Produktive Kreditschöpfung 
  Neues Bretton Woods
  Glass-Steagall
  Physische Wirtschaft
  Kernenergie
  Eurasische Landbrücke
  Transrapid
  Inflation
  Terror - Cui bono?
  Südwestasienkrise
  11. September und danach
  Letzte Woche
  Aktuelle Ausgabe
  Ausgabe Nr. ...
  Heureka!
  Das Beste von Eulenspiegel
  Erziehungs-Reihe
  PC-Spiele & Gewalt 
  Diskussionsforum
  Wirtschaftsgrafiken
  Animierte Grafiken
[an error occurred while processing this directive]
Folgen Sie uns auf
acebook
Neue Solidarität
Nr. 16, 18. April 2024

Die „Politik der Ablenkung“ besiegen

Von Prof. Richard Falk

Prof. Richard A. Falk machte die folgenden Bemerkungen auf der 44. Sitzung der Internationalen Friedenskoalition am 5. April 2024. Falk, ein jüdischer US-Amerikaner, ist emeritierter Professor für Internationales Recht an der Princeton University und Vorsitzender des Kuratoriums des Euro-Mediterranean Human Rights Monitor. Von 2008 bis 2014 war er Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für die Lage der Menschenrechte in den seit 1967 besetzten palästinensischen Gebieten – das Amt, das jetzt Francesca Albanese innehat, über die er in dieser Erklärung spricht. Prof. Falk selbst wurde bei seinem ersten Besuch in der Region nach seiner Ernennung zum Sonderberichterstatter in Palästina 2008 von israelischen Beamten festgenommen und in einer schmutzigen Arrestzelle festgehalten, und er war während seiner Amtszeit regelmäßig persönlichen Angriffen ausgesetzt.

Freunde, es tut mir leid, daß ich nicht persönlich und für die ganze Dauer des Treffens bei Ihnen sein kann. Aber ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um etwas zu den bösartigen Angriffen auf Francesca Albanese zu sagen, die UN-Sonderberichterstatterin für das besetzte Palästina ist und in dieser Funktion kürzlich einen offiziellen Bericht mit dem Titel „Anatomie eines Völkermords“ veröffentlicht hat. Der Bericht ist meiner Meinung nach die objektivste und am sorgfältigsten recherchierte und analysierte Bewertung der völkermörderischen Dimensionen dessen, was Israel in Gaza seit dem 8. oder 9. Oktober tut – wie auch immer man den Beginn des Angriffs auf die Bevölkerung von Gaza, die 2,3 oder vielleicht 2,4 Millionen Menschen umfaßt, definieren möchte. Francesca ist in dieser Rolle erfolgreich.

In meiner eigenen Erfahrung als Sonderberichterstatter für das besetzte Palästina mußte ich auch eine Reihe von Verleumdungen, Morddrohungen und Unannehmlichkeiten ertragen, sowohl von sehr pro-zionistischen NGOs in Genf und der organisierten jüdischen Presse auf der ganzen Welt als auch von verschiedenen Beamten, die mit Israel verbündet waren. Mir wurde klar, daß diejenigen, die diese schmutzigen Behauptungen verbreiteten, sehr wohl wußten, daß sie unwahr waren. Es ging ihnen nicht darum, Antisemiten zu identifizieren, was der Hauptvorwurf war – daß eine solche Kritik an Israel nur als eine Form von Antisemitismus verstanden werden konnte, was in meinem Fall zusätzlich dadurch verstärkt wurde, daß man mich „einen sich selbst hassenden Juden“ nannte.

Diejenigen, die diese Verleumdungen verbreiteten, waren sich bewußt, daß sie etwas Unredliches und Unwahres taten. Aber sie waren pragmatisch und opportunistisch motiviert durch eine „Politik der Ablenkung“, wie ich das nenne – die Menschen dazu zu bringen, sich auf den Boten zu konzentrieren, anstatt die Botschaft zu prüfen. Und das ist ein sehr wirksames Mittel, um sachliche Kritik und Diskussionen zu unterdrücken. Man hat das als „Instrumentalisierung des Antisemitismus“ bezeichnet, es spielt mit europäischen Schuldgefühlen im Zusammenhang mit dem Holocaust, vor allem in Deutschland, die aber auch in der Basis der zionistischen Unterstützung in Amerika weithin fortbestehen.

Aber es ist bedauerlich, wenn eine unbezahlte Beamtin wie Francesca, die unglaublich viel Zeit und Energie in die Aufgabe gesteckt hat, ein Muster der Verletzung der Grundrechte des palästinensischen Volkes aufzuzeigen, so behandelt wird, und es ist schockierend, daß der Sprecher des US-Außenministeriums sich dem angeschlossen hat. Der Sprecher des US-Außenministeriums schloß sich dieser Verleumdungsdiplomatie an, indem er bekräftigte, Francesca Albanese sei in der Tat eine „Antisemitin“, was völlig falsch ist und nur dazu beiträgt, die Aufmerksamkeit von dem in diesem Fall entscheidenden inhaltlichen Fokus abzulenken – nämlich dem typischsten und sichtbarsten Völkermord der Geschichte, in dem Sinne, daß andere und vergangene Völkermorde, einschließlich des Holocausts, alle nur im Nachhinein erkannt wurden.

Dies hier ist ein Fall, in dem die Menschen es auf der ganzen Welt in Echtzeit wahrnehmen, überwältigende Beweise werden geliefert durch die Bilder, die jeden Abend im Fernsehen gezeigt werden, und durch die selbstgerechte Sprache, die von der israelischen Führung verwendet wird, um die Palästinenser zu entmenschlichen.

So wird der Genozid unter einer Lawine irreführender und entmenschlichender Erklärungen mit völkermörderischen Absichten versteckt. Und was mich auch von Anfang an entsetzt hat, ist die Bereitschaft der liberalen Demokratien des Westens, dieses Verhalten zu billigen. Es übersteigt mein Vorstellungsvermögen, wozu diese Art von unheiliger Allianz, die seit Jahrzehnten mit Israel besteht, bereit sein könnte.

Eine solche Verbindung ist die Verachtung des Völkerrechts durch die USA, die während der gesamten Krise an den Tag gelegt wurde, auf den Punkt gebracht mit ihrem Angriff auf Südafrika, das es gewagt hatte, eine Klage vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag einzureichen, indem die USA behaupteten, der Vorwurf sei unbegründet. Dennoch befanden die 17 teilnehmenden Richter nahezu einstimmig, daß der Vorwurf, Israel mache sich eines Völkermordes schuldig, juristisch stichhaltig und „plausibel“ ist, wie sie es formulierten.

Lassen Sie mich dem nur meine Ansicht hinzufügen, daß wir uns an einem echten Wendepunkt in der menschlichen Erfahrung befinden – in dem Sinne, daß die Gesellschaften, die sich der Welt als „Hüter der Demokratie und der Menschenrechte“ präsentiert haben, sich jetzt dramatisch und systematisch diskreditieren, auf Kosten einer heldenhaften Persönlichkeit, die bereit war, gegen diesen blutigen Strom zu schwimmen. Wir alle sollten Menschen guten Willens und starken Gewissens unterstützen; wir sollten Francesca Albanese darin unterstützen, sich gegen diese Versuche zu wehren, mit Verleumdungen ihren Bericht zu diskreditieren und eine solche Diplomatie und Politik der Ablenkung zu betreiben.