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Neue Solidarität
Nr. 8-9, 23. Februar 2023

Wir sind im Kriegsmodus

Von Wolfgang Bittner

Der Schriftsteller und Publizist Dr. jur. Wolfgang Bittner hielt in der Internetkonferenz am 4. Februar den folgenden Vortrag.

Als Joseph Biden 2014 davon sprach, Wladimir Putin müsse die Souveränität der Ukraine respektieren, sonst werde sich Rußland zunehmenden Konsequenzen gegenübersehen, war der von den USA lange vorbereitete Staatsstreich in Kiew – unter Mißachtung der Souveränität der Ukraine – bereits vollzogen, und der Bürgerkrieg in der Ostukraine hatte begonnen. Kurz darauf nötigte US-Präsident Barack Obama die führenden europäischen Politiker, Rußland mit harten Sanktionen zu belegen.

Das war der Beginn einer gewollten Auseinandersetzung, in die Deutschland und die Europäische Union mehr und mehr hineingezogen wurden. Lange vergessen ist das Kooperationsangebot des russischen Präsidenten Wladimir Putin von 2001, als er in seiner denkwürdigen Rede im Deutschen Bundestag für einen gemeinsamen Wirtschaftsraum von Wladiwostok bis Lissabon warb. Die USA haben das verhindert. Sie haben die Ukraine nach dem von ihnen initiierten Putsch auf kaltem Wege übernommen und vor der Haustür Rußlands einen Brandherd gelegt, den sie immer wieder anheizten.

Das Minsker Abkommen wurde von Kiew ignoriert, die berechtigten Forderungen Rußlands nach Sicherheitsgarantien blieben unbeantwortet und Mitte Februar 2022 eskalierten die Angriffe auf die Volksrepubliken Donezk und Luhansk. Daraufhin marschierten am 24. Februar 2022 russische Truppen in die Ukraine ein. Die Folge war ein Aufschrei des sogenannten Wertewestens mit einer gigantischen Kriegspropaganda, begleitet von umfangreichen Waffenlieferungen an die Ukraine. Die USA und die NATO begannen, mit Hilfe der instrumentalisierten Ukraine, einen verdeckten Krieg gegen Rußland zu führen.

Inzwischen zeigt die Weltuntergangsuhr 90 Sekunden vor Mitternacht. Dennoch folgen devote, ideologisierte Politiker in der Europäischen Union den Vorgaben aus Washington zum Nachteil ihrer Länder. Sowohl Deutschland als angebliche europäische Führungsmacht als auch die EU mit der aufgrund von Manipulationen an die Macht gekommenen Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen tragen zur Verschärfung der Lage bei und überschreiten damit ständig ihre Befugnisse, indem sie ihren primären Auftrag, Frieden und Sicherheit zu bewahren, verraten. Um es noch deutlicher zu sagen: Die deutsche Regierung und die EU-Kommission mißbrauchen ihr Mandat.

Der russische Präsident Wladimir Putin hatte den Westen mehrmals davor gewarnt, die Ukraine mit Offensivwaffen auszurüsten, und Verhandlungen angeboten. Seine Erklärungen, Moskau sei trotz der westlichen Aggressionspolitik an einer Kooperation mit allen ausländischen Partnern interessiert, wurden als Propaganda abgetan. Auch die Bemühungen des russischen Außenministers Sergej Lawrow, der vor einer hochgefährlichen Ausweitung des Ukraine-Krieges gewarnt hatte, liefen ins Leere. Lawrow hatte schon vor Wochen von einem hybriden Krieg gegen Rußland gesprochen, der das Ziel habe, das Land zu ruinieren und einen politischen Umsturz herbeizuführen.

Festzustellen ist, daß die von den USA geführte westliche Allianz beabsichtigt, Rußland mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu besiegen. Was sich in dieser Konstellation zwischen Deutschland und Rußland angebahnt hat, ist eine Tragödie und eine Jahrhundertkatastrophe.

Besonders tragisch ist, daß sich Deutschland zum dritten Mal gegen Rußland in Stellung bringen läßt. Das war im ersten und zweiten Weltkrieg so und ist auch jetzt wieder der Fall. Durch die bedingungslose Kapitulation 1945 geriet Deutschland vollkommen in die Hand der USA, die seit über einem Jahrhundert eine Langzeitstrategie verfolgen, die vor allem der Verhinderung einer Kooperation zwischen Deutschland und Rußland als einer wirtschaftlichen und militärischen Konkurrenz dient.

Jetzt wird Deutschland als Speerspitze gegen Rußland eingesetzt, Japan und Südkorea stehen gegen China. Die USA wollen mit aller Macht ihren durch nichts begründeten Anspruch auf globale Herrschaft durchsetzen, selbst wenn es dabei zum großen Krieg kommt.

Diese Hybris geht von den Neokonservativen in Washington mit den dortigen Finanz- und Wirtschaftseliten und ihrer Gallionsfigur Joseph Biden aus, der fast alle Konflikte und Kriege der letzten Jahrzehnte mitzuverantworten hat. Er ist es auch, der Deutschland zur bedingungslosen Unterstützung der Ukraine verpflichtet, zur Teilnahme an einem Abnutzungskrieg, von dem die USA wirtschaftlich außerordentlich profitieren.

Eine nochmalige Zuspitzung in den Beziehungen Rußlands mit den Westalliierten ist nach einer bestürzenden Aussage der ehemaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel eingetreten. In einem Interview sagte sie im Dezember 2022, das Minsker Abkommen von 2014 sei vom Westen geschlossen worden, um der Ukraine Zeit zu geben, stärker zu werden. Der französische Präsident Macron und der ukrainische Ex-Präsident Poroschenko haben das bestätigt. Demnach war Krieg mit Rußland von vornherein die Absicht, die der Westen in und mit der Ukraine verfolgt hat. Was da zutage tritt, ist eine Ungeheuerlichkeit: Die Regierungen von Deutschland, Frankreich, der Ukraine und den USA haben in den Jahren vor dem russischen Einmarsch doppeltes Spiel getrieben, das heißt intrigiert, gelogen und Kriegsvorbereitungen getroffen.

Der russische Präsident Wladimir Putin zeigte sich tief enttäuscht. Er beklagte einen Mangel an Ehrlichkeit und stellte sich die Frage, ob es überhaupt noch jemanden gebe, mit dem man sich einigen könne und welche Garantien es dann gebe. Nach diesen Enthüllungen sei das Vertrauen fast auf dem Nullpunkt, aber – so fügte er hinzu – letztlich müsse eine Einigung erzielt werden und Rußland sei dazu bereit und offen.

Anstatt darauf einzugehen, fand ein regelrechtes Kesseltreiben auf die Berliner Regierung statt, Leopard-Kampfpanzer, also schwere Offensivwaffen, an die Ukraine zu liefern, was nun geschehen ist. Jetzt fordert der ukrainische Machthaber Wolodymyr Selenskyj Kampfflugzeuge und Langstreckenraketen.

Daß die Lieferung solcher Waffen die Situation in der Ukraine nur verschärfen kann, hat sich in den vergangenen Wochen bewiesen. Je mehr der Westen liefert, desto länger wird diese Auseinandersetzung dauern. Die Ukraine geht dabei zugrunde, aber auch Deutschland, das ständig Waffen schickt und Milliarden an Kiew zahlt, wird ruiniert.

Daß ein großer Teil der deutschen Bevölkerung Frieden mit Rußland will, wird von der eigenen Regierung aufgrund des Drucks aus Washington und einiger Vasallenstaaten mißachtet. Selenskyj kann die deutsche Regierung beleidigen und beschimpfen, doch Olaf Scholz und Außenministerin Annalena Baerbock versichern ihm weiterhin ihre unbegrenzte Unterstützung. Viele fragen sich, wie die Berliner Politiker dazu kommen, solche Versprechungen abzugeben, und warum Deutschland der Ukraine überhaupt irgendetwas schulden sollte.

Einen Paradigmenwechsel in der Einschätzung des Ukrainekrieges auf westlicher Seite leitete kürzlich der Vorsitzende des Vereinigten Generalstabs der Streitkräfte der USA, General Mark Milley, ein, als er in einem Interview in der New York Times – entgegen der Politik Joseph Bidens – zu Verhandlungen mit Rußland aufrief. Offenbar fürchten hohe Militärs in den USA und Europa inzwischen die Inkompetenz von Politikern wie Biden, Austin, Selenskyj oder Baerbock und melden sich allmählich zu Wort.

Das ficht US-Präsident Joseph Biden offenbar nicht an. Er wähnt sich am Ziel seiner jahrzehntelangen Bemühungen, Rußland zu ruinieren und den westlichen Begehrlichkeiten wie auch den strategischen Interessen zu unterwerfen. Aber das wird die russische Regierung verhindern. Rußland wird nichts übrigbleiben, als sich in dieser Auseinandersetzung, trotz der immensen Waffenlieferungen der westlichen Allianz, durchzusetzen. Etwas anderes ist gar nicht möglich. Rußland ist eine Atommacht und wird eine Niederlage, die mit einer Zerstückelung des Landes einherginge, niemals zulassen.

Abgesehen von der akuten atomaren Bedrohung sind die Folgen der von den USA provozierten Auseinandersetzung gravierend. Rußland hat schon länger damit begonnen, sich vom Westen abzukoppeln, neue Wege mit neuen Partnern zu gehen und sich gegen die Aggressionspolitik der USA zur Wehr zu setzen. Damit ist Rußland nicht allein. Mehr als die Hälfte der Menschheit will sich die Zumutungen und die Unterdrückung durch die USA nicht mehr gefallen lassen.

Zu registrieren ist, daß die BRICS-Organisation und die Shanghai-Kooperative (SCO) immer mehr Zulauf erhalten. Gearbeitet wird an einem anderen als dem westlichen, von den USA dominierten Wirtschafts- und Finanzsystem. Unter anderem ist die Herrschaft des Dollar als Weltleitwährung infrage gestellt, was allerdings weitere, hochgefährliche Auseinandersetzungen nach sich zieht. Denn die USA werden sich nicht ohne Gegenwehr in den Bankrott treiben lassen. Sie verfügen über die größte Militärmacht der Welt, und das ist bei allem zu berücksichtigen, was künftig in den Bemühungen um eine friedlichere Welt unternommen wird. Zurzeit stehen sich zwei Atommächte in einem Stellvertreterkrieg gegenüber, der jede Minute ausufern kann.