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Von Dr. Chandra Muzaffar
Dr. Chandra Muzaffar ist Gründer und Präsident der Organisation JUST International in Malaysia. (Übersetzung aus dem Englischen.)
Friede sei mit Ihnen.
Das Abkommen zwischen Saudi-Arabien und dem Iran, das durch die Bemühungen der chinesischen Regierung zustande gekommen ist, könnte durchaus einen Wendepunkt in der Weltpolitik, einen Wendepunkt in den internationalen Beziehungen darstellen. Wir wissen, daß alle drei beteiligten Parteien – die chinesische Regierung, die saudische Regierung und die iranische Regierung – mit der Umsetzung dieses Abkommens begonnen haben. Es gab Treffen in Teheran, in Riad und in Peking. Sie versuchen nun, einige der wichtigsten Aspekte dieser Entscheidung umzusetzen.
Das ist wichtig, denn es würde bedeuten, daß die Feindseligkeit zwischen diesen beiden sehr wichtigen Nationen in der muslimischen Welt, Iran und Saudi-Arabien, nachlassen könnte. Und wenn dieser Wandel stattfindet, wenn sich ein gewisses Maß an Verständnis entwickelt, dann denke ich, daß sich das auf einen großen Teil der muslimischen Welt auswirken wird, weil diese beiden Nationen so wichtig sind. Und es gibt Stellvertreterkriege, Halbstellvertreterkriege in einer Reihe von Ländern in der arabischen Welt und sogar außerhalb der arabischen Welt, die mit Saudi-Arabien und dem Iran verbunden sind – das könnte auch abnehmen. Und es könnte der Versuch unternommen werden, engere Verbindungen zwischen Ländern wie Saudi-Arabien und Syrien, Syrien und der Türkei, zwischen dem Libanon und Saudi-Arabien herzustellen.
Diese Dinge könnten passieren – wir wissen es nicht, aber es besteht die Möglichkeit. Es ist auch möglich, daß diese von China herbeigeführte Annäherung letztendlich zu einem besseren Verständnis der Beziehungen zwischen Israel und der arabischen Welt, insbesondere den Palästinensern, in der gesamten Region führen könnte. Das kann passieren – wir wissen es nicht; es gibt diese Möglichkeiten. In der jüngeren Geschichte gab es in Westasien und Nordafrika keinen hoffnungsvolleren Moment, was die Schaffung einer Atmosphäre des Verständnisses und der Freundschaft zwischen den verschiedenen Nationen angeht.
Aber es geht nicht nur um China. Ich denke, wir müssen uns ansehen, was mit einer weiteren Großmacht passiert ist: Rußland. Wie China ist auch Rußland zu einem wichtigen Akteur in dieser Region geworden. In der Tat hat Rußland eine viel längere Beziehung zu dieser Region als China. Vergessen Sie nicht die Rolle, die Rußland – damals noch die Sowjetunion – beim Bau des Assuan-Staudamms in Ägypten gespielt hat, einem der größten Entwicklungsprojekte der Welt, das seit Jahrzehnten Millionen und Abermillionen von Menschen zugute gekommen ist.
Und Rußland, das an den technischen Aspekten dieses Projekts beteiligt war, unterhält seit langem gute Beziehungen zu Syrien. Hafez Assad, der Vater von Bashar Assad, stand der Sowjetunion sehr nahe. Und wie wir wissen, war die Regierung von Bashar Assad in jüngster Zeit, als die syrische Regierung unter enormen Druck geriet, weil es zu einem Regimewechselversuch kam und alle möglichen Kräfte – Dschihadisten, Rebellen – beteiligt waren und Washington, Großbritannien, die Türkei und andere all diese Gruppen unterstützten, auf die Hilfe Rußlands angewiesen, um ihre Positionen zu stabilisieren, und die Russen spielten ab 2015 eine große Rolle. Rußland war also auch Teil dieser Region und hat in der Politik Westasiens und Nordafrikas zunehmend an Bedeutung gewonnen.
Für uns, die wir uns mit der Politik in dieser Region befassen, ist von Bedeutung, daß sich diese beiden Großmächte, China und Rußland, in ihrem Umgang mit den Ländern dieser Region in zweierlei Hinsicht von den Vereinigten Staaten von Amerika unterscheiden. Sie unterscheiden sich in dem Sinne, daß sie nicht versuchen, die Region zu dominieren.
Wenn Sie sich zum Beispiel das jüngste Abkommen zwischen Saudi-Arabien und dem Iran ansehen, so beruhte der Friedensplan auf einer Übereinkunft zwischen zwei Führern in der Region, dem saudischen Führer, König Abdullah, und Rafsandschani, dem iranischen Führer, die damals – vor einigen Jahren – eine Übereinkunft getroffen und ein Friedensabkommen ausgearbeitet hatten. Und China hat dieses Friedensabkommen wiederbelebt. Sie haben Saudi-Arabien und dem Iran nicht ihren Willen aufgezwungen: Sie haben die Vereinbarung wiederbelebt, und diese Vereinbarung wurde zur Grundlage des Abkommens, das wir jetzt erleben.
Sie sehen also den unterschiedlichen Ansatz: Es geht nicht darum, seinen Willen aufzuzwingen, sondern darum, die Menschen selbst entscheiden zu lassen, und den Prozeß zu erleichtern. Genau das haben die Chinesen getan.
Und nun zum Fall Rußland: Abgesehen von seiner Beteiligung an den Entwicklungsprojekten sowohl in Ägypten als auch in Syrien wissen wir, daß Rußland, als Syrien bedroht war, die Regierung unter enormen Druck geriet, sein militärisches Engagement verstärkte – es stimmt, es schickte Truppen und Kampfjets und alles andere. Aber in dem Moment, in dem die Regierung ihre Position stabilisieren konnte, haben sie ihre Truppenstationierung und ihr militärisches Engagement reduziert, was wiederum eine gewisse Sensibilität für die Integrität, die territoriale Souveränität Syriens zeigt. Und das ist etwas, was wir meiner Meinung nach im Auge behalten müssen. Im Umgang mit anderen Nationalstaaten ist es so wichtig, deren Souveränität, die Souveränität der anderen Parteien, der anderen Staaten zu wahren. Und sowohl China als auch Rußland scheinen dafür empfänglich zu sein.
Und das ist meiner Meinung nach ein sehr wichtiger Grundsatz in den internationalen Beziehungen: Souveränität anerkennen, Souveränität schützen, mit Staaten umgehen, ihnen helfen, wenn Hilfe benötigt wird, aber ihre Souveränität anerkennen und wahren. Und gleichzeitig, wenn man sich anschaut, was sie getan haben, im Falle Chinas, Friedenspläne, und im Falle Rußlands, Unterstützung einer anderen Art, militärische Unterstützung, aber beide unter Berücksichtigung des Willens der Bevölkerung. Und das ist meiner Meinung nach von entscheidender Bedeutung.
Ich hoffe, daß Rußland und China, wenn sie weiterhin so mit den Ländern in der Region umgehen, einen wichtigen Beitrag zu dieser Region leisten können. Vergessen Sie nicht, daß diese Region lange Zeit das Zentrum der Konflikte in der Welt gewesen ist.
Dies könnte einen enormen Wandel, eine Transformation, bewirken, bei der sich alle Länder dieser Region auf die wirtschaftliche Entwicklung und den sozialen Wandel konzentrieren können; sie können eine Atmosphäre schaffen, die sich von dem unterscheidet, was wir in den letzten Jahrzehnten erlebt haben. Und das ist es, was die Menschen brauchen. Das ist es, worauf die Menschen gewartet haben. Und deshalb halte ich es für so wichtig, daß diese Annäherung gelingt. Und es ist so wichtig, daß auch diese beiden Länder, China und Rußland, die Empfindlichkeiten der Region und der Menschen verstehen und so handeln, daß sie die unabhängige Integrität der Staaten in dieser Region und ihre eigene Entwicklung fördern. Und gleichzeitig würden sie zu einer neuen Weltordnung und einer anderen internationalen Atmosphäre beitragen.
Ich danke Ihnen vielmals.