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Neue Solidarität
Nr. 20, 18. Mai 2023

Diese Krise ... könnte die beste Sache sein

„Dieses Spiel kann nicht unbegrenzt fortgesetzt werden“

Ausschnitte aus der Moskauer Pressekonferenz von Lyndon und Helga LaRouche mit dem russischen Ökonomen Sergej Glasjew, damals Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses der russischen Staatsduma, am 28. Juni 2001.

Sergei Glazyev: Meine Damen und Herren, zunächst möchte ich Sie zu den parlamentarischen Anhörungen einladen, die wir morgen zum selben Thema durchführen werden. An den Anhörungen werden neben den hier Anwesenden auch prominente Wissenschaftler und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens sowie Vertreter unserer wissenschaftlichen Institute teilnehmen. Es wird eine eingehende Diskussion sein, und ich möchte Sie darauf aufmerksam machen.

Seit einigen Jahren befindet sich das Weltfinanzsystem in einer Krise. Jeder erinnert sich an die Krise von 1997, die globale Krise, die in Südostasien begann und dann 1998 Rußland erfaßte. Seitdem ist die finanzielle Situation in der Welt noch instabiler geworden, und diese Instabilität wird von ganz objektiven Problemen und Gesetzen bestimmt.

Zuallererst gibt es ein ungeheures Ausmaß an Finanzspekulationen, die durch die Weigerung der Federal Reserve, den Dollar in Gold umzutauschen, und die gleichzeitige Umwandlung des Dollars in die Weltreservewährung möglich wurden. Seit 1971 gab es eine ungehemmte Expansion der US-Währung auf den Finanzmärkten, und die eng mit dem Federal Reserve System verbundenen Mega-Spekulanten nutzen diese „weichen“ – wie wir sie nennen - Haushaltszwänge aus, d.h. die Möglichkeit einer unendlichen Kreditausweitung, um Superprofite aus der Finanzspekulation zu ziehen.

Und in den letzten Jahren haben sich alle Arten von Finanzpyramiden entwickelt; Beispiele dafür haben wir in Rußland deutlich gesehen, aber sie sind von globalem Ausmaß und treten weltweit auf. Dieser Zustand der Instabilität, der durch die ungebremste Expansion der US-Währung auf den Weltmärkten verursacht wird, führt dazu, daß man die heutige Weltwirtschaft, insbesondere den Finanzsektor, als „Seifenblasen“-Wirtschaft bezeichnen kann. Das heißt, es handelt sich um eine Art künstlich gestützter Finanzspekulation, die von den großen Finanzunternehmen betrieben wird und deren Ziel entweder einfach die Erzielung von Superprofiten aus einer Veränderung der Wirtschaftslage oder die Erzielung von Superprofiten aus der Destabilisierung der nationalen Finanzsysteme sein kann...

Aber dieses Spiel kann nicht unbegrenzt fortgesetzt werden, und wir sehen heute, daß die Wellen der Selbstzerstörung, die unweigerlich aus dieser Art von Wirtschaftssystem entstehen, sozusagen ihr Zentrum erreicht haben – die Wirtschaft der Vereinigten Staaten.

Im vergangenen Jahr gab es mehrere schwere Krisen in den US-Finanzmärkten, von denen jede einzelne, wäre sie vor 10 Jahren geschehen, für große Aufregung und endlose Diskussionen in der Presse gesorgt hätte. Leider sind wir heute schon so sehr an Turbulenzen im Finanzsystem gewöhnt, daß wir nicht einmal mehr auf Verluste achten, die auf Billionen von Dollar geschätzt werden. Die Finanzkrise ist also in ihre dauerhafte Phase eingetreten. Sie hat eine Tendenz zur Vertiefung. Viele gelehrte Fachleute, insbesondere Herr LaRouche, den wir zur Teilnahme an der parlamentarischen Anhörung eingeladen haben, zeigen in ihren Arbeiten, daß der Zusammenbruch dieses Systems der Finanzspekulation unvermeidlich ist.

Wir haben es also mit einer objektiven Realität zu tun. Unter den Bedingungen der Liberalisierung und Offenheit der russischen Wirtschaft müssen wir uns gegen die für Rußland ungünstigen Auswirkungen der Finanzkrise schützen.

„Rußland: ein unverzichtbares Bindeglied zwischen Europa und Asien“

Lyndon LaRouche: Kein neues Währungssystem kann ohne einen entsprechenden wirtschaftspolitischen Motor funktionieren – langfristige Ziele. Alle großen wirtschaftlichen Entwicklungsziele haben mindestens ein Vierteljahrhundert gebraucht, um sich zu verwirklichen.

Die größte Chance der Welt für einen wirtschaftlichen Aufschwung der Welt liegt heute in Eurasien. Ein Beispiel: Süd- und Zentralasien, oder Süd- und Nordasien, sind heute im wesentlichen Wüsten. Sie sind bewohnt, aber sie sind nicht entwickelt. Für Rußland und für Zentralasien ist die Entwicklung Zentralasiens und sogar der Tundra-Region Nordasiens entscheidend für die Zukunft.

Um diese Ressourcen zu erschließen, müssen wir zunächst über die grundlegende wirtschaftliche Infrastruktur verfügen, um sie effizient ausbeuten zu können. Westeuropa verfügt zwar über ein wirtschaftliches Potential, ist aber derzeit bankrott; es kann in seinem derzeitigen Zustand nicht überleben.

Die größte Konzentration der Weltbevölkerung befindet sich in Zentral-, Ost- und Südasien. Es gibt dort einigen technologischen Fortschritt – China und Indien haben Fortschritte gemacht, aber diese Technologie reicht nicht aus, um die Bedürfnisse dieser gesamten Region zu befriedigen. Das weitere Überleben der westeuropäischen Volkswirtschaften hängt davon ab, ob es gelingt, diese Märkte für Hochtechnologie in Asien zu erschließen.

Für die nächsten 25 Jahre stellt Eurasien als Kontinent das größte Wachstumspotential für die Welt insgesamt dar. Aus diesem Grund ist Rußland als einzige wirklich eurasische Nation das notwendige und unverzichtbare Bindeglied zwischen der global erweiterten europäischen Zivilisation als Ganzes und Ost-, Süd- und Südostasien. Ohne diese koordinierende Rolle Rußlands wäre die Art der Verwirklichung, die ich als notwendig erachte, nicht möglich.

Um die Sicherheit in Eurasien zu gewährleisten, damit die Unsicherheit nicht die Möglichkeit der wirtschaftlichen Entwicklung zunichte macht, müssen wir auch einen Dialog der Kulturen führen, wie der iranische Präsident Chatami in einer kürzlich in Berlin gehaltenen Rede vorgeschlagen hat. Wenn man sich Asien anschaut, dann ist Rußland zum Teil eine europäische Kultur, auch wenn es eine eurasische Nation ist. Der größte Teil der Welt, wie z.B. Amerika, wird von einer global ausgedehnten europäischen Kultur beherrscht...

Der Punkt ist also, man muß sich der Gefahr, der Bedrohung durch religiöse und ähnliche Formen ethnischer Kriege als Störung des Potentials für zukünftigen Frieden und wirtschaftliche Sicherheit in Eurasien bewußt sein. Und deshalb müssen wir den Vorschlag akzeptieren, den der iranische Präsident Chatami bei seinem jüngsten Besuch in Berlin gemacht hat: Wir müssen verstehen, daß wir, um wirtschaftliche Sicherheit zu erreichen, Sicherheit durch einen Dialog der Kulturen erreichen müssen, der verhindert, daß Dinge wie Religionskriege die vor uns liegenden Möglichkeiten zerstören.

Und nun zum letzten Punkt: Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, daß dieser großartige Wiederaufbau der Weltwirtschaft Erfolg hat? Die jüngste Vereinbarung von Präsident Putin in Schanghai, eine neue Beratergruppe zu bilden, ist ein wichtiger Schritt in die von mir aufgezeigte Richtung. Es ist nicht der letzte Schritt, aber es ist ein wichtiger Schritt, der an das anknüpft, was Primakow als Premierminister auf den Weg gebracht hat: die Idee einer Dreiecksbeziehung Rußland-China-Indien, um die Nationen in Eurasien zusammenzubringen. Das ist ein erster Schritt. Die Gespräche zwischen dem russischen Präsidenten und der deutschen Regierung und deutschen Kreisen sind ein weiterer Aspekt des gleichen eurasischen Potentials.

Und jetzt kommt der letzte Haken: Welche Rolle spielen die Vereinigten Staaten bei all dem? Der neue Präsident [George W. Bush] ist eine Katastrophe. Allerdings gibt es einige Verbesserungen, seit er Präsident ist: Die Demokraten haben den Senat übernommen; eine beträchtliche Anzahl von Republikanern ist in Aufruhr; jede Politik, die der Präsident vorgeschlagen hat, ist bereits gescheitert. Die Kluft zwischen den Vereinigten Staaten und Europa vertieft sich immer mehr. Viele von uns in den Vereinigten Staaten, die politischen Einfluß haben, sind sehr besorgt über diese Situation, und wir gewinnen an Boden. Wir können also unser Ziel erreichen, aber das wird nur durch eine Reihe von Krisen geschehen.

Alles, was ich sagen kann, ist, daß die Situation aus meiner Sicht klar ist; die Alternative ist klar; und was wir tun müssen, ist klar. Wir müssen uns selbst darüber im Klaren sein, was wir tun müssen: Dann, denke ich, könnten wir Erfolg haben. Ich danke Ihnen. ...

„Ein Bündnis für ein globales Wiederaufbauprogramm“

Helga Zepp-LaRouche: Da ich deutsche Staatsbürgerin bin, möchte ich noch hinzufügen, warum es im fundamentalen Eigeninteresse Deutschlands liegt, nicht nur mit Rußland, sondern mit allen Ländern der Eurasischen Landbrücke zusammenzuarbeiten. Die Situation der deutschen Wirtschaft und des Finanzsystems ist nicht weniger dramatisch als die von Herrn Glasjew für Rußland oder von Herrn LaRouche für die ganze Welt beschriebene Lage. Der faktische Bankrott der Hauptstadt Berlin und der Bankrott der Berliner Bankgesellschaft und der fünf beteiligten Banken ist eigentlich der Zustand aller deutschen Banken.

Derzeit liegt die Inflationsrate in Deutschland bei 3,6%. Laut Bundesverfassungsgericht darf die Inflation bei der Euro-Einführung nur 3% betragen. Es könnte also sehr bald zu Verfassungsklagen kommen, um die Einführung des Euro zu verhindern. Zumal hinter den Kulissen in Regierungs- und Finanzkreisen Panik herrscht, daß zu den mehreren hundert Milliarden D-Mark in den Zentralbanken noch rund 200 Milliarden D-Mark in bar vorhanden sind, was voraussichtlich zu einem totalen Chaos bei der Umstellung führen wird. Deutschland wird also im zweiten, dritten und vierten Quartal dieses Jahres von einer Kombination aus zunehmender Hyperinflationstendenz, Depression und Chaos bei der Euro-Umstellung betroffen sein.

In diesem Chaos wird der Euro möglicherweise nicht zustande kommen, was für das Überleben Deutschlands und Westeuropas das Beste wäre, was passieren könnte. Die Beibehaltung souveräner nationaler Währungen im Rahmen wirtschaftlicher Zusammenarbeit der eurasischen Landbrücke dient nicht nur den Interessen Deutschlands, sondern denen aller europäischen Länder.

Deutschland ist wirtschaftlich auf die Ausweitung der Exportmärkte angewiesen. Die Globalisierung hat die traditionellen Exportmärkte Deutschlands zerstört: Afrika liegt im Sterben, Lateinamerika ist dabei, den Weg Afrikas zu gehen, und viele Regionen der Welt stürzen in die Katastrophe. Die Zusammenarbeit Deutschlands mit Eurasien, mit der Entwicklung der Eurasischen Landbrücke, ist ein wirtschaftliches Eigeninteresse Deutschlands. Auf einer tieferen Ebene liegt es im Sicherheitsinteresse Deutschlands, denn wir in Deutschland erinnern uns sehr gut an den Zusammenhang zwischen Depression und Krieg. Wären die 1931 bestehenden Pläne zur Überwindung der Depression, die es in Deutschland um Dr. Walter Lautenbach und die Friedrich-List-Gesellschaft gab, umgesetzt worden, hätte die Machtergreifung der Nationalsozialisten verhindert werden können.

Heute besteht an vielen Orten die Gefahr von Kriegen, im Nahen Osten, in Afrika, in vielen anderen Regionen der Welt, und ich denke, es bedarf heute einer Vision aller Länder Eurasiens, gemeinsam eine friedliche Ordnung zu erreichen und nicht in den Krieg zu verfallen.

Deshalb arbeite ich daran, alle positiven Kräfte in Deutschland und anderen europäischen Ländern dafür zu gewinnen, in den kommenden Monaten Teil eines solchen Bündnisses für ein neues Finanzsystem und eine Eurasische Landbrücke als Eckpfeiler für ein globales Wiederaufbauprogramm zu werden. Ich danke Ihnen.