Deutschlands Verhalten ist absurd

Von Scott Ritter

Scott Ritter ist ehemaliger UN-Waffeninspektor.

Vielen Dank, daß Sie mich gebeten haben, das Wort zu ergreifen, das ist ein Privileg.

Lassen Sie uns zunächst über Deutschland und die aktuelle Situation im Zusammenhang mit dem jüngsten Raketenangriff auf polnisches Gebiet sprechen.

Wenn man der deutschen Regierung zuhört, hat sie gesagt: „Wir haben nicht überreagiert, wir suchen keinen Konflikt mit Rußland. Wir versuchen, eine Eskalation der Spannungen zwischen Rußland und der NATO zu vermeiden. Das Letzte, was wir wollen, ist ein NATO-Rußland-Konflikt.“

Ich muß sagen, das ist völlig absurd, wenn man sich anschaut, was Deutschland getan hat.

Ja, Deutschland hat sich nicht auf Artikel 4 berufen oder die Berufung auf diesen Artikel unterstützt – eine NATO-Versammlung als Reaktion auf diesen Angriff –, wobei es zu Recht feststellte, daß es sich nicht um einen russischen Angriff auf Polen handelte, sondern um eine, wie es heißt, „fehlgeleitete ukrainische Rakete“. Trotzdem geben sie weiter Rußland die Schuld.

Sie sagen, dieser Krieg hätte nicht stattgefunden, wenn Rußland nicht in die Ukraine einmarschiert wäre – als ob Deutschland nichts dazu beigetragen hätte, die Bedingungen zu schaffen, die zu der russischen Entscheidung zum Einmarsch geführt haben, als ob Deutschland nicht Teil des sogenannten „Normandie-Formats“ gewesen wäre, Deutschland und Frankreich, die zusammen mit der Ukraine die Minsk-2-Vereinbarungen aushandelten, die einen diplomatischen Ausweg aus dem Konflikt finden sollten – wenn die Ukraine diese Vereinbarungen denn umgesetzt hätte.

Was hat Deutschland von 2015 bis 2022 getan, damit diese Vereinbarungen umgesetzt werden? Tatsächlich hat es den Anschein, daß Deutschland mit der Ukraine zusammengearbeitet hat, um die Umsetzung dieser Vereinbarungen zu verhindern. Der ehemalige ukrainische Präsident Petro Poroschenko hat gesagt, die Minsker Vereinbarungen seien eine Farce gewesen; der einzige Zweck sei gewesen, Zeit zu gewinnen, damit das ukrainische Militär von der NATO ausgebildet werden konnte, um die Donbaß-Frage mit Gewalt lösen zu können.

Die Donbaß-Frage bezieht sich natürlich auf Lugansk, Donezk und deren Status. Nach den Minsker Vereinbarungen sollten sie Teil der Ukraine bleiben, die territoriale Integrität respektieren, aber sie sahen eine Art politische Autonomie für die ethnisch russische Bevölkerung in diesem Gebiet vor, so daß sie ihre Sprache sprechen, ihre Religion und ihre Kultur praktizieren können, ohne Angst vor Verfolgung oder Unterdrückung.

Wo war Deutschland, als die Ukrainer die Minsker Vereinbarungen als Tarnung und Schutz benutzten? Deutschland bildete ukrainische Truppen aus, also wußte Deutschland offensichtlich genau, was es tat.

Die NATO-Osterweiterung

Werfen wir nun einen Blick auf die Gegenwart, nachdem der Konflikt begonnen hat. Das ist kein Konflikt, den Rußland angefangen hat. Die NATO hat ihn angefangen, indem sie ihre Grenze bis zur Ukraine ausdehnte. Wo war Deutschland bei allen Diskussionen über die NATO-Erweiterung? Wo war Deutschland, als gesagt wurde, jeder wisse, daß der Versuch, die Ukraine aus der russischen Einflußsphäre herauszubrechen, zu einer russischen Militäraktion führen könnte?

Deutschland kann nicht behaupten, daß es das nicht wüßte: Sie sind Mitglied der NATO, sie saßen im Bukarester Konvent 2008, der die Ukraine einlud. Und sie wußten, daß der CIA-Direktor William Burns damals warnte, wenn man die Politik der NATO-Erweiterung in der Ukraine weiterverfolge, wäre das Endergebnis eine russische militärische Antwort, die dazu führen würde, daß die Ukraine die Krim und den Donbaß verliert. Das wurde im Februar 2009 geschrieben.

Deutschland kann sich also nicht darauf berufen, daß es die Folgen seines Handelns nicht kannte. Sie wußten es, jeder wußte es, und sie haben es trotzdem getan.

Und jetzt schauen wir uns an, was in Polen passiert ist: Deutschland sagt, wir wollen keinen Konflikt heraufbeschwören. Warum schickt Deutschland dann zwei Patriot-Batterien an die ukrainische Grenze?

Zunächst einmal sollte die Vorstellung, daß deutsche Truppen nach Polen kommen, um sich gegen Rußland zu stellen, jeden Menschen mit gesundem Menschenverstand und Geschichtsverständnis zur Weißglut treiben! Deutschland sollte niemals Truppen nach Polen schicken! Deutschland sollte kein Interesse an Polen haben. Deutschland hat das Recht verloren, sich für Polen zu interessieren, aufgrund seiner Geschichte!

Verzeihung, aber Sie schicken jetzt Raketenbatterien an die polnisch-ukrainische Grenze, wozu? Sie sind nicht für eine Flugverbotszone? Warum stellen Sie dann Raketenbatterien an die Grenze, deren Schutzschirm bis in die Ukraine reicht? Sie schaffen die Voraussetzungen für eine faktische Flugverbotszone und damit genau den Konflikt, von dem Sie sagen, daß Sie ihn nicht wollen!

Ich habe jetzt ein Problem mit Deutschland. Deutschland betreibt eine Politik, die zu buchstäblich nichts anderem führt als zu einem Konflikt mit Rußland, wobei es die Tatsache ignoriert, daß Rußland Deutschland gar nicht angegriffen hat. Wissen Sie, wer es angegriffen hat? Die Vereinigten Staaten.

Fragen Sie sich, liebe Deutsche: Wer hat Nord Stream 1 angegriffen? Wer hat Nord Stream 2 angegriffen? Wer stranguliert die deutsche Wirtschaft, indem er Sie daran hindert, billiges, erschwingliches, nachhaltiges russisches Gas zu kaufen, und darauf besteht, daß Sie statt dessen teures amerikanisches Flüssiggas kaufen, das Ihre Gesellschaft und Ihre Wirtschaft in den Ruin treibt? Es ist nicht Rußlands Schuld, daß Deutschland die Probleme hat, die es heute hat! Es ist Amerikas Schuld – und es ist Deutschlands Schuld, daß es das nicht erkannt hat!

Vielen Dank, daß Sie mir die Gelegenheit gegeben haben, zu sprechen. Wenn Sie Fragen haben, bin ich gerne bereit, sie zu beantworten.