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Neue Solidarität
Nr. 10, 9. März 2023

Chinas Position zur politischen Beilegung der Ukraine-Krise

China veröffentlichte am 24. Februar den folgenden Vorschlag zur Lösung des Ukraine­konflikts, den der Spitzendiplomat Wang Yi auf der Münchner Sicherheitskonferenz angekündigt und auf seiner Europareise mit mehreren Regierungen besprochen hatte. Das kurze 12-Punkte-Dokument „Chinas Position zur politischen Beilegung der Ukraine-Krise“ ist eine ernsthafte Alternative dazu, den Krieg „so lange wie nötig“ zu verlängern, womit man die Eskalation zum nuklearen Weltkrieg riskiert.

Aus den USA wies Präsident Biden Pekings Initiative umgehend zurück, sie sei „nicht zielführend“, und er unterstellte, sie nütze nur Rußland! Die Vorstellung, daß China über den Ausgang eines Krieges verhandeln könnte, sei „völlig irrational“. Auch der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell lehnte den Plan ab, es sei bloß eine „Absichtserklärung, in der Peking alle seine bekannten Positionen darlegt“. Der Kreml hingegen begrüßte die Bemühungen Pekings, fügte aber hinzu, man sehe zum jetzigen Zeitpunkt keine Möglichkeit für eine politische Lösung. Präsident Xi wird im März zu einem Besuch in Moskau erwartet.      
– alh

1. Respektierung der Souveränität aller Länder. Das allgemein anerkannte Völkerrecht, einschließlich der Ziele und Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen, muß strikt eingehalten werden. Die Souveränität, Unabhängigkeit und territoriale Integrität aller Länder muß wirksam gewahrt werden. Alle Länder, ob groß oder klein, stark oder schwach, reich oder arm, sind gleichberechtigte Mitglieder der internationalen Gemeinschaft. Alle Parteien sollten gemeinsam die grundlegenden Normen für die internationalen Beziehungen aufrechterhalten und für internationale Fairneß und Gerechtigkeit eintreten. Die gleichberechtigte und einheitliche Anwendung des Völkerrechts ist zu fördern, während Doppelstandards abzulehnen sind.

2. Abkehr von der Mentalität des Kalten Krieges. Die Sicherheit eines Landes sollte nicht auf Kosten anderer Länder angestrebt werden. Die Sicherheit einer Region sollte nicht durch die Stärkung oder Ausweitung von Militärblöcken erreicht werden. Die legitimen Sicherheitsinteressen und -anliegen aller Länder müssen ernst genommen und angemessen berücksichtigt werden. Es gibt keine einfache Lösung für ein komplexes Problem. Alle Parteien sollten, der Vision einer gemeinsamen, umfassenden, kooperativen und nachhaltigen Sicherheit folgend und mit Blick auf den langfristigen Frieden und die Stabilität in der Welt, dazu beitragen, eine ausgewogene, effektive und nachhaltige europäische Sicherheitsarchitektur zu schaffen. Alle Parteien sollten sich dem Streben nach eigener Sicherheit auf Kosten der Sicherheit anderer widersetzen, eine Blockkonfrontation verhindern und sich gemeinsam für Frieden und Stabilität auf dem eurasischen Kontinent einsetzen.

3. Beendigung der Feindseligkeiten. Konflikte und Kriege sind für niemanden von Vorteil. Alle Parteien müssen rational bleiben und Zurückhaltung üben, es vermeiden, die Flammen zu schüren und die Spannungen zu verschärfen, und verhindern, daß sich die Krise weiter verschlimmert oder gar außer Kontrolle gerät. Alle Parteien sollten Rußland und die Ukraine dabei unterstützen, in die gleiche Richtung zu arbeiten und den direkten Dialog so schnell wie möglich wieder aufzunehmen, um die Situation schrittweise zu deeskalieren und schließlich einen umfassenden Waffenstillstand zu erreichen.

4. Wiederaufnahme der Friedensgespräche. Dialog und Verhandlungen sind die einzige praktikable Lösung für die Ukraine-Krise. Alle Bemühungen, die zu einer friedlichen Beilegung der Krise beitragen, müssen gefördert und unterstützt werden. Die internationale Gemeinschaft sollte sich weiterhin für den richtigen Ansatz zur Förderung von Friedensgesprächen einsetzen, den Konfliktparteien dabei helfen, so bald wie möglich die Tür zu einer politischen Lösung zu öffnen, und Bedingungen und Plattformen für die Wiederaufnahme von Verhandlungen schaffen. China wird in dieser Hinsicht weiterhin eine konstruktive Rolle spielen.

5. Beilegung der humanitären Krise. Alle Maßnahmen, die dazu beitragen, die humanitäre Krise zu lindern, müssen gefördert und unterstützt werden. Humanitäre Maßnahmen sollten den Prinzipien der Neutralität und Unparteilichkeit folgen, und humanitäre Fragen sollten nicht politisiert werden. Die Sicherheit der Zivilbevölkerung muß wirksam geschützt werden, und es sollten humanitäre Korridore für die Evakuierung der Zivilbevölkerung aus den Konfliktgebieten eingerichtet werden. Es müssen Anstrengungen unternommen werden, um die humanitäre Hilfe in den betroffenen Gebieten zu verstärken, die humanitären Bedingungen zu verbessern und einen schnellen, sicheren und ungehinderten Zugang zu humanitärer Hilfe zu gewährleisten, um eine humanitäre Krise größeren Ausmaßes zu verhindern. Die Vereinten Nationen sollten bei der Koordinierung der humanitären Hilfe für die Konfliktgebiete unterstützt werden.

6. Schutz von Zivilisten und Kriegsgefangenen (POWs). Die Konfliktparteien sollten sich strikt an das humanitäre Völkerrecht halten, Angriffe auf Zivilisten oder zivile Einrichtungen vermeiden, Frauen, Kinder und andere Opfer des Konflikts schützen und die Grundrechte der Kriegsgefangenen achten. China unterstützt den Austausch von Kriegsgefangenen zwischen Rußland und der Ukraine und fordert alle Parteien auf, günstigere Bedingungen für diesen Zweck zu schaffen.

7. Sicherheit von Kernkraftwerken. China lehnt bewaffnete Angriffe auf Kernkraftwerke oder andere friedliche kerntechnische Anlagen ab und fordert alle Parteien auf, das Völkerrecht, einschließlich des Übereinkommens über nukleare Sicherheit, einzuhalten und von Menschen verursachte nukleare Unfälle entschlossen zu vermeiden. China unterstützt die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEA) dabei, eine konstruktive Rolle bei der Förderung der Sicherheit friedlicher Nuklearanlagen zu spielen.

8. Verringerung der strategischen Risiken. Atomwaffen dürfen nicht eingesetzt werden und Atomkriege dürfen nicht geführt werden. Der Einsatz von Atomwaffen oder die Drohung damit ist abzulehnen. Die Weiterverbreitung von Kernwaffen muß verhindert und eine nukleare Krise vermieden werden. China lehnt die Erforschung, Entwicklung und den Einsatz von chemischen und biologischen Waffen durch jedes Land unter allen Umständen ab.

9. Erleichterung der Getreideexporte. Alle Parteien müssen die von Rußland, der Türkei, der Ukraine und den Vereinten Nationen unterzeichnete Schwarzmeer-Getreide-Initiative in ausgewogener Weise vollständig und wirksam umsetzen und die Vereinten Nationen dabei unterstützen, eine wichtige Rolle in dieser Hinsicht zu spielen. Die von China vorgeschlagene Kooperationsinitiative zur globalen Ernährungssicherheit bietet eine praktikable Lösung für die weltweite Nahrungsmittelkrise.

10. Beendigung einseitiger Sanktionen. Einseitige Sanktionen und maximaler Druck können das Problem nicht lösen; sie schaffen nur neue Probleme. China lehnt einseitige, vom UN-Sicherheitsrat nicht genehmigte Sanktionen ab. Die betroffenen Länder sollten aufhören, einseitige Sanktionen und extraterritoriale juristische Maßnahmen gegen andere Länder zu mißbrauchen, um so ihren Teil zur Deeskalation der Ukraine-Krise beizutragen und die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß die Entwicklungsländer ihre Wirtschaft ausbauen und die Lebensbedingungen ihrer Bevölkerung verbessern können.

11. Aufrechterhaltung der Industrie- und Lieferketten. Alle Parteien sollten sich ernsthaft für den Erhalt des bestehenden Weltwirtschaftssystems einsetzen und sich dagegen wehren, die Weltwirtschaft als Werkzeug oder Waffe für politische Zwecke zu benutzen. Es bedarf gemeinsamer Anstrengungen, um die Auswirkungen der Krise abzuschwächen und zu verhindern, daß sie die internationale Zusammenarbeit in den Bereichen Energie, Finanzen, Lebensmittelhandel und Verkehr stört und die weltweite wirtschaftliche Erholung untergräbt.

12. Förderung des Wiederaufbaus nach Konflikten. Die internationale Gemeinschaft muß Maßnahmen ergreifen, um den Wiederaufbau nach Konflikten in Konfliktgebieten zu unterstützen. China ist bereit, dabei Hilfe zu leisten und eine konstruktive Rolle zu spielen.


(Quelle: Außenministerium der VR China, https://www.fmprc.gov.cn/mfa_eng/zxxx_662805/202302/t20230224_11030713.html)