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Buchbesprechung. Oskar Lafontaine: „Ami, it's time to go: Plädoyer für die Selbstbehauptung Europas“, Westend Verlag, 2022.
Oskar Lafontaines Buch, „Ami, it's time to go: Plädoyer für die Selbstbehauptung Europas“, ist ein leidenschaftlicher Friedensappell und ein wohltuendes Gegenstück zur primitiven Kriegspropaganda, die von Regierung und Medien befeuert wird. Es wendet sich an alle kritischen Bürger in Deutschland, deren geschichtliches Verständnis etwas weiter zurückreicht als bis zum 24. Februar 2022.
Erst wenn man bereit ist, die zurückliegende jüngste Geschichte der letzten sieben Jahrzehnte zu betrachten, wird man verstehen können, warum unser Bundeskanzler sich am 7. Februar 2022 bei der Pressekonferenz in Washington wie ein armer Untertan verhalten hat. Einzelheiten zu diesem über lange Zeit entstandenen Souveränitätsverlust, der dann schließlich in der Bombardierung von der Nord-Stream-Pipelines seinen vorläufigen Höhepunkt fand, sind in dem Buch gut dokumentiert.
Die jüngsten weltweiten Veränderungen, die überall mit dem neuen Begriff der „Zeitenwende“ bezeichnet werden, erforderten wegen ihrer immensen Bedeutung, so Lafontaine, eine intensive öffentliche Debatte:
„Man wird keinen Frieden finden, wenn man sich nicht die Wahrheit vor Augen führt. Es ist eine Tatsache, daß die mächtigste Militärmacht der Welt selbige beherrschen will, aber viele Länder sind damit nicht mehr einverstanden. Immer mehr Staaten wollen den Anspruch der USA, die einzige Weltmacht zu sein, nicht länger akzeptieren. Dies ist die neue Situation, in der wir uns befinden und zu der wir uns als Bundesrepublik Deutschland nun verhalten müssen. Es wäre dringend notwendig, daß eine freie, öffentliche Debatte darüber stattfindet, ob diese Analyse richtig ist und wenn ja, welche Konsequenzen wir daraus ziehen müssen. Unser Ziel muß es doch sein, den Frieden in Europa wieder herzustellen...“
Und weiter auf S.38: „Es geht bei der Suche nach dem Weg zum Frieden nicht darum, die Guten und die Bösen auseinanderzuhalten. Es geht darum, Strukturen zu erkennen, die zum Frieden oder zum Krieg führen.“
Welche politischen Strukturen dienen dem Frieden und welche führen zum Krieg? Eine ausführliche Diskussion um diese essentiellen Fragen könnte tatsächlich dazu beitragen, das politische Niveau in Deutschland wieder deutlich anzuheben. Leider wird dieser Gedankengang nur so weit ausgeführt, als er sich auf die Pläne des sogenannten militärisch-industriellen Komplexes bezieht, vor dem bereits der ehemalige Präsident Eisenhower bei seiner Verabschiedung warnte. Aber deren Absichten zur weltweiten Vorherrschaft ruhten auf zwei weiteren Säulen, die der Autor nicht weiter erwähnt: Der neoliberalen Herrschaft über alle Finanzmärkte und der malthusianischen Begrenzung jedweden Entwicklungswillens außerhalb des Westens.
Besonders die Ideologie von den „Grenzen des Wachstums“ wurde neben der ungezügelten Geldgier zum Wesensmerkmal unserer politischen Dummheit und der erneuten Neigung zum Krieg. Es entspricht deshalb ganz gesetzmäßig diesen Strukturen, daß Liberale und Grüne sich heute als die größten Kriegstreiber präsentieren.
Der Ausweg? Lafontaine erinnert an das Europa-Modell von Charles de Gaulle, Willy Brand, Dohnanyi und Genscher. „Deshalb plädiere ich noch einmal für einen deutsch-französischen Bund und für ein gemeinsames Verteidigungsbündnis zwischen Deutschland und Frankreich... Ich glaube, daß wir dafür auch auf das europäische Erbe zurückgreifen müssen, auf das Erbe unsere Kultur. Hier im Plenarsaal hängt immer noch ein Kreuz, das Symbol der christlichen Religion. Der Kernsatz dieser Religion, auf die wir uns so oft beziehen, heißt: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“ (S.54)
Eine wahre Herausforderung im medialen Kriegsgeheul.
Andrea Andromidas