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Von Alexander Hartmann
Es wird immer schwieriger für die westliche Allianz, sich der harten Realität zu verweigern, daß in den letzten zwei bis drei Wochen der gepriesenen „Gegenoffensive“ Tausende junger Ukrainer auf den „Todesfeldern“ in der Ukraine sinnlos geopfert wurden. Statt der erhofften Fortschritte hin zu einer Rückeroberung von Saporoschje und des Donbaß, Vorstoß auf die Krim usw. wurden, wie Verteidigungsminister Schoigu am 22. Juni auf der Sitzung des russischen Sicherheitsrates Präsident Putin berichtete, in zweieinhalb Wochen mehr als 13.000 ukrainische Soldaten verwundet oder getötet. Diese Schätzung beruhe auf abgehörter Kommunikation ukrainischer Militärkommandeure.
Das Gemetzel hat die ukrainische Offensive, zumindest vorübergehend, zum Stillstand gebracht. Angesichts der Tatsache, daß es nicht einmal gelang, auch nur die erste der von Rußland errichteten mehrschichtigen Verteidigungslinien aus Schützengräben, Befestigungen und Minenfeldern zu überwinden, stellen immer mehr Beobachter nun sehr ernst die Frage, wie dieser schreckliche Krieg, der immer mehr Menschenleben kostet, beendet werden kann.
Sehr wichtig ist in diesem Zusammenhang, daß in den Vereinigten Staaten mit Robert F. Kennedy Junior („RFK Jr.“) und Donald Trump in beiden großen Parteien prominente und aussichtsreiche Präsidentschaftskandidaten ihre Stimme für eine Friedenslösung in der Ukraine erheben und damit klar auf Distanz zur gescheiterten Politik von Präsident Joe Biden gehen.
Der Demokrat Kennedy hielt am 20. Juni vor 700 Zuhörern auf dem Campus des Saint Anselm College in Goffstown in New Hampshire im Rahmen seines Vorwahlkampfs eine außenpolitische Grundsatzrede. Während die Mainstream-Medien Kennedys Äußerungen zunächst weitgehend ausblendeten, berichteten die lokalen Zeitungen New Hampshire Union Leader und New Hampshire Journal ausführlich. In seiner Rede bezog sich Kennedy ausdrücklich auf die historische Friedensrede seines Onkels, Präsident John F. Kennedy, vor 60 Jahren am 10. Juni 1963 an der American University in Washington, und zitierte sie mehrfach. Kennedy forderte „jeden Amerikaner auf, sich einer neuen Friedensbewegung anzuschließen, sich Gehör zu verschaffen..., um nicht länger einen Kriegspräsidenten zu feiern, sondern einen Präsidenten, der den Frieden bewahrt“.
Insbesondere kritisierte er die derzeit vorherrschende Denkweise in Washington: „Wenn man Menschen als grundsätzlich egoistisch und Nationen als grundsätzlich böse ansieht, dann bleiben einem nur noch Drohungen und Bestechung übrig, um ihr Verhalten zu ändern. Doch Frieden kommt von woanders her…“
Kennedy betonte: „Krieg ist nur dann unvermeidlich, wenn wir ihn unvermeidlich machen.... Der Krieg in der Ukraine hätte, wie wir jetzt wissen, sogar noch im Frühjahr 2022 verhindert werden können.“
Man müsse es jedenfalls versuchen. „Vielleicht wird Rußland nicht reagieren, vielleicht werden sie nicht angemessen oder überhaupt nicht reagieren, aber wenigstens wissen wir dann, daß wir es versucht haben... Kann sich Biden nicht mit Putin treffen? Können wir nicht wenigstens ein Gespräch beginnen?“
Amerika habe „den Reflex der Gewalt als Antwort auf alle Krisen institutionalisiert. Alles wird zu einem Krieg: Krieg gegen Drogen, Krieg gegen den Terror, Krieg gegen den Klimawandel. Nichts davon hat uns sicherer gemacht.“
Kennedy verurteilte „die brutale und blutige Invasion Rußlands in diesem Land“, fügte jedoch hinzu:
„Aber wir müssen verstehen, daß unsere Regierung durch wiederholte, absichtliche Provokationen gegen Rußland, die bis in die 1990er Jahre zurückreichen, ebenfalls zu den Umständen beigetragen hat. Demokratische und republikanische Regierungen sind mit der NATO bis an Rußlands Grenzen vorgedrungen und brachen unser feierliches Versprechen der frühen 90er Jahre, daß wir uns, wenn Rußland dieses unglaubliche Zugeständnis macht, 400.000 Soldaten aus der DDR abzuziehen und die Wiedervereinigung Deutschlands möglicherweise sogar mit einer NATO-Armee zuzulassen, dazu verpflichten, die NATO keinen Zentimeter nach Osten auszuweiten… Statt dessen verschoben wir sie nicht etwa um einen Zentimeter, sondern um tausend Meilen und um 14 Staaten. Wir haben Rußland mit Raketen und Militärbasen umzingelt, etwas, was wir niemals tolerieren würden, wenn die Russen das mit uns machen würden.“
Kennedy verlangte von Biden zwei Entschuldigungen: zum einen beim amerikanischen Volk, weil er die US-Armee faktisch in einen schrecklichen Krieg geführt hat, der völlig gegen die Interessen des amerikanischen Volkes gerichtet ist, und zum anderen, was noch wichtiger sei, beim ukrainischen Volk, weil er ihr Land zerstört.
Bei früheren Gelegenheiten hatte Robert Kennedy bereits auf die Erklärung des ehemaligen israelischen Ministerpräsidenten Naftali Bennett verwiesen, daß die Friedensgespräche zwischen Rußland und der Ukraine schon im März 2022 kurz vor einem Erfolg standen, was aber insbesondere durch die Intervention Boris Johnsons zunichte gemacht wurde, der Selenskyj die Botschaft überbrachte, daß die NATO darauf bestehe, daß der Krieg weitergeht.
Und erst vor wenigen Wochen hatte Donald Trump, ebenfalls am Saint Anselm College, als republikanischer Präsidentschaftsbewerber erklärt, man müsse damit aufhören, in den Begriffen „gewinnen oder verlieren“ zu denken: „Ich denke in den Begriffen, die Sache beizulegen, damit wir aufhören, alle diese Menschen zu töten. Ich will, daß niemand mehr stirbt. Sie sterben, Russen und Ukrainer. Ich will, daß das aufhört.“ Trump versprach: „Und ich werde das in 24 Stunden schaffen.“
In ihrem Internetforum am 22. Juni hob Helga Zepp-LaRouche die Bedeutung von Kennedys Rede hervor: „Er fordert die USA auf, zur Friedenspolitik von John F. Kennedy zurückzukehren. Das ist im wesentlichen genau das, was wir in einem Appell an den nächsten Präsidenten der Vereinigten Staaten formuliert hatten.1 Wir haben begonnen, viele Unterschriften aus der ganzen Welt zu sammeln, denn viele Menschen auf der ganzen Welt wollen, daß die Vereinigten Staaten wieder eine Friedensmacht werden.“
Sie betonte: „Ich halte das also für sehr ermutigend.“ Denn auch Trump habe „einige harte Worte zur Kriegspolitik gefunden“ und werde kandidieren, „egal wie die juristische Verfolgung Trumps aussehen wird. Wir werden also aller Wahrscheinlichkeit nach Trump auf der republikanischen und aller Wahrscheinlichkeit nach Kennedy auf der demokratischen Seite haben, was bedeutet, daß es zum ersten Mal seit sehr langer Zeit einen Wahlkampf in den Vereinigten Staaten geben wird, der den Namen verdient. Deshalb ist das sehr wichtig.“
Sie warnte jedoch die Amerikaner davor, in ein Wahlkampffieber zu verfallen: „Wie George Washington bei seinem Ausscheiden aus dem Amt sagte: Man darf nicht in die Falle der politischen Parteien tappen. Denn Parteien haben die Tendenz, ganz bestimmte Interessen zu vertreten, und damit nicht das übergreifende nationale Interesse – was ein Präsidentschaftskandidat natürlich leicht überwinden könnte, indem er wirklich für das Interesse des ganzen Landes spricht. Dazu ist natürlich eine Menge erforderlich. Vor allem, weil die wichtigsten Entscheidungen darüber, wohin sich die Welt entwickeln wird – Krieg oder Frieden, finanzieller Zusammenbruch oder ein neues Paradigma eines neuen Wirtschaftssystems, diese Entscheidungen – aller Wahrscheinlichkeit nach lange vor dem 5. November 2024 fallen werden. Deshalb ist es wichtig, einen internationalen Fokus darauf zu haben, wohin sich die Welt bewegt.“
Sie verwies in diesem Zusammenhang auf die Diskussionen darüber, „daß jetzt nicht nur Rußland taktische Atomwaffen in Weißrußland stationiert, sondern auch die USA über die Stationierung taktischer Atomwaffen in Rumänien und Polen sprechen. Die Russen haben sich sehr stark dagegen gewehrt, weil dort die amerikanischen Raketenabwehrsysteme installiert sind und es sehr klar ist, daß diese in extrem kurzer Zeit von defensiven in offensive Systeme umgewandelt werden können. Ich kann nur sagen, die Kriegsgefahr ist nicht geringer geworden – sie wächst.“
Auch andere Stimmen sehen die Gefahr, daß der Ukraine-Konflikt sich zu einer nuklearen Konfrontation zwischen Rußland und der NATO ausweitet. Dmitrij Trenin, Professor an der Moskauer Wirtschaftshochschule und leitender Wissenschaftler am Moskauer Institut für Weltwirtschaft und internationale Beziehungen sowie Mitglied des Russischen Rates für internationale Angelegenheiten, warnte am 21. Juni in RT:
„Die US-Strategie gegenüber Rußland in der Ukraine darin besteht, den Bogen immer weiter zu spannen, indem sie ihre militärische Unterstützung für die Ukraine Schritt für Schritt ausbauen und die russische Reaktion auf jede Eskalationsstufe abwarten…
Ab einem bestimmten Punkt kann sich diese kalkulierte Strategie jedoch in Russisches Roulette verwandeln. Die geplante Ankunft der F-16 und die mögliche Lieferung von Raketen mit größerer Reichweite würde die Situation diesem Punkt näher bringen. Daher die Bestätigung Putins, daß die nukleare Option zwar zum jetzigen Zeitpunkt nicht notwendig, aber auch nicht vom Tisch ist. In der Tat würde sich wahrscheinlich keine Atommacht einer anderen geschlagen geben, ohne zur allerletzten Option zu greifen.“
„Deshalb sind unsere Bemühungen im Rahmen der Internationalen Friedenskoalition so außerordentlich wichtig“, betonte Helga Zepp-LaRouche. Sie verwies auf den Verlauf und die Ergebnisse dieser hocherfolgreichen und in Zukunft regelmäßigen Internetdiskussionen (siehe unseren Bericht in dieser Audgabe): „Mehr Menschen, mehr Kräfte schließen sich an. Und ich denke, das ist definitiv eine Antwort, die wir auf diese wachsende Kriegsgefahr haben müssen.“
Anmerkung