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Neue Solidarität
Nr. 41, 12. Oktober 2023

Die Win-Win-Politik der BRICS und die Rolle von Asien, Afrika und Argentinien

Von Jacques Cheminade

Jacques Cheminade ist Vorsitzender der Partei Solidarité et Progrès und ehemaliger französischer Präsidentschaftskandidat. Im zweiten Abschnitt der Internetkonferenz des Schiller-Instituts am 9.9.2023 sagte er folgendes. (Übersetzung aus dem Englische4n, Zwischenüberschriften wurden von der Redaktion hinzugefügt.)

In einem Interview mit dem Press Trust of India sagte Narendra Modi kürzlich:

Er betonte auch, daß der Erfolg der Mondsonde Chandrayaan 3 nicht nur ein Erfolg für Indien, sondern für ganze gesamte Menschheit ist.

Ich gehe von dieser sehr optimistischen menschlichen, wirtschaftlichen und sozialen Sichtweise aus, als ein Beispiel für den Geist der BRICS, der selbst vom Geist der Bewegung der Blockfreien von Bandung inspiriert ist, aber jetzt viel weiter geht, als ein säkularer, tausendjähriger Prozeß des Wandels. Wenn wir an die Fortschritte denken, die in den letzten 30 Jahren insbesondere in China und Indien gemacht wurden – zwei Ländern, deren Politik mit dem von Lyndon LaRouche entwickelten Konzept der physischen Ökonomie übereinstimmt –, dann können wir prognostizieren, daß ein solcher Fortschritt unaufhaltsam ist, weil er von so vielen geteilt wird. Das ist unaufhaltsam, außer wenn ein Weltkrieg die Menschheit auslöscht, denn die BRICS baut ihr eigenes Wirtschaftssystem auf, das die Entwicklung aller ermöglicht.

Werfen wir einen Blick auf die bisherige Bilanz, die sich ständig beschleunigt:

Um die Bedeutung der Erweiterung um die sechs neuen Mitglieder, die die neuen BRICS plus bilden, zu verstehen, müssen wir uns ein besseres Bild von diesem Prozeß machen. Zunächst einmal sind drei erdölproduzierende Länder beigetreten: Iran, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate. Sie werden der Neuen Entwicklungsbank (NDB) unter der Leitung von Dilma Rousseff, einer ehemaligen revolutionären Kämpferin, brasilianischen Präsidentin und engen Verbündeten des heutigen Präsidenten Lula, eine wichtige Stütze sein. Dann haben wir Ägypten, mit seiner wichtigen historischen Verbindung zwischen Südwestasien und Afrika und mit dem ersten afrikanischen Atomkraftwerk mit drei Reaktoren in El-Dabaa. Dann Äthiopien mit seinem Zugang zu ganz Ostafrika über die von China gebaute Eisenbahnlinie Dschibuti-Addis Abeba und deren Verlängerung vom Roten Meer zum Indischen Ozean. Dann Argentinien, um Brasilien im Rahmen der iberoamerikanischen Union zu unterstützen.

Eine sehr gut durchdachte Kombination, die sich auf die ganze Welt erstreckt.

Äthiopien und Argentinien

Betrachten wir nun näher die Lage in Afrika und in Argentinien. Äthiopien gilt im Westen als hoffnungsloser Fall, mit einem ethnischen Krieg im eigenen Land und einem „unlösbaren“ historischen Krieg mit Eritrea in der Region. Durch die chinesische Vermittlung und die Einbindung in die BRICS wurde die Hoffnung auf eine integrative, verbindende Zukunft wiederhergestellt. Die Erklärung des eritreischen Präsidenten Isaias Afwerki auf dem jüngsten Rußland-Afrika-Gipfel in St. Petersburg zeugt von der Entschlossenheit zur gemeinsamen Entwicklung und Zusammenarbeit. Ich bin davon überzeugt, daß die Situation der ehemaligen französischen Kolonien in Westafrika in einem ähnlichen Rahmen und mit einer ähnlichen Geisteshaltung gelöst werden kann – in einem panafrikanischen Kontext und natürlich durch ein Umdenken und anderes Handeln in Frankreich selbst, weg vom Tal der ahnungslosen Kolonisten.

Betrachten wir nun die Rolle Argentiniens. Lyndon LaRouche hatte 1982 in seiner „Operation Juarez“ auf Wunsch von Präsident Lopez Portillo eine Entwicklungsplattform für ganz Iberoamerika, ausgehend von Mexiko, definiert. Seine Politik, die damals von den Vereinten Nationen als „Schuldenbombe“ bezeichnet wurde, entgleiste unter dem Druck der US-Banken und dem von den Briten angezettelten Malwinenkrieg. Heute sind es dieselben Kräfte, die die argentinische Regierung strangulieren, sowohl von außen, durch die Schulden des IWF, als auch von innen, durch die Förderung von Präsidentschaftskandidaten des korrupten Liberalismus der Marke Bolsonaro oder Selenskyj.

Dennis Small hat uns gerade das „Notprogramm zur Rettung Argentiniens, dem neuesten Mitglied der BRICS“ des Schiller-Instituts vorgestellt, das von Operation Juarez inspiriert ist (vgl. Neue Solidarität 39/2023). Da ich selbst in Argentinien geboren bin, möchte ich an dieser Stelle betonen, daß dies nicht etwas altes, wiederaufgewärmtes ist. Allein die Tatsache, daß Argentinien in die BRICS aufgenommen wurde, ändert die Spielregeln völlig, vorausgesetzt, wir mobilisieren unsere Kräfte für die Sache der nationalen Souveränität und der Würde des Landes. Wir befinden uns nicht im Jahr 1982, sondern im Jahr 2023.

Außer den Vereinigten Staaten und Rußland haben nur zwei weitere Länder erfolgreich einen Rover auf dem Mond gelandet: China und jetzt Indien. Trotz der Kompetenz ihrer Wissenschaftler ist die Europäische Raumfahrtbehörde gescheitert, und zwar wegen des gierigen Egoismus der „vereinigten“ europäischen Politiker. China hat bei seinem ersten Versuch einen Rover auf dem Mars abgesetzt, nachdem es ihm nicht nur gelungen ist, 900 Millionen Menschen aus der extremen Armut zu befreien, sondern auch eine durchschnittliche Lebenserwartung erreicht hat, die höher ist als die in den Vereinigten Staaten. Argentinien kann sein Dilemma nicht allein lösen, aber als Teil der neuen Weltordnung, die von den BRICS definiert wird, kann es sich aus dem zerstörerischen finanziellen Griff befreien.

Aussichten für die BRICS

Lassen Sie mich nun drei wichtige Punkte ansprechen.

Erstens behauptet der „globale Norden“, daß die BRICS keine Einheit sind, daß China und Indien Grenzkonflikte haben und einander nicht trauen. Bei dem G20-Gipfel, der an diesem Wochenende stattfindet, kommentieren die westlichen Medien und Politiker die Tatsache, daß Putin und Xi Jinping unter Modis Präsidentschaft nicht teilnehmen werden. Was China und Indien betrifft, so haben sie – wenn man sich anschaut, was Modi und Xi Jinping sagen, und nicht, was die westlichen Medien verbreiten – ein gemeinsames Interesse an ihrer jeweiligen Entwicklung. Keine einheitliche, formale Allianz, sondern eine Interessen- und Kooperationsgemeinschaft sowie eine gemeinsame absolute Ablehnung der kolonialen und neokolonialen imperialen Ordnung.

Wie Sergej Glasjew, der russische Minister für Integration und Makroökonomie der Eurasischen Wirtschaftsunion, bemerkte, sind die beiden hocherfolgreichen Länder der letzten Zeit, Indien und China, beide den wirtschaftlichen Konzepten von Lyndon LaRouche gefolgt. Was sie also gemeinsam haben, nämlich die menschliche und materielle Entwicklung, geht über den Bereich der konfrontativen Geopolitik hinaus.

Die drei von Chinas Präsident Xi Jinping definierten Globalen Initiativen – Sicherheit, Entwicklung und Zivilisation – bilden die Grundlage für eine Zusammenarbeit ohne Gleichmacherei für alle BRICS-Länder. Was die Abwesenheit von Xi Jinping beim G20-Gipfel betrifft, so kann man dies aus zwei verschiedenen Blickwinkeln betrachten. Aus guten Gründen könnte Beijing ein Treffen mit Joe Biden, einem handlungsunfähigen und feindseligen Präsidenten, für verfrüht halten und dabei auch die Abwesenheit Putins berücksichtigen. Xi Jinping mag der Ansicht sein, daß es wichtigere Treffen gibt, an denen er teilnehmen kann.

Ich muß jedoch hinzufügen, daß die nächsten beiden Präsidentschaften der G20 Brasilien im Jahr 2024 und Südafrika im Jahr 2025 sind. So viel zum Anspruch des Globalen Nordens, „zu teilen und herrschen“, abgesehen von der Tatsache, daß Rußland inzwischen sehr enge Beziehungen sowohl zu China als auch zu Indien unterhält. Noch wichtiger ist die Tatsache, daß die offene und undiplomatische Forderung des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, nach Johannesburg eingeladen zu werden, rundheraus abgelehnt wurde.

Handel ohne den Dollar

Zweitens: Eine ganze Reihe von politischen und wirtschaftlichen Experten, darunter Sergej Glasjew, untersuchen und prüfen, wie der Handel in nationalen Währungen abgewickelt werden kann. Ein Großteil des Handels findet bereits in chinesischen Renminbis, aber auch in russischen Rubeln und indischen Rupien statt.

Das ist ein Prozeß der Entdollarisierung, der natürlich noch begrenzt, aber nichtsdestotrotz bedeutsam ist. Umso mehr, als die Neue Entwicklungsbank bereits Renminbi-Anleihen zur Finanzierung von Infrastruktur und nachhaltiger Entwicklung in den Mitgliedsländern der Bank ausgibt.

Dieser Prozeß wird sich beschleunigen, da die verschiedenen Länder des Globalen Südens erkannt haben, daß ihre Dollar-Guthaben „eingefroren“ werden könnten, wie es mit den 9 Milliarden Dollar Reserven Afghanistans und den über 300 Milliarden Dollar Reserven Rußlands geschehen ist. Der Bumerang-Effekt der westlichen Sanktionen hat eine neue Welt von Ländern geschaffen, die versuchen, mit ihren eigenen Währungen anstelle des US-Dollars zu handeln.

Das Ziel dieses ersten Schrittes ist es, ein paralleles System zu schaffen, und nicht, den Dollar sofort zu ersetzen, was einen systemischen Zusammenbruch der Weltwirtschaft zur Folge hätte. Der Punkt ist, daß die schrittweise Zunahme von Handelsabkommen zwischen anderen nationalen Währungen die Grundlage für einen zweiten Schritt schaffen wird.

Es wird viel über eine neue Handelswährung diskutiert, die an einen Währungsindex der teilnehmenden Länder gekoppelt ist, oder über eine neue Rechnungseinheit, die auf einem Währungskorb basiert, der an den Wert strategischer neuer Rohstoffe gebunden ist. Wladimir Putin erklärte anläßlich des 14. BRICS-Gipfels: „Wir prüfen die Möglichkeit, eine internationale Reservewährung auf der Grundlage des BRICS-Währungskorbs zu schaffen.“

Das Problem bei diesem Ansatz ist erstens, daß er immer noch in einem monetaristischen Universum stattfindet und zweitens, daß er die Welt in zwei Blöcke teilen würde, die zwangsläufig dazu verdammt sind, miteinander zu konkurrieren und in einen geopolitischen Kriegszustand zu verfallen. Außerdem ist ein geldbasiertes System von Natur aus anfällig für spekulative Angriffe, wie es 1992 der Fall war, als das Pfund Sterling und die italienische Lira von dem berüchtigten George Soros destabilisiert wurden. Ein Währungssystem vom Typ des ECU ist dazu verdammt, sich selbst in den Schwanz zu beißen.

Der neue Ausgangspunkt sollte nicht das Geld an sich sein, sondern die schöpferische Kraft der Menschen. Energie ist ein erster Ansatzpunkt als Quelle der wirtschaftlichen Stärke, aber wie LaRouche 1979 in einer Rede mit dem Titel „Der Mythos der Gleichgewichtsökonomie“ sagte, geht es um etwas Tieferes:

Geld sollte daher der Diener unserer geistigen schöpferischen Fähigkeiten sein, die sich in der kontinuierlichen Dynamik der nichtlinearen Entwicklung neuer physikalischer Prinzipien ausdrücken, deren technische Anwendungen die Bedingungen für eine wachsende Tragfähigkeit des Universums für die Menschheit schaffen.

Jedes Land sollte daher seine eigene Währung behalten, die seine nationale Souveränität zum Ausdruck bringt, und gleichzeitig braucht es im Austausch mit den Währungen anderer Länder eine Gemeinsamkeit, die mit der menschlichen Fähigkeit zur Verbesserung des Universums zusammenhängt: eine Übereinkunft zur Lösung der Probleme von Überschüssen und Defiziten unter Bezugnahme auf einen Korb strategischer Materialien, die für die wirtschaftliche Wertschöpfung benötigt werden. Dabei geht es nicht um die Bestandteile des Warenkorbs an sich, sondern um die potentielle menschliche Schöpferkraft statt um bloße Geldkonten.

Die Lösung für den „Norden“

Dies muß gesagt werden, um zu unserem dritten Punkt zu gelangen: den Vereinigten Staaten und Europa. Beide sollten sich bereit erklären, in den Prozeß integriert zu werden, an dem die BRICS – der Globale Süden – beteiligt sind. Das ist unser Aufruf an den Globalen Norden: Es gibt reichlich Raum für Zusammenarbeit und für Durchbrüche bei gemeinsamen Unternehmungen, sei es im Weltraum oder auf der Erde. LaRouche drückte es unverblümt aus: „Man kann das Problem nicht lösen, indem man die Vereinigten Staaten ausschaltet... Daher besteht die Lösung meines Erachtens darin, die Haltung der Vereinigten Staaten, der Regierung der Vereinigten Staaten, zu ändern.“ Und das gleiche gilt für Westeuropa.

Um das Dilemma zu lösen, müssen wir heute, wie LaRouche in den frühen 80er und sogar schon in den 70er Jahren sagte, China, Indien, Rußland und die Vereinigten Staaten zusammenbringen – die vier Länder, die es geschafft haben, einen Rover auf dem Mond zu landen –, um genug Macht zu schaffen, um die zerstörerischen Axiome der Anglosphäre zu überwinden. Ohne das wird es nicht funktionieren.

Es geht darum, ein Niveau der Wahrhaftigkeit zu erreichen, das tatsächlich das Prinzip des „Vorteils des anderen“ repräsentiert. Das Prinzip der menschlichen Unsterblichkeit ist nicht individuell physisch, wie einige transhumanistische Dummköpfe glauben, sondern ein Menschheitsprozeß, der sich über die Jahrhunderte hinweg manifestiert, die Einheit der Menschheit, die sich in verschiedenen Formen ausdrückt. Für uns, die wir in der jüdisch-christlichen Tradition stehen, ist das Naturrecht eine Übereinstimmung des Menschen mit den Gesetzen des Kosmos, so wie in der indischen vedischen Tradition oder wie das Mandat des Himmels im konfuzianischen und vorkonfuzianischen China – unsere gemeinsame Geschichte der von den Fesseln der körperlichen und geistigen Sklaverei befreiten Menschheit.

Diese Konferenz des Schiller-Instituts ist ein Treffen der Köpfe, um für die Menschheit eine Zukunft zu schaffen, überall auf der Welt, in jedem unserer Länder und in jedem eigenen Kopf, indem wir den Fortschritt des anderen mit der edelsten Freude begrüßen und jeden schändlichen Neid ablehnen.

Sich dieser Herausforderung in Frankreich und Argentinien zu stellen – zwei Länder, die nach dem Zweiten Weltkrieg zu den Opfern gehörten und sich selbst zum Opfer machten, weil sie sich feige den Feinden der Souveränität unterworfen haben –, ist eine große Aufgabe, die wir innerhalb der BRICS und auch in Frankreich angehen müssen, indem wir uns von unserer freien französischen Tradition und der Tradition der Befreier Amerikas inspirieren lassen. In unseren beiden Ländern geht es bergab: Mehr als 40% der Argentinier leben unter der Armutsgrenze und 35% der Franzosen können sich keine drei Mahlzeiten am Tag leisten. Wir sind im Schlachtfeld mittendrin. Angesichts der Epidemien von Währungsabwertungen und kolonialen Wahnvorstellungen haben wir keine Ausrede mehr: Wir dürfen nicht länger ignorieren, daß das Geld ein Idiot ist und seine Knechte Kriminelle sind!