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Von Alain Corvez
Oberst a.D. Alain Corvez ist Berater für internationale Angelegenheiten und ehemaliger Berater des französischen Innenministeriums.
Präambel
Mit der Einladung der anderen G7-Länder (Deutschland, Frankreich, Italien, Kanada, Vereinigtes Königreich und Vereinigte Staaten) in die Märtyrerstadt Hiroshima vom 19. bis 21. Mai 2023 wollte Japan die Aufmerksamkeit der Welt auf die nukleare Bedrohung lenken, die durch den Krieg in der Ukraine noch verschärft wurde. Diese historische Initiative folgte auf den ehrgeizigen Plan zur nuklearen Abrüstung, den Japan auf der Konferenz zur Überprüfung des Atomwaffensperrvertrags (NVV) im August 2022 vorgestellt hatte. Aber die schließlich von der G7 verabschiedete Erklärung zur Nichtverbreitung von Kernwaffen und zur nuklearen Abrüstung enthält keine neuen Initiativen, sondern bekräftigt lediglich abgedroschene Dogmen.
Allerdings bekräftigt sie die von den fünf NVV-Atomwaffenstaaten im Januar 2022 abgegebene Erklärung, daß „ein Atomkrieg nicht gewonnen werden kann und niemals geführt werden darf“.
Alles in allem hat der Gipfel ein endloses Kommuniqué hervorgebracht, das die übliche Heuchelei der von den USA angeführten westlichen Mächte illustriert, die zwar Friedenserklärungen abgeben, aber Kriege entfesseln, um Länder zu zerstören, die sich ihren Vorstellungen nicht unterwerfen.
Heute will dieser Westen auf dem Territorium der unglücklichen Ukraine Rußland zerstören oder demontieren und damit eine enge Zusammenarbeit zwischen Westeuropa und seinem großen europäischen und asiatischen Nachbarn verhindern, in der die Amerikaner eine Bedrohung ihrer Vorherrschaft auf dem Kontinent sehen. Wie Youssef Hindi in seinem jüngsten Buch erklärt, erreicht die tragische Blindheit der Europäer, die sich weigern, „Amerikas Krieg gegen Europa“ zu sehen, ein unerhörtes Ausmaß an Heuchelei und sogar Absurdität.
Rußland hatte wiederholt darauf hingewiesen, daß es nicht länger mit der ständigen Bedrohung durch strategische US-Atomraketen leben könne, die nur wenige Kilometer von seinen Grenzen entfernt stationiert sind, und daß es Maßnahmen ergreifen werde, um diese Situation zu ändern. In den Jahren 2020 und 2021 vervielfachte Rußland seine Vorschläge an den Westen, diese Bedrohung zu beseitigen, und als es keine Antwort erhielt, schlug es schließlich im Dezember 2021, als seine Geduld am Ende war, den Vereinigten Staaten und der NATO den Entwurf eines strategischen Vertrags vor, in dem sich beide Seiten verpflichten würden, die jeweils andere Seite nicht mit strategischen Atomwaffen zu bedrohen, die in einem Nachbarland installiert sind. (Eine Anspielung auf die Kubakrise von 1962 zwischen Kennedy und Chruschtschow.)
Wieder erhielt Rußland keine Antwort, und es kündigte am 20. Januar 2022 an, daß es technisch-militärische Maßnahmen ergreifen müsse, um die Bedrohung zu beseitigen, über die die NATO nicht zu diskutieren bereit sei.
Das ist es, was Rußland in der Ukraine tut, wo die Vereinigten Staaten und ihre blinden Verbündeten einer mächtigen Atommacht gegenüberstehen, die sich auf diese Konfrontation vorbereitet hat und vor Ort zeigt, daß der Westen nicht siegen kann, selbst auf Kosten der „letzten Ukrainer“, die zu Tausenden auf dem Schlachtfeld dezimiert werden. Die Weigerung der Amerikaner, diese Realität anzuerkennen, ist wirklich unrecht, denn sie führen dort mörderische Operationen durch und sabotieren alle Versuche einer Verhandlungslösung des Konflikts, die von der Türkei, Israel, China und Afrika vorgeschlagen wurden.
Die Eskalation der Waffenlieferungen läßt vermuten, daß die Vereinigten Staaten, die diesen makabren Tanz anführen, damit nicht vor den US-Wahlen 2024 aufhören werden, was uns näher an die nukleare Schwelle bringt, wo sie nur noch aus Angst vor der Zerstörung ihres Landes und des restlichen Planeten aufhören können.
Die tragische Konfrontation findet weit weg vom amerikanischen Kontinent statt, wo sie sich sicher fühlen, und bisher wurden nur ein paar Söldner getötet. Man könnte meinen, daß das Überschreiten der atomaren Schwelle nur den europäischen Kontinent betreffen würde. Aber das ist nicht der Fall. Diese tödliche Waffe führt ebenso wie ihr physischer Prozeß faktisch zu einer Spirale der Zerstörungskraft, die nicht mehr umkehrbar ist.
Es hat eine Reihe von Initiativen gegeben, um den Konflikt zu beenden, indem die Aufnahme von Verhandlungen vorgeschlagen wurde – darunter der Vorschlag von Helga Zepp-LaRouche, den Vatikan als unparteiischen Vermittler zu unterstützen. Die spirituelle Autorität des Papstes in der Welt kann die Nationen der Welt dazu bringen, sich auf einen Ansatz zu einigen, der darauf abzielt, in diesen Konflikt, der global geworden ist, etwas Menschlichkeit zu bringen. Diese Initiative ist ebenso ungehört verhallt wie diejenige Chinas oder jüngst diejenige der Afrikaner, die vom südafrikanischen Präsidenten vorgestellt wurde. Denn die Vereinigten Staaten verfolgen ihren verrückten Traum, die Welt weiterhin zu beherrschen und den Dollar als Weltwährung zu erhalten.
Die Welt organisiert sich jedoch zunehmend, um eine neue Geometrie der Machtbeziehungen aufzubauen, wie eine internationale Konferenz in Teheran am 10. und 11. Mai gezeigt hat, an der Vertreter aus über 40 Ländern teilnahmen. Die multipolare Welt, die sich herausbildet, respektiert die nationale Souveränität der Staaten und kann eine freie Zusammenarbeit zwischen ihnen aufbauen, jenseits jeglicher Blockideologie, was sie nicht daran hindert, Vereinbarungen zu treffen, die auf gegenseitigen Interessen beruhen, wie die
In diesen Organisationen behalten die Nationen ihre volle Souveränität, im Gegensatz zur Europäischen Union, die zu einer Organisation geworden ist, die von Brüssel aus von nicht gewählten Technokraten gelenkt wird und vom Willen der Bevölkerung abgekoppelt ist.
Der größte Teil der Welt, gemessen an der Fläche, der Bevölkerung und den Energieressourcen, organisiert sich gegen die westliche Führung der Welt.
In dieser tektonischen Bewegung zur Neugestaltung der Welt könnte Europa eine herausragende Rolle spielen, aber es schließt sich selbst aus, indem es sich freiwillig dem Imperium der Vereinigten Staaten unterwirft, wie es der französische Schriftsteller Etienne de La Boétie in seinem „Diskurs über die freiwillige Knechtschaft“ aus dem 16. Jahrhundert beschreibt. Als Wiege einer der größten Zivilisationen der Welt wurde Europa aufgrund seiner christlichen Grundlagen zu einem Leuchtturm der Spiritualität, der philosophischen Aufklärung, der Wissenschaft und der Technologie. Malraux erklärte, daß diese Zivilisation, „die größte, die die Menschheit je gekannt hat, auf christlicher Transzendenz aufgebaut war“, sich nun aber in materialistischer Technologie aufgelöst hat.
Dazu müssen die Nationen ihre Souveränität zurückgewinnen, die der einzige legitime Ausdruck des Willens ihrer Völker ist, das Fundament, auf dem sie im Laufe der Jahrhunderte aufgebaut wurden, angeführt von inspirierten und emblematischen Führern, die sie zum Erfolg geführt haben. Diese souveränen Staaten könnten sich dann organisieren, um mit ihrem riesigen östlichen Nachbarn, der so reich an Ressourcen ist, zusammenzuarbeiten, was ihnen auch eine Öffnung gegenüber Asien und insbesondere China bieten würde.
Aber die geopolitische Logik ist nicht das Vorrecht der Europäischen Union, die von den Vereinigten Staaten künstlich geschaffen wurde, um zunächst ein antisowjetisches und dann ein antirussisches Glacis auf dem Kontinent zu sein, dessen erklärtes Ziel es ist, die Nationen in ein seelenloses technokratisches Ganzes aufzulösen. Sie kann nicht der Akteur dieses Aufschwungs sein, im Gegenteil, sie ist sein eigentliches Hindernis. Der US-Dollar und der Materialismus eroberten die vom Zweiten Weltkrieg verwüsteten Westeuropäer, die in den Vereinigten Staaten den Meister der Weltfreiheit und des wirtschaftlichen Wohlstands sahen, unter dessen Vormundschaft sie sich gerne stellten, und nach dem Zusammenbruch des sowjetischen Kommunismus übte er auf „die Länder Osteuropas“ die gleiche Faszination aus.
Jetzt hat die falsche amerikanische Kultur mit ihren sozialen Perversionen, die die Familie, das kulturelle Fundament der Gesellschaft, zerstören, den gesamten Kontinent erobert.
Die Bemühungen von Präsident Macron, eine Wende herbeizuführen, wie kürzlich in Beijing, sind zwar lobenswert, aber zum Scheitern verurteilt. Die europäischen Nationen müssen das Wesen ihrer Souveränität wiederentdecken, die sie nicht daran hindert, sich auf Projekte von gemeinsamem Interesse zu einigen – ganz im Gegenteil.
Es liegt im Interesse der europäischen Nationen und speziell Frankreichs, sich mit den großen Nationen der Welt auf der Grundlage gegenseitiger Interessen abzustimmen und zusammenzuarbeiten, angefangen mit Rußland, dessen Energieressourcen für Europa unverzichtbar sind, und mit China, das zur Werkstatt der Welt geworden ist und eine wirtschaftliche und handelspolitische Zusammenarbeit anbietet, die vernünftig abgewogen werden muß. Europa sollte sich den Vereinigten Staaten nicht in dem Krieg anschließen, den die USA gegen China planen, einem Krieg, der nicht der unsere ist und der unseren Interessen schaden würde.
Gerade Frankreich hat wichtige Interessen im indopazifischen Raum, und wir müssen mit China über eine gerechte Verteilung unserer Einflüsse verhandeln und sogar an gemeinsamen Projekten in der Region arbeiten. China ist dazu bereit, aber nicht die EU. Deshalb hat Präsident Xi Jinping Präsident Macron eingeladen und Ursula van der Leyen, deren Anwesenheit er neben dem französischen Präsidenten hatte akzeptieren müssen, mit traditioneller chinesischer Finesse und Delikatesse gezeigt, daß er nicht an der EU interessiert ist.
Dank unserer zahlreichen Hochseeterritorien und der damit verbundenen Ausschließlichen Wirtschaftszonen (AWZ) verfügen wir Franzosen mit über 11 Millionen km2 über das größte maritime Gebiet der Welt, noch vor den Vereinigten Staaten, und wir müssen über eine Marine verfügen, die in der Lage ist, unsere Souveränität über dieses riesige Gebiet durchzusetzen. Wir müssen uns also mit China einigen, um die Grenzen unserer wirtschaftlichen Interessen in den Zonen festzulegen, in denen es legitimerweise von unserer Nachbarschaft betroffen ist. Es hat keinen Sinn, unsere Fregatten ins Chinesische Meer und in die Straße von Taiwan zu schicken, wo wir nichts zu beanspruchen haben, außer China unnötig zu provozieren, um den Vereinigten Staaten zu gefallen, die ihrerseits hinter unserem Rücken verfahren, wie bei Antony Blinkens Äußerungen in Peking. Die brutale Aufkündigung unserer industriellen und strategischen Abkommen mit Australien im Sommer 2021, ohne Absprache, zugunsten eines strategischen AUKUS-Abkommens zwischen dem Vereinigten Königreich, den Vereinigten Staaten und Australien, sollte uns vor Augen geführt haben, daß ein souveränes Frankreich solchen „Verbündeten“ nicht das geringste Vertrauen entgegenbringen kann.
Verlassen wir uns nicht darauf, daß die EU unsere Übersee-Interessen verteidigt, die bei den Antipoden bedroht sind.
Das Zentrum der Welt verlagert sich unaufhaltsam nach Osten, und die aufstrebenden Mächte des Ostens, Afrikas und Lateinamerikas organisieren sich, um ihre internationalen Beziehungen auszubalancieren in einer Welt, in der die Vereinigten Staaten, obwohl sie weiter eine Großmacht sind und zweifellos bleiben werden, nicht mehr in der Lage sein werden, ihre Vorherrschaft durchzusetzen, sondern die Interessen aller Seiten respektieren müssen. Es ist nun klar, daß die Mehrheit der Weltbevölkerung – ob sichtbar oder im Verborgenen – Rußland in seinem Kampf gegen die NATO unterstützt, und daß Nationen, die unter der gleichen Feindseligkeit leiden wie Rußland, wie insbesondere China, Iran, Syrien und Jemen, die Konsequenzen aus dieser Schwächung ziehen, ebenso wie diejenigen, die die Seiten gewechselt haben, wie Saudi-Arabien und mehrere BRICS-Länder, wobei Indien und die Türkei beide Seiten zu ihrem Vorteil ausspielen, aber mit Rußland freundschaftlich verkehren.
Die Welt strebt nach Frieden, auch wenn die Streitigkeiten zwischen den Nationen nicht verschwinden werden, sondern durch Diplomatie und gegenseitige Achtung der Interessen der Konfliktparteien beigelegt werden müssen. Die brutalen Kriege der Vereinigten Staaten, die bereits viele Länder verwüstet haben und die Welt weiterhin mit ihren 800 Militärstützpunkten bedrohen, müssen aufhören. Der jüngste Konflikt, den sie in der Ukraine gegen Rußland provoziert haben – indem sie es seit 1997 über die NATO-Stationierungen belogen und 2014 mit den falschen Minsker Vereinbarungen erneut belogen haben, mit dem erklärten Ziel, es zu zerstören oder zumindest zu schwächen, auf jeden Fall aber von Westeuropa abzuschneiden –, läßt darauf schließen, daß sie, wenn sie an der militärischen Front nicht gewinnen können, einen Atomkonflikt provozieren wollen, von dem sie fälschlicherweise glauben, daß sie ihn auf den europäischen Kontinent beschränken können. Wie ich bereits sagte, führt der Einsatz von taktischen Atomwaffen automatisch zu einem thermonuklearen Konflikt, der den Planeten zerstören würde.
In einer offiziellen Verlautbarung hatte Putin, der das Risiko dieser Eskalation kennt, als Antwort auf die amerikanischen Erklärungen über den möglichen Ersteinsatz taktischer Atomwaffen gesagt, er wäge diese Bedrohung ab, und auch Rußland könne taktische Atomwaffen einsetzen, über die es in größerer Zahl als der Westen verfüge, er sehe aber keine Notwendigkeit, dies als erster zu tun, und er präzisierte, Atomwaffen seien nur die ultimative Waffe für den Fall, wenn die Existenz des Landes bedroht ist. Westliche Journalisten haben seine Worte, obwohl sie klar waren, absichtlich verzerrt.
Die vernünftige Welt muß sich mobilisieren, um einen Atomkrieg zu verhindern, der automatisch global wäre. Alle Friedensinitiativen sind bisher von den Vereinigten Staaten abgelehnt worden. Ja, die europäischen Länder müssen sich mit Lateinamerika, Afrika und Asien zusammentun, um diesem Konflikt ein Ende zu setzen, indem sie seine Ursachen bekämpfen. Das ist die Zukunft der Welt.
In diesem Zusammenhang scheint die moralische und geistliche Autorität des Papstes, wie von Helga Zepp-LaRouche vorgeschlagen, der beste Vektor zu sein, um diese Friedensbewegung der internationalen Gemeinschaft zu fördern und zu unterstützen.