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Neue Solidarität
Nr. 28, 13. Juli 2023

Einige grundlegende Lehren von Lyndon LaRouche
für den Übergang zu einem neuen Weltfinanzsystem

Von Dennis Small und Mary Jane Freeman

Es wird international allgemein anerkannt, daß wir Zeugen des Untergangs des globalen Finanzsystems mit freien Wechselkursen sind, das vor einem halben Jahrhundert, nach der Abkopplung des Dollars vom Gold am 15. August 1971, eingeführt wurde – ein System, das eine Spekulationsblase von zwei Billionen Dollar hervorgebracht hat, zusammen mit der grausamen Plünderung der Realwirtschaft des sogenannten Nordens, aber besonders des Globalen Südens. Ebenso offensichtlich ist, daß ein neues System im Entstehen begriffen ist. Im Globalen Süden wird intensiv darüber diskutiert, wie ein entdollarisiertes System geschaffen werden kann, beispielsweise im Rahmen eines erweiterten „BRICS Plus“-Verbunds, und gleichzeitig steht das Thema einer Rückkehr zur Glass-Steagall-Bankentrennung in den Vereinigten Staaten und Europa wieder auf der Tagesordnung. Das bevorstehende Gipfeltreffen der BRICS-Staaten vom 22. bis 24. August in Johannesburg, Südafrika, könnte in der Hinsicht ein entscheidender Wendepunkt sein.

© EIRNS/Stuart Lewis
Lyndon H. LaRouche, Jun.

Alexander Hamilton [unten]
Bild: John Trumbull

Aber es herrscht auch weithin Verwirrung über bestimmte physisch-ökonomische Grund­voraus­setzungen, die Lyndon LaRouche schon vor langer Zeit aufgestellt hat und ohne die der Über­gang zu einem neuen internationalen System im besten Fall chaotisch wäre und im schlimmsten Fall den Dritten Weltkrieg auslösen kann. Die wesentlichen Punkte sind unter anderem in LaRouches „Vier Gesetzen“1 und in seiner Schrift „Handel ohne Währung“2 zusammengefaßt.

 

Einfach ausgedrückt: Es ist notwendig, aber bei weitem nicht ausreichend, die sinkende „Finanz-Titanic“ zu verlassen. Die zentralen Fragen für diesen notwendigen ersten Schritt sind: Was für Rettungsboote bringen uns sicher weg von der Titanic? Wie sind sie konstruiert, was hält sie letztlich über Wasser? Und wohin sollen sie fahren?

Das neue System und seine Währung müssen drei entscheidende Kriterien erfüllen:

Zurück zu Glass-Steagall

Ein nützlicher Ausgangspunkt für die Diskussion und Ausarbeitung dieser drei Kriterien ist die Erkenntnis, daß eine Rückkehr zum Glass-Steagall-Gesetz von Franklin Roosevelt aus dem Jahr 1933 in den Vereinigten Staaten bzw. eine Bankentrennung, wie es sie in Europa lange gab, im wesentlichen auf das gleiche hinausläuft wie das Streben des Globalen Südens nach „Entdollarisierung“. Beides sind Wege, von der sinkenden Titanic zu springen. In beiden Fällen wird der spekulative, aus London gesteuerte Dollar aufgegeben und „eingemauert“, während die nationalen Bankensysteme der Länder auf der Grundlage nicht-spekulativer Vermögenswerte und Investitionen in nicht-spekulative, produktive Aktivitäten neu aufgebaut werden, wodurch faktisch facto eine neue Währung entsteht. Im Falle der Vereinigten Staaten bestünde diese „neue Währung“ in einer Neuauflage des produktiven US-Dollars (Lincolns „Greenback“), im Gegensatz zum spekulativen „Londoner Dollar“ oder „Londollar“, der heute den transatlantischen Finanzsektor beherrscht.

Ein solcher Ansatz und nur er öffnet die Tür zu einem funktionierenden Bündnis zwischen dem Globalen Süden und den Vereinigten Staaten, die sich von der Vorherrschaft der Wall Street und der Interessen der Londoner City befreien. Das sind die Vereinigten Staaten von George Washington, John Quincy Adams, Abraham Lincoln, Franklin Delano Roosevelt und Lyndon LaRouche. Ein solches Arbeitsbündnis ist die einzige sichere Grundlage für Frieden und weltweite Entwicklung.

Diese Konzepte und Kriterien sollten im Hinterkopf sein, wenn wir Ihnen im folgenden einen Überblick über die Höhepunkte der jüngsten weltweiten Diskussionen und Aktivitäten rund um die Bankentrennung und die Entdollarisierung geben.

Sanktionen provozieren Entdollarisierung

Unmittelbar nach der Ankündigung der russischen Militärischen Sonderoperation (MSO) durch Präsident Wladimir Putin am 24. Februar 2022 wurden die westlichen Sanktionen gegen Rußland drastisch verschärft: Etwa 300 Milliarden Dollar russische Devisenreserven, der im Ausland gehaltene Teil, wurden kurzerhand beschlagnahmt; der Handel wurde blockiert, und London und Washington versuchten, Rußland zur Zahlungsunfähigkeit bei seinen Schuldenverpflichtungen zu zwingen. Der „Ruin“ Rußlands wurde zum strategischen Ziel erklärt.

Es sollte betont werden, daß das Sanktionsregime gegen Rußland (und andere Länder) schon lange vor dem 24. Februar 2022 in Kraft war. So hatte der Rat der Europäischen Union bereits am 31. Juli 2014 den Ratsbeschluß 2014/512/GASP angenommen, der die Mitgliedsstaaten aufforderte, „Transaktionen mit oder die Erbringung von Finanzierungs- oder Investitionsdienstleistungen ... zu verbieten, die von staatlichen russischen Finanzinstituten ausgegeben werden“. Die Resolution verbot auch „den Verkauf, die Lieferung, die Weitergabe oder die Ausfuhr bestimmter sensibler Güter und Technologien“ nach Rußland.

© White House/Adam Schultz
© Olaf Kosinsky/cc
© kremlin.ru
Weder hat Präsident Biden „den Rubel in Schutt und Asche gelegt“, noch hat Baerbock den von ihr vor 18 Monaten angekündigten „Ruin Rußlands“ erreicht. Vielmehr hat der russische Präsident Wladimir Putin einen Prozeß der Entdollarisierung in Gang gesetzt, der durch die Sanktionen des US-Finanzministeriums und der Europäischen Union notwendig wurde.

So wie Rußlands MSO keine „unprovozierte militärische Aggression“ war, sondern die Folge von 30 Jahren NATO-Osterweiterung (unter Verletzung ausdrücklicher offizieller Zusagen gegenüber der Sowjetunion und Rußland), die nach dem Staatsstreich gegen die demokratisch gewählte Janukowitsch-Regierung in der Ukraine 2014 dramatisch eskaliert wurde, so sind auch die Schritte des Globalen Südens zur Entdollarisierung keine „unprovozierte wirt­schaft­liche Aggression“ gegen die Vereinigten Staaten und ihre Währung. Vielmehr handelt es sich um Überlebensmaßnahmen zur Ver­tei­di­gung in einem Wirtschafts- und Finanzkrieg als Reaktion auf die ausdrücklichen Erklärungen amerikanischer und anderer Offizieller, daß das Ziel sei, „den Rubel in Schutt und Asche zu legen“ (“reduce the ruble to rubble”) und dafür zu sorgen, daß die russische Wirtschaft „halbiert“ wird (US-Präsident Joe Biden, 26. März 2022) und daß „Rußland ruiniert“ wird (Außenministerin Annalena Baerbock, 24. Januar 2022).

Vielleicht am schockierendsten und aufschluß­reichsten waren die weithin verbreiteten Erklärungen zweier ungenannte „hochrangiger Regierungsbeamten“ des Weißen Hauses bei einem Hintergrund-Pressebriefing am 25. Januar 2022, worin sie „die Schwere der wirtschaftlichen Konsequenzen, die wir der russischen Wirtschaft auferlegen können und werden“, im Detail darlegten, unter anderem „eine Verkümmerung von Rußlands Produk­tions­kapazität im Laufe der Zeit…, um Putins strategische Ambitionen zur Industrialisierung seiner Wirtschaft zu treffen“. Die beiden Beam­ten drohten, daß die Vereinigten Staaten, das Vereinigte Königreich und Europa „sich in unserer Absicht einig sind, massive Konse­quen­zen zu ziehen, die Rußland einen schweren und unmittelbaren Schlag versetzen würden“.

Das war einen Monat, bevor Rußlands MSO begann!

Der Dollar selbst wurde schnell zu einer Waffe. Am 24. Februar wurden führende russische Banken auf die Sanktionsliste gesetzt, was es ihnen unmöglich machte, Geschäfte mit dem Westen zu tätigen. Am 26. Februar wurden russische Währungsreserven in Höhe von etwa 300 Milliarden Dollar, die sich in westlichen Banken befanden, beschlagnahmt – mit der erklärten Absicht, sie ganz zu enteignen. Am 4. April unternahm das US-Finanzministerium Schritte, um es Rußland unmöglich zu machen, die fälligen Zahlungen auf seine Auslandsschulden zu leisten, um so einen unfreiwilligen Zahlungsausfall mit allen Konsequenzen zu erzwingen. Am 3. Juni wurden fast alle russischen Banken, mit nur wenigen Ausnahmen, aus dem internationalen Finanzkommunikationssystem SWIFT ausgeschlossen – die seit langem angedrohte „nukleare Option“, mit der das russische Finanzsystem und die russische Wirtschaft durch die Abkopplung vom Westen vollständig zerstört werden sollten.

Gleichzeitig wurde Rußland der Zugang zu westlicher Technologie, Investitionsgütern und anderen Wirtschaftsgütern verwehrt, in der erklärten Erwartung, daß dies die russische Wirtschaft in eine Depression stürzen, soziales Chaos verursachen und letztlich zum Sturz von Präsident Putin führen würde.

Die EU hat die Sanktionspolitik von Anfang an im Gleichschritt mit den Vereinigten Staaten und dem Vereinigten Königreich betrieben und seit Februar 2022 elf Maßnahmenpakete erlassen.

Rußland ist auch nicht das einzige Land, gegen das Sanktionen und verwandte Maßnahmen des Wirtschaftskriegs verhängt werden. Andere sind China, Iran, Venezuela, Syrien, Afghanistan und Nordkorea. Im Falle Syriens haben die Caesar-Sanktionen vom Juni 2020 dazu beigetragen, die syrische Wirtschaft so weit zu zerstören, daß es heute in dem Land eine Armutsrate von 90% gibt. In Afghanistan haben die USA außerdem fast 9,5 Milliarden Dollar an Vermögenswerten der afghanischen Zentralbank „eingefroren“, sprich gestohlen, und unmittelbar nach dem Fall von Kabul am 15. August 2021 die Bargeldlieferungen an das Land gestoppt, wodurch dem Land die minimalen Ressourcen vorenthalten werden, die es zur Linderung einer tödlichen Hungersnot benötigt.

Aus gutem Grund forderte die Gründerin des Schiller-Instituts, Helga Zepp-LaRouche, am 19. Juli 2022 die sofortige Aufhebung der Sanktionen gegen Rußland und andere betroffene Länder:2

Diese Lawine von Sanktionen kam zusätzlich zu der jahrzehntelangen Ausplünderung des Globalen Südens durch die City und die Wall Street. Kein Wunder also, daß die große Mehrheit des Globalen Südens den Dollar heute als unzuverlässige Währung betrachtet, die toxisch und zerstörerisch ist. Kein Wunder, daß sich Rufe nach einer „Entdollarisierung“ (und entsprechendes Handeln) im Globalen Süden schnell verbreiten.

Als sich die im Frühjahr 2022 verschärften Sanktionen immer stärker auswirkten, begann die US-Notenbank, den Leitzins drastisch anzuheben: Am 18. März 2022 erfolgte die erste Anhebung um einen Viertelpunkt, und das Jahr 2022 endete neun Monate später mit einem Leitzins von 4,33%.

Die Kombination dieser beiden Prozesse brachte eine seit langem schwelende Diskussion im Globalen Süden darüber an die Oberfläche, wie man aus dem toxischen Dollarsystem herauskommen kann. Dann folgten am 10. März 2023 die Insolvenz der Silicon Valley Bank in den USA sowie die der Credit Suisse in der Schweiz am 19. März, und die Auswirkungen dieser Bankzusammenbrüche lösten eine erneute Diskussion über Bankentrennung in den Vereinigten Staaten und in Europa aus.

Stärken und Schwächen der bisherigen Beratungen

Insgesamt war 2022 ein Jahr, in dem die Diskussionen und politischen Studien über die Entdollarisierung erheblich zunahmen, wobei Rußland, Indien und China wenig überraschend die Vorreiterrolle einnehmen. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, wurden jedoch erst 2023 konkrete Maßnahmen in dieser Richtung ergriffen, die sich inzwischen weiter beschleunigt haben. Was Glass-Steagall betrifft, so haben die Bankenzusammenbrüche in den Vereinigten Staaten und der Schweiz im März 2023 die Diskussion über diese Politik wiederbelebt (natürlich besonders in der Schweiz und den USA), und der Höhepunkt war die Wiedereinbringung eines Glass-Steagall-Gesetzentwurfs in den US-Kongreß durch die demokratische Abgeordnete Marcy Kaptur am 19. April 2023.

Die Stärke solcher Diskussionen ist, daß grundlegende Änderungen ernsthaft in Betracht gezogen werden. Das globale Sanktionsregime – insbesondere in Bezug auf Rußland – hat deutlich gemacht, daß (a) der giftige „Londoner Dollar“ keine vertrauenswürdige internationale Reservewährung mehr ist und (b) die Sanktionen gescheitert sind, auch die sog. „nukleare Option“ des Ausschlusses von Staaten aus dem internationalen Zahlungssystem SWIFT mit Sitz in Belgien. Es stellte sich heraus, daß die City und die Wall Street mehr bellen als beißen – abgesehen natürlich von der sehr realen Drohung mit dem Einsatz massiver militärischer Gewalt, um Nationen ihren Willen aufzuzwingen, bis hin zum Atomkrieg mit Rußland und China.

Die Schwäche der bisherigen Überlegungen sowohl im Globalen Süden als auch im Westen ist jedoch, daß beide weitgehend unklar darüber bleiben, was notwendig ist, um der neuen Währung eine solide Grundlage zu geben, d.h. was die wahre Quelle des wirtschaftlichen Wertes ist. Man beschäftigt sich zu sehr mit Finanztechniken und denkt zuwenig über die wissenschaftlichen Grundsätze der physischen Wirtschaft nach. So wichtig es auch ist, Handel in lokalen Währungen abzuwickeln, und so wichtig es auch ist, Swap-Fazilitäten und sogar vollwertige Clearinghäuser ohne Dollar einzurichten: Die entscheidende Frage ist, daß man in der Lage sein muß, ohne „Londollar“ Hamiltonische Kredite für produktive Infrastruktur und andere Investitionen zu vergeben – und das gilt für die Vereinigten Staaten und Europa ebenso wie für den Globalen Süden.

Nehmen wir als Beispiel Iberoamerika. Die einzige Möglichkeit, den Konflikt von Argentinien, Brasilien und den BRICS mit dem IWF dauerhaft zu lösen, besteht darin, Chinas Gürtel- und Straßen-Initiative in der Region aktiv voranzutreiben. „Die Bagger müssen loslegen“ und mit dem Bau des langerwarteten Biozeanischen Eisenbahnkorridors quer durch den Kontinent beginnen, und das auf der Grundlage milliardenschwerer Kreditlinien, die nicht in Dollar ausgestellt sind. Der Wert dieser Kreditlinien und der Währung, in der sie ausgegeben werden, hängt ganz davon ab, daß die betreffenden Regierungen systematisch darauf hinarbeiten, die Produktivkräfte der Arbeitskräfte zu entwickeln – die „potentielle relative Bevölkerungsdichte“, wie Lyndon LaRouche es in seiner bahnbrechenden Schrift aus dem Jahr 2000 „Handel ohne Währung“ beschreibt.3


Anmerkungen

1. Vgl. Neue Solidarität 25/2014

2. Vgl. Neue Solidarität 30/2022

3. Trade without Currency, dt „Warenkorb statt Währungskorb: Handel unabhängig vom Wechselkurs“, vgl. Neue Solidarität 33-34/2000