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Von Ray McGovern
Ray McGovern war leitender Analyst der U.S. Central Intelligence Agency und ist Gründungsmitglied der Veteran Intelligence Professionals for Sanity (VIPS).
Ich bin sehr froh, bei Ihnen zu sein. Der Titel meines kleinen Vortrags, „Erkenne, wo du stehst, und bleibe dort stehen“, stammt aus einer Ansprache meines Freundes, Lehrers und Mentors, Pater Dan Berrigan. Eigentlich stammt er nicht aus der Ansprache, sondern er ist die Summe und das Fazit dieser Ansprache. Er wurde von einer sehr angesehenen Universität gebeten, zu kommen und die Rede bei einer Abschlußfeier zu halten; das war vor etwa vier Jahrzehnten. Er kam, stellte sich hin und sagte diese Worte: „Erkenne, wo du stehst, und bleibe dort stehen“. Und dann ging er wieder sehr höflich und setzte sich zu den Zuhörern.
Das ist alles, was ihr wirklich wissen müßt, Leute. Ihr müßt wissen, wo ihr steht, und dort stehen bleiben.
Manchmal sind wir ein wenig beunruhigt. Gewaltlosigkeit ist gut, aber manchmal, wenn wir andere zur Rede stellen und sie mit sehr viel Wut reagieren, sind auch wir in Versuchung, zornig und wütend zu werden. Nicht nur über ihre Reaktion, sondern allgemein über das weitverbreitete Unrecht auf der Welt.
Deshalb möchte ich uns alle ermutigen, uns daran zu erinnern, daß Zorn eine Tugend ist. Kein anderer als Thomas von Aquin hat das gesagt. Er sagte: „Zorn ist eine Tugend, aber man darf nicht zuviel davon haben.“ Er warnte vor zu viel Zorn – iracundia –, das ist das lateinische Wort für ständige Wut. Aber er warnte auch vor „unvernünftiger Geduld“ – das ist das Beste, was wir aus dem Lateinischen herausholen konnten. Er sagte: „Unvernünftige Geduld sät die Saat des Lasters, nährt die Nachlässigkeit und ermutigt gute Menschen, schlechte Menschen oder schlechtes Handeln von Menschen zu tolerieren. Ich glaube nicht, daß es wirklich schlechte Menschen gibt.“
Wir müssen also herausfinden, wie wir handeln können; wie wir gewaltfrei und mit der richtigen Dosis der Tugend des Zorns handeln können.
Ich bin nicht der beste Vertreter dessen, was José Vega und andere heute „Interventionen“ nennen – Interventionen, Einmischungen im Sinne dieses Wortes. Die Leute in Washington sind ziemlich verrückt. Aber ich werde Ihnen einige persönliche Beispiele dafür zeigen, wie ich versucht habe, aufzustehen und das zu tun, was Dan Berrigan vorgeschlagen hat.
Dieses Bild ist ein Foto von mir, wie ich aufstehe und Hillary Clinton den Rücken zuwende, Sie können sie an meiner linken Schulter sehen. Sie sprach über die Unterdrückung im Iran, und es genügt zu sagen, daß ich selbst stark unterdrückt wurde, nur weil ich aufgestanden bin, ohne ein Wort zu sagen, wieder gewaltlos, aber zornig. Ich wurde ziemlich übel zusammengeschlagen, aber ich mußte nicht einmal die Nacht im Gefängnis verbringen. Ich konnte nach Hause gehen. Vorher mußte ich ins Krankenhaus, und interessanterweise sagte der Arzt: „Man hat sie zusammengeschlagen. Das müssen Sie den Behörden melden.“ Ich sagte: „Wem, dem Sicherheitsdienst des Außenministeriums? Die haben es getan!“
Das nächste Bild, bitte (Abbildung 1). Hier hatte ich nicht so viel Glück; ich mußte die Nacht im Gefängnis verbringen. Aber das ist in Ordnung; im Gefängnis passieren gute Dinge. Man bekommt zu spüren, wie sich andere Menschen fühlen, wenn sie eingesperrt und unfrei sind – was kann man daraus lernen?
Das Foto wurde aufgenommen, nachdem ich beim Geheimdienst-Ausschuß des Senats interveniert hatte, bevor der vor fünf oder sechs Jahren die Nominierung der Chef-Folterin Gina Haspel zur neuen CIA-Direktorin genehmigte.
Was hat mich dazu bewogen? Einfach die Perversion dieser ganzen Angelegenheit! Hallo!
Was macht man in so einer Situation? Nun, wie Sie sehen können, als erstes mischt man sich unauffällig unter das Publikum, um reinzukommen. Man zieht seinen besten Hochzeitsanzug an, den ich hatte. Zweitens: Man hält sich von den bekannten Störern fern, zum Beispiel von Code Pink. Man läßt sie in ihrer Ecke sitzen und geht getrennt. Drittens: Man hofft, daß einer dieser Code-Pink-Leute eine Kamera hat – und tatsächlich, einer hatte eine. Daher kommt dieses Bild, nachdem sie mich aus dem Anhörungssaal geholt hatten.
Und dann noch etwas, daran habe ich gerade heute gedacht. Die Leute haben mich gefragt: „Was ist das für ein grünes Band, das du da trägst, Ray?“ Lassen Sie mich die Aufschrift vorlesen: „Rachel Corrie, 10. April 1979 – 16. März 2003.“ (Abbildung 2)
Es genügt zu sagen, daß, als die 23-jährige Rachel Corrie sich gegen israelische Bulldozer stellte, die wieder ein palästinensisches Haus mehr abreißen wollten, dieser israelische Bulldozer angewiesen wird, rückwärts über Rachel zu fahren, damit ganz sicher ihr Rücken gebrochen wird. Drei Tage vor dem Angriff auf den Irak, damit es nicht in die Schlagzeilen kommt. Nun, wenn Rachel Corrie das kann, McGovern, dann kannst du das auch. Immerhin wirst du nicht von einem israelischen Bulldozer überrollt, jedenfalls noch nicht.
Wir Katholiken sprechen hier von einem Sakrament; etwas, das Sie an ein Ereignis der Gnade oder eine Sache der Gnade oder eine Person der Gnade wie Rachel Corrie erinnert. Ihr Vater hat mir dieses Armband drei Monate nach ihrer Ermordung geschenkt.
Ich möchte auch vorschlagen, daß diejenigen von Ihnen, die an einer Aktion interessiert sind, zu allen Vorträgen von Denkfabriken gehen, so wie José Vega, der damit angefangen hat.
Hier ist noch eine Aktion, die ich Ihnen gerne zeigen möchte. Es gibt einen kleinen Ausschnitt von einer Veranstaltung in der alten Denkfabrik von John Podesta und Hillary Clinton. Solange ich in Washington wohnte, ging ich zu allen diesen Veranstaltungen. Manchmal konnte ich Fragen stellen, auch wenn sie nie willkommen waren. Diesmal erkannten sie mich und ließen mich keine Frage stellen. Aber ich blieb in der Nähe; man könnte sagen: „Trotzdem blieb ich hartnäckig.“ Ich ging also zu Adam Schiff, dem damaligen Vorsitzenden des Geheimdienstausschusses des Repräsentantenhauses, und fragte ihn nach dem „russischen Hackerangriff“, der inzwischen eindeutig widerlegt ist. Können wir diesen zweiminütigen Clip zeigen? Wer jetzt einschläft, der verpaßt das Beste.
[Video:] McGovern: Mein Name ist Ray McGovern. Ich habe bei der CIA unter sieben Präsidenten und neun Direktoren gedient.
Adam Schiff: Ich danke Ihnen vielmals.
McGovern: Wir haben eine kleine Alumni-Gruppe namens Veteran Intelligence Professionals for Sanity. Wir verfolgen dieses Thema sehr genau. Eines unserer Mitglieder ist der ehemalige Technische Direktor der NSA. Es hat mich interessiert, als der Präsident vor einer Woche sagte – ich möchte ihn nicht falsch zitieren: „Die Schlußfolgerungen des Geheimdienstausschusses zum russischen Hacking waren in Bezug auf WikiLeaks nicht schlüssig.“ Mit anderen Worten, das angebliche russische Hacking und WikiLeaks sind ganz weit weg voneinander. Der Geheimdienst-Ausschuß weiß nicht, wie oder ob diese Informationen, sofern sie überhaupt existieren, zu WikiLeaks gelangt sind. Sie aber behaupten, daß Rußland das getan hat. Wissen Sie mehr als Obama?
Schiff: Nun, ich würde nie behaupten, daß ich mehr weiß als Obama. Ich denke, er ist ein brillanter Mann.
McGovern: Das ist eine sehr ernste Frage.
Schiff: Es ist eine ernste Frage. Ich habe volles Vertrauen in die Geheimdienst-Informationen über die russischen Hacker, die sowohl den DNC als auch John Podesta gehackt haben…
McGovern: James Clapper ist ein verurteilter...
Schiff: Wollen Sie die Antwort hören? Obwohl ich nicht auf die geheimen Informationen eingehen kann, habe ich volles Vertrauen, daß die Russen WikiLeaks benutzt haben. Ob Julian Assange ein wissender Teilnehmer war oder, wie die Russen sagen, ein nützlicher Idiot, das werden wir hoffentlich herausfinden. Aber ich habe keine Zweifel an den Schlußfolgerungen des Geheimdienstausschusses.
McGovern: Sie haben volles Vertrauen, aber keine Beweise, ist das richtig?
Schiff: Nein, ich kann Ihnen die Beweise nicht mitteilen.
McGovern: Das ist Quatsch. [Ende des Videos.]
McGovern (live): Nun, ich muß jetzt nach all den Jahren zugeben, daß Schiff wenigstens in einem Punkt die Wahrheit gesagt hat. Das war, daß er mir diese Information nicht mitteilen konnte – denn sie existierten nicht.
Was ist die Lehre daraus? Ich möchte einfach jeden ermutigen: Gehen Sie zu solchen Treffen, gehen Sie zu diesen Denkfabriken, und bleiben Sie hartnäckig. Ich wußte nicht, daß die Kamera noch an war, ich wußte nicht, daß bei C-Span noch der Ton lief. Aber ich habe es getan, und ich bin froh darüber, denn das wurde aufgezeichnet.
Und was noch? Ich werde zum Abschluß ein Gedicht meines Mentors Dan Berrigan vorlesen, mit dessen Zitat wir diesen kleinen Vortrag begonnen haben. Es heißt „Einige“ (Some). Ich will Ihnen nicht den Spaß verderben, und es ist nicht sehr lang, aber ich möchte ein bestimmtes Foto als Hintergrund haben (Abbildung 3).
Einige
Sie sehen hier einen kleinen Jungen, zwei Jahre alt, so alt wie das jüngste unserer zehn Enkelkinder. Er versuchte, der Unterdrückung und dem Krieg in Syrien zu entkommen, er war kurdischer Herkunft. Die Stiefkinder aller Kriege. Und es genügt zu sagen, daß er mit seinem großen Bruder und seiner Mutter ertrank, als er versuchte, nach Griechenland zu gelangen. Sein Name ist Alan Kurdi.
„Wegen der Kinder, sagten sie.“ Deshalb müssen wir trotz allem weitermachen, wegen der Kinder. Wir müssen auch moralische Führung suchen; aber ohne eine moralische Führung liegt es an uns. Da ist sonst niemand. Wir können appellieren. Ich habe zum Beispiel an Papst Franziskus appelliert, und das ist auf dem größten religiösen Sender von Katholiken erschienen, man kann es auf meiner Website raymcgovern.com sehen. Aber wir können nicht warten; wir können nicht auf eine Stimme aus dem Vatikan warten. Wir müssen selbst tun, was wir können.
Deshalb freue ich mich über jede Schiller-Konferenz, zu der ich eingeladen werde, und über die Gelegenheit, an ihr teilzunehmen. Ich applaudiere uns allen und ganz besonders Helga dafür, daß sie zu diesem kritischen Zeitpunkt eine moralische Führungsrolle übernommen hat. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.