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Neue Solidarität
Nr. 12, 21. März 2024

„Es kann keine Lösung geben, wenn man einseitig Partei ergreift“

Helga Zepp-LaRouche, Gründerin des Schiller-Instituts und Initiatorin der Internationalen Friedenskoalition, eröffnete die 41. Sitzung der IPC am 15. März 2024 mit dem folgenden strategischen Überblick.

Zunächst möchte ich Sie alle begrüßen. Die Kriegsgefahr nimmt eindeutig nicht ab, und einer, der das am deutlichsten zum Ausdruck gebracht hat, war Papst Franziskus, der vor fast zwei Wochen die Ukrainer aufgefordert hat, die weiße Fahne zu hissen und den Mut zu haben, mit Rußland über eine Lösung zu verhandeln. Das löste einen unglaublichen Sturm der Entrüstung in den Mainstream-Medien aus, die dem Papst vorwarfen, zur Kapitulation aufzurufen, und die seine Worte auf verschiedene Weise verdrehten.

Als dann Kardinal Parolin, gewissermaßen der Außenminister des Vatikans, erklärte, was der Papst gesagt hatte, verdrehten die Mainstream-Medien das wieder und behaupteten, er korrigiere den Papst und der Vatikan mache einen Rückzieher. Das hat er überhaupt nicht getan. Kardinal Parolin hat sich nur anders ausgedrückt, als er sagte: die Gefahr, daß die Welt in einen tödlichen Atomkrieg abdrifte, sei real.

Ich glaube, genau damit haben wir es im Moment zu tun. Einer, der den Papst angegriffen hat, war Josep Borrell, der sogenannte Außenminister der Europäischen Union, der gesagt hat, der Papst habe einen Garten betreten, in den er nicht eingeladen war. Borrell hat diese merkwürdige Vorstellung von einem Garten. Für ihn ist Europa ein Garten und der Rest der Welt ein Dschungel, so daß nicht ganz klar ist, was er mit dieser Aussage meinte.

Eine sehr wichtige Entwicklung in diesem Zusammenhang, bei der wir wirklich kurz davor sind, die rote Linie zu überschreiten, und das Abdriften in einen Atomkrieg weiter voranschreiten könnte, ist der Einsatz des Taurus-Marschflugkörpers. Die Opposition in Deutschland hat wieder einmal versucht, darüber im Bundestag abstimmen zu lassen, was glücklicherweise scheiterte. Dies ist jedoch kein Grund zur Beruhigung, denn die Opposition wird sicherlich weitere Versuche unternehmen, und die Regierungskoalition selbst ist in dieser Frage völlig zerstritten.

Kremlsprecher Peskow griff die Art und Weise an, wie Washington das Interview verzerrt habe, das Putin am 13. März RIA Novosti gab, worin er sehr deutlich gemacht hatte, unter welchen Bedingungen Rußland Atomwaffen einsetzen würde. Laut Peskow behauptete Karine Jean-Pierre, die Pressesprecherin des Weißen Hauses, Putin habe sich einer rücksichtslosen Rhetorik bedient und mit dem Einsatz von Atomwaffen gedroht. Das hat er nicht getan, und Peskow hat das korrigiert: Putin habe die Gründe genannt, unter denen Rußland Atomwaffen einsetzen würde. Nämlich, wenn die Existenz Rußlands auf dem Spiel stehe und das Land bedroht werde, dann würde Rußland unter diesen Bedingungen, auch wenn es nur ein konventioneller Krieg wäre, auf Atomwaffen zurückgreifen.

Es ist eindeutig nicht Rußland, das diese Konfrontation vorantreibt, es sind die NATO und der Westen, die den Verstand verloren haben.

Natürlich hat die Sprecherin des Weißen Hauses eine weitere Aussage Putins völlig außer acht gelassen, nämlich, daß weder er noch sonst jemand in der russischen Führung zu irgendeinem Zeitpunkt den Einsatz von Atomwaffen in der Ukraine in Erwägung gezogen habe. Das liegt also noch in der Luft.

Von deutscher Seite wird im Moment auf die Bremse getreten. Heute [am 15. März] findet ein sehr wichtiges Treffen mit Macron, Scholz und dem polnischen [Premierminister] Tusk statt. Ich weiß noch nicht, was dabei herausgekommen ist, aber Macron drängt weiterhin auf einen möglichen Einsatz von NATO-Truppen in der Ukraine, was Scholz zum Glück bisher ablehnt. Aber das alles hängt an einem seidenen Faden, denn sollte es in Berlin zu einer Regierungskrise kommen und die Opposition an die Macht kommen, gäbe es noch mehr Kriegsfalken, die nichts lieber täten, als die Taurus-Marschflugkörper einzusetzen. Die Lage bleibt also äußerst fragil.

Südwestasien

Die andere große Krise, die in Südwestasien, ist ebenfalls äußerst instabil. Die jüngste Entwicklung ist eindeutig: Senator Chuck Schumer hat kürzlich den Rücktritt Netanjahus und Neuwahlen in Israel gefordert. Er warf Netanjahu vor, der israelischen Sicherheit nicht zu dienen, indem er Israel zu einem Pariastaat mache.

Das ist interessant, denn Schumer hat in der Vergangenheit nie ein Wort gegen Israel gesagt. Das könnte eine Reaktion auf das sein, was Netanjahu am 12. März beim AIPAC-Treffen [American Israel Public Affairs Committee] gesagt hat, nämlich daß es keine Alternative zum totalen Sieg gebe, d.h. daß der Kampf weitergehen müsse, bis das letzte Hamas-Mitglied eliminiert sei. Das bleibt abzuwarten.

Aber all diese Entwicklungen haben schon jetzt eine fast unüberbrückbare Kluft zwischen den Ländern des globalen Südens und dem sogenannten kollektiven Westen geschaffen. Das konnte man bei einer gemeinsamen Pressekonferenz von Bundeskanzler Scholz und dem malaysischen Premierminister Anwar Ibrahim in Berlin sehen, als Scholz seine übliche Position wiederholte, daß sich die deutsche Politik gegenüber Israel nicht geändert habe. Israel habe ein Recht auf Selbstverteidigung; humanitäre Hilfe, Freilassung der Geiseln, eine Zweistaatenlösung. Aber im Grunde genommen hat er nichts von Bedeutung gesagt.

Daraufhin sagte Premierminister Anwar – und das gibt Ihnen einen Eindruck davon, wie der Rest der Welt das wahrnimmt: „Man kann keine Lösung finden, indem man sich so einseitig verhält, indem man nur auf ein bestimmtes Thema schaut und 60 Jahre Greueltaten einfach beiseite wischt… Was ist mit den Siedlungen, mit dem Verhalten der Siedler? … Geht es darum nicht? Wo ist unsere Menschlichkeit? … Ja, wir wollen, daß die Rechte von jedem einzelnen Menschen anerkannt werden, egal, ob es ein Muslim, ein Jude oder ein Christ ist. Da bin ich ganz klar. Aber ich kann natürlich nicht akzeptieren, daß man das Thema nur auf einen Fall konzentriert, auf ein Opfer, und die Tausende Opfer seit 1947 einfach beiseite läßt… Man kann das Narrativ nicht so einseitig sehen.”

Wenn ein Premierminister einen Bundeskanzler faktisch des Rassismus bezichtigt ("Ist das so, weil sie Farbige sind?”), zeigt das, warum es keine Lösung geben kann, wenn man einseitig ist. Wenn man eine diplomatische Lösung fordert, heißt das nicht, daß die eine oder die andere Seite Recht hat, sondern es heißt nur, daß man nicht akzeptiert, daß die Fortsetzung des Tötens zu einer Katastrophe für uns alle führen wird.

Wir, die Internationale Friedenskoalition und das Schiller-Institut, wollen noch einen Schritt weiter gehen. Wir glauben, daß nur eine Änderung der zugrundeliegenden Axiome, des Paradigmas, das die Menschen dazu bringt, immer wieder sogenannte geopolitische Lösungen anzubieten, zu einem völlig anderen Ansatz führen kann, wie wir ihn mit dem Oasen-Plan für Südwestasien vorschlagen. Dieses Wirtschaftsentwicklungsprogramm sollte alle Länder Südwestasiens umfassen, nicht nur Israel und Palästina, sondern auch Irak, Afghanistan, Syrien, Jemen und all die Länder, die durch die endlosen Kriege zerstört wurden. Sie alle müssen wieder aufgebaut werden. Und es muß eine gemeinsame Plattform gefunden werden, damit alle eine Zukunft haben und sich auf ein gemeinsames Ziel beziehen können, das den Weg aus der gegenwärtigen Misere weist.

Ich habe aber auch gute Nachrichten. Der Botschafter der Palästinensischen Autonomiebehörde in Dänemark, S.E. Botschafter Prof. Dr. Manuel Hassassian – ein Diplomat mit einer langen und ausgezeichneten akademischen Laufbahn, auch in den Vereinigten Staaten - hat dem Schiller-Institut ein hervorragendes Interview gegeben, in dem er den Oasen-Plan voll und ganz unterstützt.1 Ich denke, wir sollten dieses Interview auch nutzen, um mehr Menschen zur Teilnahme an unserer Konferenz am 13. April zu bewegen.

Es gibt noch viele andere hoffnungsvolle Anzeichen dafür, daß die Idee des Oasen-Plans bei den Menschen sehr gut ankommt. Ich denke also, obwohl wir der immer größer werdenden Gefahr nicht weniger Aufmerksamkeit schenken sollten, daß es Hoffnung gibt, daß wir die Situation umkehren können, wenn wir entschlossen handeln. Das wollte ich sagen.


Anmerkung

1. Interview with Palestinian Authority Ambassador to Denmark, H.E. Ambassador Prof. Dr. Manuel Hassassian,
who supports the Oasis Plan, Youtube (Englisch), 13.03.2024.