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Von Andrea Andromidas
Marie-Agnes Strack-Zimmermann: „Streitbar – Was Deutschland jetzt lernen muß“, dtv, November 2022.
Plant Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Deutschen Bundestag, den Anschluß an die dunkelste Periode deutscher Politik? Eine Kurzfassung bringt die Absicht dieses Traktats am besten zum Ausdruck:
Das geplante Unternehmen „Kriege der Zukunft“ verlange selbstverständlich den massiven Auf- und Umbau der Bundeswehr von einer internationalen Einsatzarmee zur Verteidigungs- und Einsatzarmee. „Die zentrale Aufgabe der deutschen Verteidigungspolitik der nächsten Jahre wird es sein, die Bundeswehr personell zukunftsfest aufzustellen. Dazu müssen wir pro Jahr sehr viel mehr junge Rekrutinnen und Rekruten gewinnen und … für den Dienst an der Waffe anwerben.“ (S.90)
Das erste Ziel besteht darin, Putin ein für alle Mal zu stoppen, ansonsten drohe Teilen Europas die totale Unterwerfung. Aber das ist nur das nächstliegende Ziel. Danach warten noch andere angeblich feindliche Autokraten, die unsere Demokratie und Freiheit bedrohen. „Wir müssen Deutschland und seine Institutionen umgehend auf zukünftige Systemauseinandersetzungen vorbereiten“, wobei lange schon klar sei, „daß China der große Systemkonkurrent der kommenden Jahrzehnte sein wird“. (S.51)
Aber auch die anderen Autokraten sind nur der vordergründige Anlaß für das Kriegsgeheul. Größer und andauernder sind die ideologischen Monster des malthusianischen Club of Rome, mit denen sie ganz offensichtlich im Bunde steht:
„Kriege im Nahen und Mittleren Osten, in Syrien oder Afghanistan etwa, Unruhen in der Sahelzone können Migrationsströme in Richtung Europa auslösen. Der zunehmende Wassermangel verursacht Bürgerkriege. Der Kampf um lebenswichtige Ressourcen wird von Terrororganisationen genutzt, um perspektivlose junge Menschen zu radikalisieren. Der Welthunger ... trifft Abermillionen Menschen. Die Veränderung des Klimas vernichtet die Lebensgrundlage in ganzen Regionen. Pandemien werden zunehmen, Ressourcen sich weiter verknappen, und die Überbevölkerung droht im Verlauf des Jahrhunderts weiter zuzunehmen. Lebten 1958, im Jahr meiner Geburt, drei Milliarden Menschen auf der Erde, sind es heute fast acht und könnten es 2080 mehr als zehn Milliarden sein.“ (S.112)
Angekündigt werden hier die von Malthusianern verursachten und herbeigesehnten Kriege um Ressourcen, Umwelt und Migration. Zu den Feinden in der Ferne kämen noch die Feinde im Inneren, wie solche, die Frau Strack-Zimmermanns angebliche „Werte“ mit Füßen treten, die Extremisten, Terroristen und Verschwörungserzähler. Bei dieser neuen Kriegspolitik soll Deutschland die führende Rolle spielen und endlich aufhören, auf der Bremse zu stehen. „Unsere Bündnispartner, allen voran die Amerikaner, erwarten von Deutschland, endlich seiner zentralen Rolle in Europa gerecht zu werden und Führung zu übernehmen.“ (S.53) Ende der Zusammenfassung.
Den eigentlichen Grund für die neue Kriegspolitik formuliert Strack-Zimmermann ziemlich präzise, auch wenn dem politisch ungeschulten Leser das nicht sofort auffallen mag. Es sind die globalen Veränderungen, die das westliche Systemverständnis bis ins Mark erschüttern:
„Die Aufteilung der Welt in Freund und Feind fällt heute nicht mehr so leicht wie zur Zeit der großen Militärblöcke. Damals haben wir im Westen gesehen, daß es Freiheit, Demokratie und Wohlstand nur im Paket gab. Dort, wo Diktatoren und Autokraten herrschten, ging es den Menschen sozial und wirtschaftlich deutlich schlechter. Die Überzeugung, im richtigen System zu leben, war verknüpft mit der Erkenntnis, daß es der Gesamtbevölkerung besser geht, wenn es dem Einzelnen gut geht und er sich nach seinem Gusto und seinen Fähigkeiten entsprechend frei entfalten kann. Das hat sich insofern geändert, als Wohlstand und technischer Fortschritt inzwischen auch in Ländern zu Hause sind, die mit einer freiheitlichen, pluralistischen Demokratie (nach ihrem Verständnis, Anm. AA) nichts gemein haben.“ (S.42)
Und weiter am Ende des Buches:
„Doch wir merken bereits jetzt, daß sich die Kräfteverhältnisse in der Welt verändern. Indien, Brasilien und Indonesien erlangen immer mehr Gewicht. Und auch die Staaten auf dem afrikanischen Kontinent streben eine stärkere Rolle im internationalen System an.“ (S.125)
Während also der größte Teil unserer Welt wirtschaftliche Entwicklung zum zentralen Thema gemacht hat, befindet sich die atlantische Wirtschaftswelt in einem steten Niedergang. Das ist der eigentliche Konflikt. Dazu aber schweigt Strack-Zimmermann oder stellt sich blind, vielleicht auch dumm. Die Tatsache, daß wir in Deutschland gerade dabei sind, unsere Standortvorteile gründlich zu verspielen, wird nicht erwähnt. Auch nicht die katastrophale Energiewende und die mittlerweile stark angeschlagene Bahninfrastruktur. Sie spricht auch nicht über den Mangel an Fachkräften und den grottenschlechten Zustand des Bildungssystems. Und sie spricht erst recht nicht von dem bankrotten Finanzsystem, wo inzwischen täglich 80% aller Transaktionen auf sinnlose Wettgeschäfte fallen. Aber die westlichen Werte, die müßten wir jetzt selbst mit Waffen zu verteidigen bereit sein!!
Nicht eine dieser Fehlentwicklungen ist wegen unserer westlichen Werte passiert – ganz im Gegenteil –, sondern weil diese Werte dank der britisch-liberalen, fortschrittsfeindlichen Nullwachstumspolitik seit 40 Jahren Stück für Stück bis zur Unkenntlichkeit unterhöhlt wurden. Statt Menschen in den Mittelpunkt zu stellen, wurde das Geld angehimmelt. Das war zu den besseren Zeiten genau umgekehrt.
Aber wann und wo wurden die Weichen falsch gestellt? Warum ist diese Abgeordnete, die als eine der profiliertesten bezeichnet wird, nicht in der Lage zu erkennen, daß die Unterhöhlung unserer Werte mit der Akzeptanz der menschenfeindlichen grünen Ideologie und der totalen Deregulierung der Finanzmärkte begann? Strack-Zimmermann selbst wird höchstens vom Schreibtisch aus in den Krieg ziehen. Aber es ist nicht das erste Mal, daß Liberale ihres Kalibers die Jugend unter falscher Flagge in die Schlacht schicken.
Unsere jungen Menschen haben das nicht verdient. Sie könnten stattdessen teilhaben an einer Ära wirtschaftlichen Aufbaus, wie sie heute schon von der Mehrheit aller Staaten angestrebt wird.