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Neue Solidarität
Nr. 13, 30. März 2023

Credit-Suisse-Krise weckt neue Debatte
über das Glass-Steagall-Trennbankensystem

Von Alexander Hartmann und Claudio Celani

Am Wochenende des 18.-19. März erging aus New York, London und Brüssel Anweisung an Bern und Zürich, die Credit Suisse (CS) um jeden Preis zu retten. Der unaufhaltbare Run auf die Einlagen und die Erosion des Eigenkapitals trieben den einstigen Schweizer Riesen auf die Zahlungsunfähigkeit zu, und die hätte angesichts der Derivatgeschäfte amerikanischer Großbanken mit der CS eine Systemkrise ausgelöst.

Schließlich einigte man sich darauf, daß die Schweizer Großbank UBS ihre langjährige Konkurrentin CS übernimmt. Damit die UBS einwilligte, diese Last auf sich zu nehmen, wurde jedoch folgendes vereinbart: Die UBS übernimmt die CS für 3 Milliarden Schweizer Franken (CHF) – weniger als die Hälfte des Marktwerts, selbst auf dem derzeitigen niedrigen Niveau. Die Schweizer Regierung setzte das Mitspracherecht der Aktionäre bei einem solchen Vertrag mit einer Notverordnung aus. (Saudi-Arabien, der Hauptaktionär mit fast 10%, wird begeistert sein, für seine zu 4 Franken je Stück gekauften Aktien noch 76 Rappen zu erhalten.)

Zusätzlich werden 16 Mrd. CHF an CS-Schulden in Form nachrangiger Anleihen einfach ersatzlos gestrichen. Diese Gläubiger, denen eine Rendite von 7,5% versprochen worden war, haben ihr ganzes Geld verloren. Außerdem wurde zugesagt, mit bis zu 9 Mrd. CHF künftige Verluste aus Derivatwetten der CS zu decken, und die Schweizerische Nationalbank schafft zwei Sicherheitsnetze von jeweils 100 Mrd. CHF. Alles in allem beläuft sich das Rettungspaket damit auf 225 Milliarden Franken!

Unterdessen pumpte auf der anderen Seite des Atlantiks die Federal Reserve noch mehr Geld in die Kassen als selbst während der Krise 2008. In der Woche vor den „Iden des März“ nahmen die Banken insgesamt 164,8 Mrd. $ aus zwei Stützungsfenstern der Federal Reserve auf. Davon stammt eine Rekordsumme von 152,85 Mrd. $ aus dem Diskontfenster, dem traditionellen Liquiditätsreservoir für Banken. Der bisherige Rekord, 111 Mrd. $, stammte aus der Finanzkrise 2008.

Zusammen mit der Rettung mehrerer regionaler US-Banken und der Mega-Rettung der Credit Suisse legten die westlichen Zentralbanken am Wochenende vom 18.-19. März insgesamt über 700 Mrd. $ an Rettungsgeldern auf den Tisch. Und das ist noch nicht alles. Am 19. März gaben sechs Zentralbanken – Bank of England, Bank of Canada, Bank of Japan, EZB, Schweizerische Nationalbank und Federal Reserve – eine beispiellose Erklärung ab, in der sie unbegrenzte Rettungen durch ein Dollar-Swap-Abkommen zusagen. In der von der Fed veröffentlichten Erklärung heißt es:

Praktisch bedeutet dies, daß Banken, die wegen Gerüchten über Zahlungsschwierigkeiten keine Kredite von anderen Banken erhalten, sich kurzfristig Geld bei ihrer Zentralbank leihen können.

Kurz gesagt, die Krise von 2008 ist wieder da – oder besser gesagt, sie war nie weg! Und auch das Liquiditätspumpen („Quantitative Erleichterung“, QE) ist wieder da, sogar in noch größerem Ausmaß als 2008, weil die Schulden in der Zwischenzeit gewachsen sind.

Es sind die Derivate, Dummkopf!

Was mit einer relativ kleinen Bank in Kalifornien begann und angeblich keine Bedrohung für das Finanzsystem war, hat sich auf ein „systemrelevantes“ Institut wie die Credit Suisse ausgeweitet und erweist sich nun als das, wovor wir seit langem warnen: ein Vorbote des globalen Finanzkollapses. Durch 15 Jahre Gelddrucken ist die Schuldenblase heute noch größer als 2008, und die Zinserhöhungen, die der Inflationsbekämpfung dienen sollen, beschwören die Gefahr einer Kette von Insolvenzen herauf.

Außerdem pumpen die Zentralbanken, wie von uns vorhergesagt, wieder hektisch Liquidität in das System – „Inflationsbekämpfung“ hin oder her! Aber die mehr als 700 Mrd. $, die die Zentralbanken beiderseits des Atlantiks an dem Wochenende austeilten, werden nicht reichen, um das immer größere Loch zu stopfen, denn der Ansteckungseffekt breitet sich bereits im gesamten System aus.

Als Folge der CS-Pleite erfaßt ein Sturm den Markt für nachrangige Anleihen – im Finanzjargon AT1-Papiere (Additional-Tier 1) oder Contingent-Convertible-Anleihen (Coco) genannt. Diese Anleihen wurden nach der Finanzkrise 2008 als Puffer erfunden, damit bei einer Bankenpleite keine staatliche Rettungsaktion nötig wird. Die Käufer kennen das Risiko, trotzdem lassen sich viele von den hohen Renditen locken. Viele Käufer wollen nun die zuständigen Stellen in der Schweiz verklagen, um zu versuchen, Geld zurückzubekommen.

Noch weit größer als der AT1-Markt – das sind etwa 275 Mrd. $ – ist aber der weltweite Derivatemarkt mit 2 Billiarden $. Wenn Bankzusammenbrüche und Zahlungsausfälle erst einmal begonnen haben, ist der Effekt hier nicht mehr vergleichbar mit bloßen Dominosteinen in einer Reihe, wo einer den nächsten umwirft. Er gleicht vielmehr einer thermonuklearen Kettenreaktion, übertragen auf den Finanzbereich, wie der Ökonom Lyndon LaRouche häufig erklärt hat. Die verschiedenen Formen von Schulden sind nur die Lunte, doch die Derivate sind die Bombe, deren Sprengkraft um mehrere Größenordnungen stärker ist als die der Schulden an sich.

Die Credit Suisse hatte ein sehr hohes Verhältnis von Derivaten zu Vermögenswerten, 28:1. Ihre Gegenparteien bei den Derivatgeschäften sind US-Megabanken. Deshalb kam der Druck zur Rettung der CS von dort, wo auf die vier größten US-Banken 89% des gesamten Derivatengagements (173 Bio. $, Stand Ende 2022) entfallen:

Zum Vergleich: Die vier größten Banken Chinas haben zusammen Vermögenswerte von 19 Bio. $, aber ihre Derivate werden auf nur etwa 7 Bio. $ geschätzt – ein Verhältnis von weniger als 0,4:1.

Glass-Steagall ist wieder auf der Tagesordnung

Der Zusammenbruch der Credit Suisse hat die Bankentrennung („Glass-Steagall“) wieder in den Mittelpunkt der politischen Debatte gerückt, insbesondere in der Schweiz.

Dort hätte man vor zehn Jahren beinahe ein Gesetz zur Bankentrennung eingeführt, was aber vereitelt wurde. Im September 2009 hatte der Swatch-Gründer Nicholas Hayek den Chef der Schweizerischen Volkspartei (SVP) Christoph Blocher und den Chef der Sozialdemokratischen Partei (SP) Christian Levrat überzeugt, gemeinsam eine Gesetzesinitiative einzureichen, um durch eine Trennung zwischen Geschäfts- und Investmentbanken nach dem Vorbild des amerikanischen Glass-Steagall-Gesetzes von 1933 künftige staatliche Bankenrettungen zu vermeiden. Die Initiative stieß auf breite Unterstützung in der Bevölkerung und wurde 2011 vom Nationalrat, dem Unterhaus des Parlaments, angenommen. Doch die massive Lobbyarbeit der Finanzbranche und der „kosmopolitischen“ Eliten bewirkte, daß das Oberhaus, der Ständerat, die Initiative ablehnte.

Wäre das Gesetz durchgekommen, so wären das Schweizer Bankensystem und die Schweizer Wirtschaft heute vor dem Ausfall einer Investmentbank geschützt. Diese Erkenntnis bringt nun das Thema wieder auf den Tisch. Der SP-Fraktionsvorsitzende Roger Nordmann fordert die Wiederaufnahme des seinerzeit vom Ständerat abgelehnten Trennbanken-Vorschlags von 2009. Die Grüne Partei unterstützt die Idee. Die SVP, die sich damals für Glass-Steagall einsetzte, zögert nun allerdings. SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi sagte dem Schweizer Radio SRF: „Es ist zu prüfen, ob der alte Vorschlag noch gültig ist.“

In den USA fragte Senatorin Maria Cantwell, eine langjährige Glass-Steagall-Befürworterin, Finanzministerin Janet Yellen in einer Senatsanhörung am 16. März nach den Aussichten für eine Wiedereinführung des Gesetzes. Die Antwort war (erwartungsgemäß) nichtssagend. Im Repräsentantenhaus kündigte die Abgeordnete Marcy Kaptur an, einen ähnlichen Gesetzentwurf für die Wiedereinführung der Glass-Steagall-Bankentrennung wie schon 2013 einzubringen.

Neue Finanzarchitektur notwendig

Die Speerspitze der Forderung, daß der US-Kongreß sofort entsprechend eingreift, bildet jedoch die LaRouche-Bewegung. Bereits am 14. März veröffentlichte die Vorsitzende des Schiller-Instituts, Helga Zepp-LaRouche, einen „Aufruf zu einer internationalen Notkonferenz zur Reorganisation des bankrotten Finanzsystems“ (siehe Neue Solidarität 12/2023). Diane Sare, LaRouche-Kandidatin für den US-Senat im Staat New York, rief den Kongreß am 15. März auf, eine Sondersitzung über den Zusammenbruch des transatlantischen Finanzsystems einzuberufen. Sie erinnerte daran, daß Lyndon LaRouche schon vor Jahrzehnten gewarnt hatte, das System sei völlig bankrott und müsse „durch eine geordnete Konkurssanierung im Rahmen der Wiedereinführung des Glass-Steagall-Gesetzes zur Trennung von Geschäfts- und Investmentbanking wiederhergestellt werden. Das ist das erste von LaRouches ,Vier neuen Gesetzen zur Rettung der USA‘, die er 2014 entworfen hat...“

Konkurssanierung und Bankentrennung seien aber nur der notwendige erste Schritt, betonte Sare, um anschließend die Bedingungen für eine wirtschaftliche Erholung zu schaffen: