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Neue Solidarität
Nr. 40, 6. Oktober 2022

Die LaRouche-Bibliothek wird eröffnet:
Eine revolutionäre Intervention

Von Helga Zepp-LaRouche

Helga Zepp-LaRouche ist die Gründerin und Präsidentin des Schiller-Instituts.

Hallo, guten Tag. Ich bin sehr stolz und glücklich, die wundervolle Aufgabe zu haben, Ihnen als Teilnehmer dieser Konferenz zum 100. Geburtstag von Lyndon LaRouche, meinem verstorbenen Mann, und der ganzen Welt die Eröffnung der Digitalen Bibliothek seines Werkes, in schriftlicher Form wie auch in Audio- und Videoform, anzukündigen. Wie Dennis gerade sagte, bedeutet das, daß von nun an Studenten und Wissenschaftler, aber auch normale Bürger Zugang zu seinem enormen Ideenschatz haben werden.

Diese Tatsache ist absolut revolutionär, denn die internationale Oligarchie hat eine riesige, konzertierte internationale Operation durchgeführt, um nicht nur seine Schriften, sondern sogar seine Existenz zu unterdrücken. Vielleicht werden Historiker eines Tages herausfinden, daß es sich dabei um die ausgeklügeltste Operation zur Unterdrückung der Ideen eines einzelnen Menschen handelte, die es je gab.

Jetzt erhalten die Menschen in jedem Land der Welt Zugang dazu. Ich stimme Dennis nicht ganz zu, was die Anzahl der Bücher angeht, denn ich denke, es werden Hunderte von Büchern sein, dazu Tausende von Artikeln, zahlreiche aufgezeichnete Reden und Vorträge.

Was werden Sie feststellen, wenn Sie das tun (die digitale Bibliothek nutzen)? Nun, viele Menschen, die ihn persönlich kannten, haben wiederholt erklärt, daß er der gebildetste und kenntnisreichste Mensch war, den sie je getroffen haben.

Ich hatte das Glück, gemeinsam mit ihm in viele Länder zu reisen – es dürften um die 40 gewesen sein. Und was mir und natürlich auch anderen Menschen immer wieder auffiel, war, daß er mit den unterschiedlichsten Menschengruppen sprechen konnte, seien es Wissenschaftler in Rußland, Fischer in Peru, Schuhmacher in Italien, Militärs in Frankreich, Staatsführer aus Afrika, Philologen in Indien, Musiker aus vielen Ländern, Historiker aus Europa, Ingenieure und Landwirte aus den Vereinigten Staaten, Industrielle aus Deutschland. Die Liste ließe sich noch sehr lange fortsetzen. Er hinterließ bei seinen Gesprächspartnern immer den Eindruck, daß er ein Experte auf ihrem Gebiet war und mehr über die Materie wußte als sie selbst.

Um nur ein Beispiel zu nennen. Nachdem er zwei Tage lang mit niemand anderem als dem weltbesten Musiker, Norbert Brainin – dem ersten Geiger des berühmten Amadeus-Quartetts und jahrzehntelangen Freund von ihm –, über die Prinzipien der klassischen Musik, musikalische Komposition, Motivführung und die Kunst, die Intention des Komponisten zu verstehen, diskutiert hatte, kam dieser zu dem Schluß, daß Lyn mehr über Musik wußte als er selbst. Und das bedeutet eine Menge, denn Norbert Brainin war ein Genie auf seinem Gebiet.

Aber trotz seines universellen Wissens gab es in Lyn nicht ein Jota Arroganz oder Ego. Er lebte so sehr in den Höhen der Ideen, daß er in seinen Gesprächspartnern einen kreativen Funken hervorrufen konnte, einen sich selbst erhaltenden Impuls, mit größerer Klarheit zu denken, so daß sich der Gesprächspartner stets selbst erhöht fühlte und motiviert war, neue Wissensgebiete und andere Sichtweisen zu erkunden. Auf diese Weise berührte er in seinem langen und äußerst produktiven Leben das Leben einer großen Zahl von Menschen.

Er war ein wahrhaft universeller Denker, der bewies, daß es trotz der Komplexität unserer Zeit durchaus möglich ist, alle wesentlichen Wissensgebiete zu kennen, und daß der Elfenbeinturm der Experten kein Schicksal war für einen Menschen, der die Methode des Wissenserwerbs beherrschte, anstatt ein Brotgelehrter zu sein, also jemand, der nur für sein Geld arbeitet. Er war wirklich ein philosophischer Geist, wie ihn Schiller in seinem Essay Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte? beschreibt.

Natürlich war er in erster Linie Wirtschaftswissenschaftler. Die Leser der digitalen Bibliothek finden dort eine beispiellose Darstellung sowohl der Entwicklung der Wissenschaft der physischen Ökonomie, von den antiken Wurzeln in der Astronomie, Geometrie, dem Städtebau, dem Aufbau der Infrastruktur usw., als auch der Grundlagen der Physischen Ökonomie bei Leibniz, Hamilton, List, Carey, Witte und verwandten Wissenschaftlern wie Gauß, Riemann, Wernadskij und Einstein – aber auch die Theoretiker der entgegengesetzten oligarchischen Schule der Sklavenhalter-Gesellschaften und Imperien, wie die verschiedenen Schulen der Physiokraten, Monetaristen und Verfechter der Freihandelsdoktrin.

Er hat offensichtlich das fast vergessene Wissen über den grundlegenden Unterschied zwischen dem Amerikanischen und dem Britischen Wirtschaftssystem wiederbelebt. Wer lernen will, wie man eine erfolgreiche Wirtschaft für sein Land aufbaut, findet bei LaRouche sowohl die historischen Beispiele als auch die theoretischen Bausteine dazu.

Angesichts der offensichtlichen Krise der Wirtschaftswissenschaft, in der keine der etablierten Schulen – von der Österreichischen bis zur Chicagoer Schule, von den Keynesianern bis zu den Friedmanisten – auch nur annähernd in der Lage war, eine korrekte Wirtschaftsprognose abzugeben, ist das Studium von LaRouches Lehre von großer Bedeutung. Das Studium der LaRouche-Ökonomie ist offensichtlich ein Muß für jeden, der die Stümperei eines Paul Volcker oder eines Robert Habeck vermeiden will. Man denke nur an die vielen Ökonomen, die kurz vor der Systemkrise 2007/8 schrieben, daß der Boom von nun an ewig weitergehen würde und jedermann mit den richtigen Investitionen an der Börse Millionär werden könnte.

Aber auch der Student der Universalgeschichte findet hier einen unmißverständlichen Leitfaden, um die Entwicklung des oligarchischen Systems zu studieren. LaRouche beschrieb es u.a. als einen „Schleimpilz“, der im Laufe der Jahrhunderte zwar Farbe und Form ändern kann, aber im wesentlichen immer den gleichen Charakter behält, ein Schleimpilz zu sein, d.h. ein System, in dem eine kleine oligarchische Elite versucht, alle Privilegien für sich zu behalten, und deren grundlegendes Interesse darin besteht, die Bevölkerung so rückständig wie möglich zu halten.

Dieses System war in weiten Teilen der Welt die vorherrschende Form bis zum 15. Jahrhundert, als mit der Entstehung des souveränen Nationalstaats zum ersten Mal die Idee des Gemeinwohls als Zweck des Staates aufkam. Seitdem befinden sich diese beiden Ausrichtungen – Oligarchie und Nationalstaat – in einem ständigen Kampf, der noch nicht entschieden ist.

LaRouches Schriften bieten einen Wegweiser von den frühen Formen der Zivilisation zu den wesentlichen Kämpfen vor allem der europäischen Geschichte der letzten zweieinhalbtausend Jahre. Auf der Grundlage seiner profunden Kenntnis der Geschichte als eines Kampfes gegensätzlicher Ideen war er in der Lage, jedes neue historische Ereignis auf erstaunliche Weise zu begreifen. Wenn andere durch plötzliche Veränderungen in der strategischen oder politischen Situation verwirrt waren, konnte er das Ereignis einordnen und ihm einen richtigen Namen geben.

Der Grund für diese Fähigkeit hatte wiederum mit seiner Denkmethode zu tun, beruhend auf seiner völligen Beherrschung des platonischen Ideenuniversums und aller wichtigen Denker, die in dieser Tradition standen, wie Augustinus, die Kontroversen unter den Neuplatonikern, Nikolaus von Kues, Kepler, Leibniz usw. – ebenso wie seinem Verständnis des komplexen Bereichs und das Denken in Begriffen der Analysis situs, ein Begriff, der aus den geometrischen Überlegungen von Leibniz stammt.

Ein ganz anderer Bereich sind die verschiedenen strategischen Vorschläge und politischen Entwürfe, die, auch wenn sie für bestimmte historische Situationen gemacht wurden, immer noch gültige Prinzipien enthalten, die heute anwendbar sind.

Ein solches Beispiel ist die Strategische Verteidigungsinitiative, die als Lösung für die Mittelstreckenraketen-Krise zwischen der NATO und dem Warschauer Pakt Anfang der 80er Jahre für die Reagan-Präsidentschaft und die damalige sowjetische Regierung konzipiert wurde, aber noch heute der beste ausgearbeitete Vorschlag zur Schaffung einer neuen internationalen Sicherheits- und Entwicklungsarchitektur ist, die den Fluch der Geopolitik ersetzen soll. Er enthält den wesentlichen Gedanken, daß die einzige realistische Form der Abrüstung in einer Vereinbarung besteht, nukleare und andere Massenvernichtungswaffen technologisch obsolet zu machen und eine Form der Zusammenarbeit einzugehen, die sowohl die Interessen des anderen berücksichtigt als auch allen Seiten mehr Nutzen bringt als die Aufrechterhaltung der feindlichen Haltung.

Es wird viele überraschen zu sehen, daß LaRouche mit den tiefsten Prinzipien der Poesie, des Dramas und der Musik ebenso vertraut ist wie mit den universellen Prinzipien der Wissenschaften. Und nur von diesem Standpunkt aus war er in der Lage, die künstliche Trennung zwischen Naturwissenschaften und Geisteswissenschaften, die sich in Europa seit den Zeiten von Savigny und Kant herausgebildet hatte, methodisch zu überwinden.

LaRouches ständiges Interesse galt jedoch der Kreativität als jener spezifischen Fähigkeit, die die menschliche Gattung von allen anderen Lebensformen unterscheidet. Er interessierte sich daher für alle Aspekte und Prozesse, die die Kreativität des menschlichen Geistes fördern, und ebenso für diejenigen, die diese Fähigkeit herabsetzen, als etwas, das überwunden werden muß. Wenn man also den Schlüssel zur eigenen Kreativität finden will, gibt es keinen besseren Weg, als LaRouche zu studieren, der davon überzeugt war, daß jeder Mensch das Potential hat, ein Genie zu werden, auch wenn dies viele verschiedene Formen annehmen kann, weil im Bereich der Kreativität die Freiheitsgrade grenzenlos sind.

An dieser Stelle muß ich jedoch eine Warnung aussprechen. Als ich Lyn einmal fragte, wie es dazu kam, daß er ein solches Allround-Genie geworden ist, das so viele Wissensgebiete abdeckt und so viele grundlegende Durchbrüche auf so vielen Gebieten erzielt hat, hatte er eine sehr ernüchternde Antwort. Er sagte: „Es ist eine Menge Arbeit.“

Ich danke Ihnen.