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Neue Solidarität
Nr. 38, 22. September 2022

„Wie wir es geschafft haben, die Welt an den Abgrund zu bringen“

Von Prof. Georgij Toloraja

Prof. Georgij Toloraja ist Stellvertretender Vorsitzender des Vorstandes des Russischen Nationalen Komitees für BRICS-Forschung.

Guten Morgen, meine Damen und Herren. Es ist mir eine Freude und eine Ehre, auf der Konferenz „Wie die Menschheit die größte Krise der Weltgeschichte überleben kann“ zu sprechen, deren Titel leider sehr treffend ist, weil wir in diesem Jahr plötzlich in eine politische, wirtschaftliche und existentielle Krise geraten sind, die wirklich nur mit den schwersten Meilensteinen der Menschheitsgeschichte verglichen werden kann.

Natürlich ist sie nicht plötzlich oder nur ein unvorhergesehenes Ereignis, denn diese Krise wurde seit Jahren vorbereitet, mehr als drei Jahrzehnte. Denn als die Sowjetunion zusammenbrach – dank Michail Gorbatschow, von dessen Ableben ich gerade erfahren habe – meinten damals viele, dies sei das Ende der Geschichte, was bedeutete, daß es nun, da der Westen endlich über den Kommunismus und über alle Alternativen gesiegt hatte, keine Konflikte mehr geben würde. Das war jedoch nicht der Fall.

Rußland selbst wollte sich dieser neuen Weltordnung, dieser neuen, vom Westen geführten Ordnung, als gleichberechtigter Partner anschließen, aber diese Möglichkeit wurde ihm verwehrt. Darüber hinaus wurden Rußlands lebenswichtige Interessen nicht berücksichtigt, und ich bin mir nicht sicher, welche Pläne der Westen in Bezug auf Rußland hat, aber nach der Haltung der russischen Führung zu urteilen, könnte die ernste Gefahr bestehen, daß die gesamte Zivilisation untergraben wird.

Für Rußland ist der Krieg in der Ukraine also nicht nur ein ukrainischer Krieg, sondern ein existentieller Krieg. Rußland kämpft nicht, um Territorien oder Bevölkerung oder Ressourcen zu gewinnen – es hat genug Territorien und Ressourcen in seinem riesigen Staatsgebiet –, sondern um die drohende Gefahr des Zerfalls des Landes und der Zerstörung der gesamten russischen Zivilisation zu bekämpfen. Es handelt sich also um die Fortsetzung eines jahrhundertealten Kampfes mit dem Westen.

Natürlich ist dies heutzutage auch ein Teil des globalen Kampfes für eine neue, gerechtere internationale Ordnung. Denn die Ordnung und das System der Weltordnungspolitik, die uns in den letzten drei Jahrzehnten begleitet haben, stehen unter westlicher Führung. Es ist eine unipolare Welt, die sie zu errichten versuchen. Und wofür der Westen kämpft, ist nicht die Demokratie, sondern seine Vorherrschaft.

Demokratie ist natürlich eine gute Sache, aber letztlich ist sie nur ein Regierungssystem. Es ist gut, wenn Ihre Nachbarn dieses Regierungssystem haben, aber warum sollten Sie Ihre Ressourcen und sogar das Leben Ihrer Soldaten verschwenden, um dieses System in einem fremden Land zu installieren? Das ist nur ein Vorwand. Der wahre Grund ist Dominanz, Dominanz, die sich in wirtschaftlicher Dominanz niederschlägt und in der Tat andere Nationen und die ganze Welt zu ihrem eigenen Vorteil ausraubt.

Die neue internationale Situation, in der die aufstrebenden Mächte sowohl in ihrem Streben nach einem besseren Leben als auch bei der Lenkung ihres eigenen Schicksals teilhaben wollen, hätte natürlich früher oder später zu einem Widerspruch zu dieser Realität führen müssen. Der Krieg, der gerade begonnen hat, ist also Teil eines umfassenderen Kampfes, der leider weite Teile der Welt als eine globale Konfrontation zusammenführt, von der wir vielleicht erst den Anfang gesehen haben. Und sie könnte leider noch Jahrzehnte andauern. Aber es ist besser, daß er jahrzehntelang als ein langsam schwelender Konflikt andauert, als ein totaler Krieg, der leider nicht unmöglich ist. Manchmal beginnen die Kriege zufällig, und sie eskalieren zufällig, so daß heutzutage leider niemand eine zufällige Eskalation des Krieges ausschließen kann, die zu einer thermonuklearen Apokalypse führen könnte.

Gott verhüte, daß das passiert, aber in der Zwischenzeit ist es auch wichtig, eine positive Agenda zu haben. Eine positive Agenda bedeutet, daß, wie ich schon sagte, die Länder des Südens und die Länder des nicht-westlichen Teils der Welt nicht um die Vorherrschaft kämpfen sollten, sondern um eine gerechte Ordnung, die es ihnen ermöglicht, an der Entscheidungsfindung und der Umsetzung teilzunehmen und die Früchte ihrer Bemühungen zu ernten.

Einer der Gründe, warum dies nicht geschieht, ist das ungerechte Finanzsystem, das sich um den Dollar zentriert hat. Und dies funktioniert nur deshalb, weil dessen Emissionszentrale die eigenen Vorteile ernten kann, indem es einfach leere Geldscheine druckt. Deshalb ist die Forderung der LaRouche-Organisation nach einem neuen Bretton-Woods-System meiner Meinung nach sehr wichtig und sehr relevant.

Ein weiterer Faktor ist die Bündelung der Kräfte der größten Zivilisationsplattformen im BRICS-Format. Dazu gehören jetzt Brasilien, Rußland, Indien, China und Südafrika, und bald werden einige andere große Länder wie Argentinien und andere – Indonesien, vielleicht der Iran – zu uns stoßen. Dies ist eine wirklich große Kraft, die die globale Wirtschaftsordnung und die Finanzströme in einer Weise gestalten kann, die gerechter und zufriedenstellender für die gesamte Welt ist, nicht nur für eine kleine Anzahl von Profiteuren in den Ländern der sogenannten „Goldenen Milliarde“.

Ich denke, das ist genau das, was Lyndon LaRouche, dessen 100. Geburtstag wir feiern, angestrebt hat. Und ich glaube, daß die jetzige Konferenz sehr gut geeignet dazu ist, um diese Fragen zu diskutieren und Empfehlungen und Ideen zu entwickeln, die in der ganzen Welt unterstützt werden können. Daher wünsche ich Ihnen allen viel Erfolg. Ich danke Ihnen.