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Neue Solidarität
Nr. 4, 26. Januar 2023

Warum ist Deutschland in der Hand der Kriegstreiber?

Von Helga Zepp-LaRouche

Die Vorsitzende des Schiller-Instituts hielt in der Konferenz am 14. Januar den folgenden Vortrag.

Wenn wir den Gedenktag für Martin Luther King begehen, ist es wichtig, über die Frage nachzudenken, ob seine Methode der Gewaltlosigkeit heute noch relevant ist, in einem Moment, in dem die Welt eindeutig der Gefahr eines Atomkriegs gegenübersteht. Als Nehru gefragt wurde, ob diese Methode angesichts von Atomwaffen noch gültig sei, sagte er: „Auf jeden Fall! Es gibt keine schlimmere Gewalt als die von Atomwaffen.“

Die Frage, die man sich stellen muß, ist, warum z.B. die deutsche Regierung völlig in der Hand der Kriegstreiber zu sein scheint, die die Eskalation mit Rußland und – hoffentlich nicht so bald – mit China vorantreiben. Aber es gibt einige, die das auch wollen. Was tun sie da? Es ist so sehr gegen das deutsche Eigeninteresse!

Im Zusammenhang mit dem bisher Gesagten denke ich, daß das, was vor etwas mehr als 30 Jahren passiert ist, der wichtigste Hinweis darauf ist, warum das deutsche wirtschaftliche und politische System im Moment nicht funktioniert und warum wir keine Führung in der Regierung haben, die Deutschlands Eigeninteresse wahrt. Man muß in die späten 1970er Jahre zurückblicken, als es innerhalb von weniger als einem Jahr, von April 1977 bis März 1978, eine ganze Welle von Anschlägen in Europa gab. Viele davon in Deutschland wurden von der sogenannten Roten Armee Fraktion oder Baader-Meinhof-Bande verübt.

Was diese Leute taten, indem sie führende Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft ermordeten, wurde von Experten als „Strategie der Spannung“ bezeichnet. Diese Strategie der Spannung, so kann man auch sagen, zielte darauf ab, der Führung der Gesellschaft so viel Angst einzujagen, daß sie sich auf keinen Fall auf den Aufbau eines Wirtschaftssystems einlassen würde, das in irgendeiner Weise anders wäre als das der Londoner City und Wall Street.

Wenn man sich diese Anschläge anschaut, und es waren viele, dann waren ihr Charakter und die dabei angewandten Methoden so – wie Analysten damals schon klar war –, daß sie ohne Beteiligung von Geheimdiensten nicht möglich waren.

Um nur ein paar Beispiele zu nennen: Am 7. April 1977 wurde Generalbundesanwalt Siegfried Buback in Karlsruhe von dieser RAF, der Roten Armee Fraktion, ermordet. Am 30. April 1977 wurde Jürgen Ponto, der Chef der Dresdner Bank, in der Nähe seines Hauses auf grausame Weise getötet. Ich habe das persönlich aus der Nähe erlebt, weil ich damals mit Dr. Richebächer, dem wichtigsten Assistenten oder Mitarbeiter von Dr. Ponto, über ein Treffen zwischen Ponto und meinem seither verstorbenen Mann Lyndon LaRouche verhandelte. Das hatte natürlich enorme Auswirkungen auf unser Leben, wenn jemand aus dem eigenen Umfeld ermordet wird, dann hat das eine ganz besondere Wirkung. Dann, am 16. März 1978, wurde Aldo Moro, der Vorsitzende der Christdemokraten in Italien, entführt und ermordet. Es gab noch viele andere – Schleyer und Buback, viele andere, auf die ich jetzt nicht eingehen will.

Am 30. November 1989, etwa ein Jahrzehnt später, wurde Alfred Herrhausen, der damalige Chef der Deutschen Bank, in Bad Homburg in der Nähe seines Hauses ermordet. Dann kam noch der Mord am Chef der Treuhand, Rohwedder, am 21. April 1991.

Man betrachte sich nun heutigen Ereignisse: Wenn man bedenkt, daß ein enormer Druck unter den verantwortlichen Leuten besteht, die Beziehungen zwischen Deutschland und Rußland für immer zu kappen und ein Sanktionsregime durchzusetzen, um die Nord-Stream-Pipeline zu sabotieren; wenn man den kürzlich ausgebrochenen Skandal bedenkt, bei dem sich herausstellte, daß Merkel und Hollande in Bezug auf ihre Absichten bezüglich des Minsk-Prozesses gelogen haben; wenn man das Bestreben sieht, Europa vollständig von Rußland und China abzukoppeln – dann muß man auf die Zeit der Ermordung von Menschen wie Herrhausen und Rohwedder zurückblicken, um zu verstehen, warum das möglich ist.

Der gemeinsame Nenner der Mordanschläge

Oberst Fletcher Prouty, der berühmte Mister X in dem Film JFK, gab kurz nach Herrhausens Ermordung der italienischen Zeitung l‘Unità ein Interview. Darin sagte er, daß der gemeinsame Nenner aller Attentate dieser Zeit, darunter die Attentate auf Kennedy und auf Enrico Mattei, darin bestand, daß sie sich nicht der bestehenden Weltordnung unterwarfen, die von einer kleinen Machtelite beherrscht wurde und wird. Prouty sagte – das hat er uns selbst gesagt, wir waren mit ihm in Kontakt –, daß Herrhausens Ermordung für Deutschland und sogar für die Welt ebenso bedeutsam war wie die von Kennedy, wenn man bedenkt, daß die Welt damals (im November 1989) kurz vor dem Zusammenbruch der Sowjetunion stand. Osteuropa befand sich in einem gewaltigen Umbruch, und in Deutschland stand die Möglichkeit der Wiedervereinigung im Raum, die ein Ziel in der gesamten Geschichte der Nachkriegszeit gewesen war.

Prouty erzählte uns, daß seiner Meinung nach der Schlüssel zum Herrhausen-Attentat eine Rede war, die er eine Woche später in New York vor dem American Council on Germany halten sollte. Er hatte geplant, eine Vision zur Neugestaltung der Ost-West-Beziehungen vorzustellen, die den Entwicklungen nach 1989 eine dramatisch andere Richtung gegeben hätte.

Wir kennen den Text der Rede, die er in New York halten wollte, nicht genau, aber wir haben einen Hinweis darauf, in welche Richtung sie gegangen wäre, denn er war damals der einzige Bankier – genau genommen die einzige führende Persönlichkeit –, die die Idee hatte, daß Polen, das damals im Rahmen des Comecon enorme wirtschaftliche Schwierigkeiten hatte, mit deutscher Hilfe aufgebaut werden sollte, mit der Methode der Kreditanstalt für Wiederaufbau, einer staatlichen Bank, die nach dem Vorbild von Roosevelts Reconstruction Finance Corporation maßgeblich am Wiederaufbau Deutschlands in der Nachkriegszeit beteiligt war. Auf diese Weise trug sie maßgeblich zum deutschen Wirtschaftswunder bei.

Lyndon LaRouche, mein verstorbener Mann, hatte bereits 1988 vorausgesagt, daß die deutsche Wiedervereinigung bald kommen würde und daß Berlin die Hauptstadt sein würde. Das war ein Jahr, bevor alles passierte. Und schon damals hatte er in absolut visionärer Weise vorgeschlagen, das wiedervereinigte Deutschland solle Polen mit der Methode der physischen Wirtschaft und der modernen Wissenschaft und Technologie entwickeln, und dieser Aufbau solle zum Modell für die anderen Comecon-Staaten werden.

Das wäre natürlich ein völlig anderer Ansatz für die wirtschaftlichen Schwierigkeiten gewesen, die dann schließlich zum Zusammenbruch der Sowjetunion führten.

Herrhausen hatte eine ähnliche Vorstellung. Wir haben uns nie mit Herrhausen persönlich beraten; ich weiß nicht, ob er Lyns Theorien kannte oder nicht, aber er dachte in die gleiche Richtung. Herrhausen berichtete auch schon 1987 in einer Sitzung mit dem Präsidium der Deutschen Bank, wie tief beeindruckt er von seinem Gespräch mit dem mexikanischen Präsidenten Miguel de la Madrid war, mit dem er die Schuldenkrise in den Entwicklungsländern besprach, die sehr akut geworden war. Herrhausen sagte, in dieser Situation dürfe man darüber nicht mehr schweigen und man müsse über einen teilweisen Schuldenerlaß nachdenken.

In verschiedenen Büchern und sogar in einer Fernsehsendung wird berichtet, daß er einen Sturm der Ablehnung bei seinen Kollegen erntete. Es gibt eine Sendung des Fernsehsenders Arte über Herrhausen, die am 18. November 2002 ausgestrahlt wurde. Darin wird berichtet, daß ein mit Herrhausen eng befreundeter katholischer Priester sagte, Herrhausen habe ihm gesagt, er könne nicht länger ein System decken, in dem einige wenige gigantische Profite machen und ein großer Teil der Menschheit leidet. Dieses System sei auf Dauer nicht tragbar, und deshalb sei er für einen Schuldenerlaß.

Das war nun offenbar die Todsünde, die ihn das Leben kosten würde. Am 28. November, etwas mehr als zwei Wochen nach dem Fall der Berliner Mauer, veröffentlichte Helmut Kohl sein berühmtes Zehn-Punkte-Programm, einen Vorschlag für eine Konföderation der beiden deutschen Staaten. Darin war noch nicht von der Wiedervereinigung die Rede, sondern von einer Konföderation. Das war wahrscheinlich der einzige kleine Schritt, den ein deutscher Bundeskanzler je in der Nachkriegsgeschichte in Richtung Souveränität machte, denn er verkündete dieses Programm, ohne es mit seinem Koalitionspartner Genscher oder mit den Alliierten zu besprechen.

Zwei Tage später, am 30. November, wurde Herrhausen, der wohl beste und engste Berater Helmut Kohls, ermordet. Unter führenden Schichten in Deutschland hat man das damals allgemein als Botschaft verstanden: „Wagt es nicht, in Richtung einer souveränen deutschen Politik zu gehen.“ Einige Tage später wurde Kohl bei einem EU-Treffen in Straßburg wegen dieses Zehn-Punkte-Programms angegriffen. Kohl berichtete später, dieses Treffen in Straßburg seien die schwärzesten Stunden seines Lebens gewesen.

Danach wurde Deutschland gezwungen, dem Diktat der Finanzoligarchie zu folgen, den Euro zu akzeptieren, die D-Mark aufzugeben und sich dem Maastrichter Diktat zu unterwerfen, das im Grunde die Idee war, Deutschland in die supranationale Struktur der EU-Kommission einzubinden. Und damit war die einmalige Chance, die die deutsche Einheit bot, dahin.

Die Chance von 1989

Damals gab es die Chance, eine Friedensordnung zu schaffen, denn als die Sowjetunion zusammenbrach, gab es keinen Feind mehr. Man hätte die Welt neu ordnen können, man hätte Rußland in die NATO integrieren können, was Rußland sogar irgendwann vorgeschlagen hat. Man hätte eine neue Sicherheitsarchitektur schaffen können, die die Grundlage für Frieden gewesen wäre.

Wir als LaRouche-Bewegung schlugen damals zuerst das Produktive Dreieck vor: die Idee, den Wirtschaftsraum zwischen Paris, Berlin und Wien zu integrieren. Als die Sowjetunion 1991 zusammenbrach, haben wir dieses Programm zur Eurasischen Landbrücke erweitert, woraus dann viele Jahre später die Neue Seidenstraße wurde, und heute ist es die Gürtel- und Straßen-Initiative.

Das hätte schon 1991 die Grundlage für eine neue Friedensordnung sein können, aber das war nicht im Sinne der Machthaber. Erinnern Sie sich an Margaret Thatcher, die Deutschland damals das „Vierte Reich“ nannte. Kohl war natürlich kein neuer Hitler, das war völlig absurd. Aber sie mochte die deutsche Wiedervereinigung nicht. Von Mitterrands Berater Jacques Attali wissen wir, daß Mitterrand Deutschland angeblich sogar mit Krieg gedroht hat, wenn es den Euro nicht annehmen würde.

Was war das für ein Spiel? Sie wollten mit allen Mitteln verhindern, daß ein souveränes, vereinigtes Deutschland eine Partnerschaft mit Rußland eingeht. Es gab 1991 eine Studie der CIA, die besagte, daß die russischen Wissenschaftler und die russischen Arbeitskräfte besser ausgebildet waren als die der Vereinigten Staaten. Rußland verfüge über mehr Rohstoffe, und deshalb müsse Rußlands Wirtschaftsentwicklung unterdrückt werden, sonst entstünde auf den Weltmärkten ein Konkurrent, der nicht einzudämmen wäre.

Sie führten dann die Schocktherapie ein, die zwischen 1991 und 1994 Rußlands Industriekapazität auf nur noch 30% reduzierte. Der russische Wirtschaftswissenschaftler Sergei Glasjew hat über diese Zeit ein Buch geschrieben, das er Genozid nannte und das wir damals veröffentlicht haben. Es sollte auf jeden Fall verhindert werden, daß sich das wissenschaftlich-technische Potential der deutschen Industrie mit dem Potential Rußlands verbündet.

Das war der Grund, warum Herrhausen umgebracht wurde, und kurz danach auch Rohwedder, ein sehr berühmter und anständiger Industrieller in der Tradition des rheinischen Kapitalismus. Er war Chef der Treuhand, der Organisation, die die Staatsbetriebe der DDR, die im Sozialismus in öffentlicher Hand waren, privatisieren sollte. Er sollte sie privatisieren, aber ihm wurde klar, daß die sozialen Folgen der rücksichtslosen Privatisierung, die vorgeschlagen wurde, absolut inakzeptabel waren. Er sagte, nein, so machen wir das nicht, und er prägte den berühmten Slogan „sanieren vor privatisieren“, um es sozialverträglich zu machen.

Er und auch Herrhausen wurden von der Phantom-RAF umgebracht, der „dritten Generation“ der Roten Armee Fraktion, die niemand je gesehen hat. Es gab sogar Fernsehsendungen im Ersten Deutschen Fernsehen, in denen es hieß, es sei zweifelhaft, ob sie jemals existiert hat. Es kann sehr gut sein, daß sie nur eine Fiktion der Geheimdienste war, um Leute unter dieser Tarnung zu ermorden.

Nachdem Rohwedder ermordet worden war, übernahm Birgit Breuel, die Tochter eines Bankiers, die Treuhand und setzte rücksichtslos auf die Privatisierung der volkseigenen Betriebe. Die Auswirkungen auf die Menschen in Ostdeutschland sind bis heute spürbar: Viele von ihnen – ich habe mit einigen gesprochen – hatten das Gefühl, daß ihnen ihr ganzes Leben gestohlen wurde; ihre Identität des DDR-Lebens, in dem sie jahrzehntelang aufgewachsen waren, wurde gestohlen. Es gibt mehrere Organisationen, die den 3. Oktober, den nationalen Feiertag der deutschen Wiedervereinigung, nicht akzeptieren.

Herrhausen hatte am 28. November, dem Tag, an dem Kohl das Zehn-Punkte-Programm verkündete, vor dem Präsidium seiner Bank erklärt, er wolle sich für eine tiefgreifende Umstrukturierung des Finanzsystems einsetzen, um die Schuldenkrise der Dritten Welt zu beheben. In Büchern und auch von seiner Frau wird berichtet, daß der spätere Chef der Deutschen Bank Rolf Breuer und die anderen Kollegen des Präsidiums seine Ideen völlig ablehnten. Frau Herrhausen berichtet, daß ihr Mann an diesem Abend völlig deprimiert nach Hause kam, und am Morgen vor dem Attentat sagte Herrhausen: „Ich weiß nicht, ob ich das überleben werde.“ Etwa eine Stunde später wurde er ermordet.

Herrschaft der Angst

Diese Mordserie veränderte das politische Leben in Deutschland grundlegend, und seitdem herrscht die Angst. Und heute herrscht in Deutschland ein Klima, in dem man sich nicht traut, von der offiziellen Linie abzuweichen. Im Moment hat Deutschland jegliche Souveränität verloren. Deutschland befindet sich im Moment völlig im Griff der NATO und verfolgt eine Politik, die meiner Meinung nach die Gefahr einer Eskalation bis hin zu einem Atomkrieg birgt.

Der Grund, warum wir an diese Zeit zurückdenken müssen – und auch daran, was Franklin Roosevelt sagte, daß wir „nichts zu fürchten haben außer der Furcht selbst“ – ist der, daß wir uns gerade am Rande eines Atomkriegs befinden. Andererseits können wir auch kurz vor einer völlig neuen Weltwirtschaftsordnung stehen, denn viele Länder des Globalen Südens verfolgen schon eine Politik in der Tradition von Mahatma Gandhi, der Bewegung der Blockfreien, von Martin Luther King, der Gewaltlosigkeit und der Win-Win-Zusammenarbeit zwischen souveränen Staaten.

Ich denke, wenn wir das Andenken an Menschen wie Mahatma Gandhi ehren wollen, der ebenfalls ermordet wurde, an Menschen, die für eine neue Weltwirtschaftsordnung gekämpft haben, um die Armut in den Entwicklungsländern zu beseitigen, wie es Herrhausen vorhatte, und mein verstorbener Mann, der sicherlich zu seinen Lebzeiten der prominenteste Kämpfer dafür war –, dann sollten wir die Lehren daraus ziehen und alles tun, was wir können, um eine gerechte, neue Weltwirtschaftsordnung zu schaffen.