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Neue Solidarität
Nr. 17, 25. April 2024

Scholz‘ China-Besuch: eine verpaßte Chance?

Der China-Besuch des deutschen Bundeskanzlers litt darunter, daß Kanzler Scholz „zwischen den Stühlen sitzt“.

„Mögen hätt ich schon wollen, aber dürfen hab ich mich nicht getraut“: Dieser Satz des Kabarettisten Karl Valentin beschreibt das Dilemma des deutschen Bundeskanzlers ziemlich gut. Das zeigte sich auch beim China-Besuch von Olaf Scholz.

Einerseits war der Kanzler begleitet von den Ministern für Landwirtschaft, Umwelt und Verkehr sowie führenden Wirtschaftsvertretern, darunter BMW-Vorstand Oliver Zipse und Führungskräfte von Mercedes und Siemens. Scholz wählte als Zwischenstopp Chongqing, da die ehemals unterentwickelte Region im Westen Sichuans zu einer Hochburg der Hightech-Entwicklung geworden ist, an der auch viele deutsche Unternehmen beteiligt sind, die angesichts der schlechten Aussichten für die Industrie in Deutschland dringend auf das Chinageschäft hoffen.

Andererseits veranlaßte die Geopolitik Berlin dazu, an offensichtlich gegen China gerichteten NATO-Militärübungen im Pazifik teilzunehmen und zusammen mit Frankreich und Spanien 50 Kampfjets u.a. nach Japan, Australien und Hawaii zu schicken. Erstmals ist auch eine gemeinsame Übung mit der indischen Luftwaffe geplant. Luftwaffeninspekteur Ingo Gerhartz prahlte: „Wir zeigen ein europäisches Gesicht im Indopazifik.“ Die deutsche Marine schickt von Mai bis November die Fregatte Baden-Württemberg und das Versorgungsschiff Frankfurt am Main auf Weltreise zu Übungen mit den USA und Kanada an die Ostküste Nordamerikas, dann weiter in den Ostpazifik und nach Hawaii.

Das Engagement deutscher Industrieunternehmen in China ist zweifellos gut gemeint, und das gilt auch für die chinesische Sicht der Dinge, wie ein langer Artikel in der Global Times vom 14. April zur Ankunft des Kanzlers in China zeigt. Die Global Times sah trotz aller Probleme eine insgesamt positive Perspektive für die deutsch-chinesische Wirtschaftskooperation. Sie sprach aber auch die besorgniserregende Loyalität Deutschlands gegenüber der westlichen Geopolitik an, die das Potential der Zusammenarbeit untergräbt: „Vergangenen Juli veröffentlichte die deutsche Regierung eine hart formulierte China-Strategie, die den Fokus auf De-Risking, Diversifizierung und eine Reduzierung der Abhängigkeiten von China legt. Trotz des internen Drucks bleibt die derzeitige deutsche Regierung pragmatisch und stellt ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen an die erste Stelle.“1

Die Zeitung zitierte dann die Einschätzung von Helga Zepp-LaRouche: „Helga Zepp-LaRouche, Gründerin der in Deutschland ansässigen politischen und wirtschaftlichen Denkfabrik Schiller-Institut, sagte der Global Times am Wochenende, für eine Exportwirtschaft wie Deutschland wäre es ,selbstmörderisch‘, diesen Forderungen nach ,De-Risking‘ nachzugeben. ,Deutschland erlebt derzeit einen dramatischen wirtschaftlichen Abstieg. Gleichzeitig bringen die USA deutsche Unternehmen mit den Anreizen des Inflation Reduction Act dazu, in den USA statt in Deutschland zu investieren. In diesem ungünstigen Umfeld ist der Ausbau der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit China ein Stabilitätsanker für Deutschland‘, sagte sie. Wenn Deutschland sich der Geopolitik nicht wirksam widersetze, würden seine Beziehungen zu China darunter leiden.“

Wie berechtigt diese Warnung ist, zeigte sich gleich am ersten Tag des Scholz-Besuchs in Chongqing, der mit der Besichtigung einer Bosch-Fabrik zur Herstellung von Wasserstoff und eines deutsch-chinesischen Forschungsprojekts zur Wasserqualität an der Universität Chongqing begann. Das Besuchsprogramm wurde vorzeitig abgebrochen, die weiteren Programmpunkte des Tages wegen der Krisensitzungen mit der G7 und anderen westlichen Institutionen als Reaktion auf den iranischen Angriff auf Israel abgesagt. Am nächsten Tag besuchte Scholz mit seiner hochkarätigen Industriedelegation Shanghai und rief dort die Chinesen zu „fairem Wettbewerb“ und Verzicht auf Dumpingmethoden auf.

Am 16. April endete der Besuch mit einem Treffen mit der politischen Führung in Beijing. Vor der abschließenden Pressekonferenz hatten Präsident Xi Jinping und Scholz fünf Stunden Zeit für ein Gespräch, unter anderem bei einem Spaziergang, an dem auch der chinesische Außenminister teilnahm, und bei einem Abendessen.

Xi ging dann auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit Scholz nicht auf die Themen Ukraine und Rußland ein, sondern betonte die Rolle der engen Zusammenarbeit mit Deutschland. „Gemeinsam können wir mehr Stabilität und Sicherheit in die Welt bringen“, sagte Xi. Solange man sich an die Prinzipien des gegenseitigen Respekts halte, trotz Unterschieden Gemeinsamkeiten suche und voneinander lerne, könnten sich die bilateralen Beziehungen „stabil weiterentwickeln“. Eine „neue Ära der Turbulenzen und Umwälzungen“ habe begonnen, in der die Risiken für die gesamte Menschheit zunähmen. „Um diese Probleme zu lösen, ist es wichtig, daß die Zusammenarbeit zwischen den Großmächten die Oberhand gewinnt“, sagte Xi. In diesem Sinne sei eine stabile Zusammenarbeit zwischen den großen Volkswirtschaften Deutschlands und Chinas wichtig und würde „einen großen Einfluß nicht nur auf den gesamten eurasischen Kontinent, sondern auch auf die ganze Welt ausüben“.

In den vergangenen fünf Jahrzehnten hat sich die bilaterale Wirtschafts- und Handelskooperation zwischen China und Deutschland stabil entwickelt. Offiziellen Daten zufolge war China im Jahr 2023 zum achten Mal in Folge Deutschlands größter Handelspartner. Aber sollte es den Chinafeinden in der EU-Kommission gelingen, bestimmte chinesische Exporte nach Europa unter dem Vorwand zu verbieten, sie seien subventioniert und gefährdeten den „freien Markt“, wäre die deutsche Industrie als größter Importeur chinesischer Produkte am stärksten betroffen.

alh


Anmerkung

1. globaltimes.cn/page/202404/1310560.shtml