen Plan mit viel Weitsicht, der lange vor der chinesischen Gürtel- und Straßen-Initiative entstanden ist. Dahinter stand eine großartige Idee. Einige Elemente dieses Plans finden sich nun in einigen der Pläne wieder, die heute als Alternative zur unipolaren Welt vorgeschlagen werden.
Das ist möglich geworden, weil die BRICS-Staaten eine gewisse Hoffnung bieten, auch wenn es noch viele Unsicherheiten unter den BRICS-Staaten gibt. Aber sie scheinen eine gewisse Widerstandsfähigkeit zu haben, und sie schaffen Möglichkeiten, eine multipolare Welt aufzubauen, die auch Ländern, die ihre eigenen Pläne umsetzen wollen, die Möglichkeit dazu bieten wird.
In den späten 1950er, den 60er und 70er Jahren ist die Bewegung der Blockfreien Staaten gewachsen. Dahinter stand das gleiche Bestreben der Staatsführer, die diese Bewegung gründeten, die eine Möglichkeit haben wollten, ihre Unabhängigkeit zu praktizieren, ohne von einer äußeren Macht beherrscht zu werden. Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion ging jedoch auch das unter.
Seither bieten nur die BRICS diese Möglichkeit. Diese Möglichkeit ergibt sich dadurch, daß sie in der Lage sind, in ihren eigenen Währungen zu handeln und neue Währungen zu entwickeln – gekoppelt mit der bereits erwähnten Gürtel- und Straßeninitiative Chinas, die mit der Entwicklung der Infrastruktur vieler Länder, sowohl Entwicklungs- als auch Industrieländer, begonnen hat, was besonders wichtig für Afrika ist, das ein so großes Defizit bei der Entwicklung der Infrastruktur hat. Es kann dazu beitragen, Fortschritte zu sehen.
Denn wie bereits von vielen meiner Vorredner erwähnt, besteht ein direkter Zusammenhang zwischen wirtschaftlichem und sozialem Fortschritt und zwischen Weltfrieden und Entwicklung – Frieden im allgemeinen und Entwicklung. Wir können diese Pläne ohne Frieden nicht verwirklichen. Deshalb sage ich, daß der Frieden wahrscheinlich das wichtigste ist. Aber für einen dauerhaften Frieden brauchen wir den sozialen und wirtschaftlichen Fortschritt, den uns die BRICS-Länder bieten.
Der Erfolg des neuen Vorhabens hängt in hohem Maße davon ab, wie es uns gelingt, den Frieden zu bewahren und zu versuchen, die Hände derjenigen zurückzuhalten, die die Welt in den Krieg treiben wollen, nur damit sie die Wirtschaft und das Leben der Menschen überall sonst kontrollieren können.
Es ist offensichtlich, daß es den Regierungen des Westens heute an Führung mangelt. Wenn man sich die Führung in den westlichen Mächten anschaut, ist es geradezu erbärmlich zu sehen, wie einige der am weitesten entwickelten Länder der Welt Regierungen haben, denen es offensichtlich an Führungsstärke mangelt. Es fehlt an Visionen, es wird nicht auf den Frieden hingearbeitet und es wird nicht im Interesse der Menschheit als Ganzes gearbeitet. Diese Hoffnung kommt nur von China und den BRICS-Ländern, die versuchen, ihre eigenen Autoritäten zu schaffen.
Während die Welt in großer Gefahr ist, sehen wir also auch die Möglichkeit eines dauerhaften Friedens durch sozioökonomischen Fortschritt. Dieser Standpunkt wird von den meisten Denkern zu diesem Thema anerkannt. Diejenigen, die sich dagegen wehren – der Imperialismus –, vertreten ein sozioökonomisches System, das sich meiner Meinung nach überlebt hat.
Es ist wichtig, daß wir dies erkennen, und auch erkennen, daß es keine „Abkürzung“ gibt, um dagegen zu kämpfen, sondern wir müssen Massen von Menschen mobilisieren und sie auf jede erdenkliche Weise einbeziehen, in dem Versuch, die Hände dieser Leute zurückzuhalten, die aufgrund der Logik der Kapitalprofite – aufgrund dessen, wen sie vertreten –, anscheinend die Kontrolle über ihr eigenes Handeln verloren haben. Sie repräsentieren den Militärisch-Industriellen Komplex, die Unternehmen, die unsere Umwelt zerstören, wie Ölfirmen, Bergbauunternehmen, und so weiter. Das sind die Leute, die tatsächlich an den Hebeln der Macht sitzen.
Der einzige Weg, wie wir dagegen kämpfen können, ist der, die Massen auf der Straße zu organisieren, um uns dabei zu helfen. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.