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Neue Solidarität
Nr. 44, 3. November 2022

Wichtiges kurzgefaßt

Großbritanniens neuer Premierminister: Alles beim Alten?

In seiner ersten Rede als neuer britischer Regierungschef versprach Rishi Sunak, ehemaliger Goldman-Sachs-Banker und reichster Mann im Unterhaus, die notwendigen „schwierigen Entscheidungen“ zur Bewältigung der „tiefgreifenden Wirtschaftskrise“ zu treffen, die eine globale Folge von COVID und dem Ukraine-Krieg sei.

Er nannte keine Einzelheiten zu den „schwierigen Entscheidungen“, aber schon vor Sunaks Bestätigung hatte der Chefkommentator des Guardian, Simon Jenkins, geschrieben, die oberste Priorität müsse die Wiederherstellung von Stabilität durch Austerität sein: „Stabilität hängt von einer brutalen neuen Runde von Ausgabenkürzungen ab, die am 31. Oktober ansteht.“

Jenkins ist auch gegen Neuwahlen, denn „Instabilität ist das Letzte, was die Wirtschaft braucht“. (Unser Kommentar: Wer braucht schon „Demokratie“, wenn die City kurz vor dem Untergang steht?) Bei seinem ersten Treffen als Premier mit Tory-Abgeordneten folgte Sunak Jenkins‘ Rat und kündigte an, keine vorgezogenen Neuwahlen anzusetzen.

Sunaks akute Herausforderung ist die Rolle Großbritanniens in der sich entfaltenden globalen Finanz- und Anleihenkrise, die ausbrach, als die ehemalige Premierministerin Liz Truss ihren „Mini-Haushalt“ und Steuersenkungen ankündigte. Die Bank von England griff daraufhin mit einer Quantitativen Lockerung in Höhe von 65 Mrd. Pfund ein, um einen Zusammenbruch von Pensionsfonds und Versicherungsgesellschaften und eine tödliche Spirale für britische Staatsanleihen zu verhindern.

Am 21. Oktober gab das Finanzministerium bekannt, es werde 11 Mrd. Pfund an die Bank von England überweisen, um die Verluste aus dem QE-Programm auszugleichen. Die erste Tranche von mehreren hundert Millionen floß bereits. Dies wird zu der „schwierigen Entscheidung“ führen, entweder mehr Schulden zu machen, was die Inflation anheizt, oder neue Steuern zu erheben, was „politische Instabilität“ verursacht.

In dem ganzen politischen Zirkus der letzten zwei Monate wurde die eigentliche Herausforderung, nämlich der Krieg in der Ukraine, mit keinem Wort erwähnt - von der Gefahr eines Atomkriegs ganz zu schweigen. Sunak gilt als ebenso antirussisch wie die Vorgängerregierungen und es ist höchst unwahrscheinlich, daß er die Ukraine-Politik der kriegerischsten aller westlichen Hauptstädte ändern wird. Während der neue Premierminister fast die Hälfte der Kabinettsmitglieder entließ, ernannte er Ben Wallace, den Favoriten der Kriegspartei, erneut zum Verteidigungsminister, und Jeremy Hunt, die Wahl der Londoner City, bleibt Schatzkanzler.

* * *

Italien: Neue Regierung könnte für Überraschungen sorgen

Am 22. Oktober wurde die neue italienische Regierung vereidigt. Unter der Führung von Giorgia Meloni, der Vorsitzenden der Fratelli d'Italia (FdI), besteht die Koalition aus FdI, Lega, Forza Italia (FI) und den kleinen „Moderaten“. Oberflächlich betrachtet ist es eine pro-europäische, pro-atlantische Regierung, aber einige Paradoxien könnten Überraschungen bringen.

Da ist zunächst einmal der Außenminister und einer der beiden stellv. Ministerpräsidenten Antonio Tajani, ehemaliger Präsident des Europaparlaments und rechte Hand Silvio Berlusconis. Traditionell geht der Posten an einen Koalitionspartner, aber durchgesickerte Äußerungen Berlusconis vor der FI-Fraktion hatten Tajanis Eignung für das Amt ernsthaft in Frage gestellt. „Ich habe die Kontakte zu Putin wiederhergestellt“, sagte Berlusconi. „Zu meinem Geburtstag schickte er mir 20 Flaschen Wodka und einen ganz lieben Brief. Ich antwortete mit Lambrusco-Flaschen und einem ebenso lieben Brief. Ich habe ihn als einen vernünftigen Menschen und Mann des Friedens kennengelernt.“

Berlusconi zeigte sich „sehr, sehr besorgt“ über Italiens Waffen- und Geldlieferungen an die Ukraine. Seine Äußerungen erhielten Beifall von der gesamten Fraktion.

Für Meloni, die sich zuletzt mit einer aggressiven Haltung gegenüber Rußland und China hervortat, um Washington, London und Brüssel zu besänftigen, drohten solche Äußerungen ihre Bemühungen zu torpedieren. Man erwartete, daß Staatspräsident Mattarella sein Veto gegen Tajani einlegt, aber er tat es nicht. Auch wenn Melonis erstes Telefonat als Ministerpräsidentin mit Präsident Selenskyj war und Tajanis erste Äußerungen als Außenminister fast wie die Kriegsfraktion klangen, ist das letzte Wort noch nicht gesprochen.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, daß dieses Kabinett nach vielen Regierungen voller ungewählter Technokraten aus gewählten Volksvertretern besteht. Das Wirtschaftsministerium ging an Giancarlo Giorgetti, Nummer Zwei der Lega. Leider vertritt er die Fraktion der freien Marktwirtschaft in der Partei und ist für ihre Unterstützung der Regierung Draghi verantwortlich, die der Lega ein katastrophales Wahlergebnis eintrug. Aber er wird im Kabinett unter Lega-Chef Matteo Salvini arbeiten, der zweiter stellv. Ministerpräsident wird.

Salvini hat auch das Ressort Infrastruktur, was eine gute Nachricht ist. Er und der neue Minister für die Entwicklung des Mezzogiorno, Nello Musumeci, befürworten den Bau der Messina-Brücke und allgemein den Ausbau der Infrastruktur in Süditalien.

Ein weiterer interessanter Wechsel ist der neue Minister für Umwelt und Energiesicherheit, Gilberto Pichetto Fratin (FI), der gegen den EU-Plan „Fit for 55“ ist. Das Verteidigungsministerium geht an Guido Crosetto, einen Ex-Abgeordneten, der den Verband der Luft- und Raumfahrt- und Rüstungsindustrie leitet und die Pro-NATO-Fraktion vertritt.

Die neue Regierung wurde unter einem Damoklesschwert vereidigt, weil die Koalition (ähnlich wie Liz Truss) Steuersenkungen sowie zusätzliche Ausgaben zur Unterstützung von Unternehmen und Haushalten in der Energiekrise befürwortet, was einen Ansturm auf die Staatsschulden auslösen und die Regierung zur Geisel der EZB machen könnte. Die eigentliche Herausforderung für Rom ist jedoch, der Erosion des Lebensstandards entgegenzuwirken und die zunehmenden sozialen Proteste zu bewältigen.