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Terroranschlag. Rußland sieht Beweise für eine Verwicklung der USA, Großbritanniens und der Ukraine in das Krokus-Massaker.
Rußlands Präsident Wladimir Putin führte am 2. April eine ausführliche Diskussion mit den Teilnehmern der jährlichen erweiterten Sitzung des Innenministeriums und berichtete über die laufenden Ermittlungen zum Terroranschlag auf die Krokus-Konzerthalle am 22. März, bei dem 144 Menschen getötet wurden. Putin wies Innenminister Borad an: „Wie ich bereits gesagt habe, ist es nicht nur wichtig, die ausführenden Täter zu identifizieren, sondern auch alle Glieder der Kette und die letztendlichen Nutznießer dieser Greueltat. Wir werden sie auf jeden Fall vor Gericht bringen.“
Er kritisierte scharf Versuche, „die jüngste Tragödie zu benutzen, um ethnische Zwietracht, Fremdenfeindlichkeit, Islamophobie und dergleichen zu schüren. Tatsächlich war es das Hauptziel der Terroristen und ihrer Hintermänner, Zwietracht und Panik, Konflikte und Haß in unserem Land zu säen und Rußland im Inneren zu spalten. Das ist ihr Hauptziel. Wir dürfen unter keinen Umständen zulassen, daß sie dieses Ziel erreichen.“
Putin stellte den Anschlag in den Kontext der westlichen Bemühungen, Rußland zu erobern oder zerschlagen: „Nach dem Zerfall der UdSSR waren unsere geopolitischen Gegner natürlich entschlossen, die Reste des historischen Rußlands zu vernichten, vor allem, um den Zerfall seines Kerns, des eigentlichen Rußlands, der Russischen Föderation, zu beschleunigen… Einige Länder versuchen verzweifelt, ihre Hegemonie in der sich schnell verändernden Welt von heute zu bewahren, auch auf unsere Kosten. Angesichts des riesigen Territoriums unseres Landes und seiner reichen menschlichen und natürlichen Ressourcen würden sie natürlich keine Gelegenheit auslassen wollen, Rußland auszuplündern.“
Am 26. März hatte der Chef des Föderalen Sicherheitsdienstes (FSB), Alexander Bortnikow, bekanntgegeben, Rußland habe erste Beweise dafür, daß die Vereinigten Staaten, Großbritannien und die Ukraine in den Krokus-Terroranschlag verwickelt waren.
Angesichts dieser Vorwürfe kommt der erfahrene Rußland-Experte Gilbert Doctorow zu dem Schluß, daß wir uns wieder in einer Krise „wie in den schlimmsten Tagen der Kubakrise“ befinden. In einem Interview mit dem indischen Fernsehsender WION am 27. März begründete Doctorow diese Einschätzung:
„Herr Bortnikow ist keine öffentliche Person im russischen Fernsehen. Er sitzt an seinem Schreibtisch beim FSB, anders als sein Kollege beim russischen Auslandsgeheimdienst, Herr Naryschkin, den man ziemlich oft im Fernsehen sieht. Herr Bortnikow sitzt in seinem Büro, und daß er zu einem Interview mit dem Journalisten des staatlichen Fernsehens, Pawlo Sarubin, gekommen ist, war außergewöhnlich… Herr Bortnikow ist ein enger Vertrauter von Herrn Putin. Er ist seit 15 Jahren Chef des FSB. Und es ist undenkbar, daß er das, was er gestern gesagt hat, ohne die Zustimmung seines Chefs gesagt hat.
Was bedeutet das, und warum ist es bemerkenswert? Weil die Russen zwei Jahre nach der Sprengung der Nord-Stream-Pipelines, dem spektakulärsten Terrorakt gegen die zivile Infrastruktur auf der Welt seit 50 Jahren, nichts gesagt haben. Sie haben nicht mit dem Finger auf jemanden gezeigt. Es gab Andeutungen, daß die USA, Großbritannien und andere Länder beteiligt waren, aber nie einen direkten Vorwurf. Was wir gestern erlebt haben, war ein direkter Vorwurf.“ Und den habe Bortnikow sehr ruhig und gefaßt und mit Bedacht formuliert. „Wenn Sie sagen, daß die Russen… die Ukraine beschuldigen, dann geht das meiner Meinung nach am Kern der Sache vorbei: Die Russen beschuldigen die Vereinigten Staaten und Großbritannien. Und das bringt uns in eine Situation, die so kritisch ist wie in den schlimmsten Tagen der Kubakrise.“
alh