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Neue Solidarität
Nr. 38, 22. September 2022

Amerika allein in einer sich verändernden Welt?

Von Dr. Clifford A. Kiracofe

Dr. Clifford Kiracofe (USA) war leitender Mitarbeiter des US-Senatsausschusses für auswärtige Beziehungen und ist Präsident des Washington Institute for Peace and Development.

Ich möchte dem Schiller-Institut dafür danken, daß es mich eingeladen hat, auf dieser wichtigen Konferenz zu sprechen. Im Laufe der Jahre, von den unvergessenen Mittagessen mit Lyn in seinem Haus in Virginia bis zu den Konferenzen in Berlin mit Helga, fand ich die intellektuelle Atmosphäre inmitten einer freundlichen und aufmerksamen Gastfreundschaft stets anregend.

Mein heutiges Thema lautet:„Amerika allein in einer sich verändernden Welt?“ In diesem Titel steckt ein Fragezeichen, denn es bleibt abzuwarten, ob Washington seine Politik von der Konfrontation zu einem konstruktiven Engagement in der internationalen Gemeinschaft ändern wird. Unter internationaler Gemeinschaft verstehe ich die souveränen Staaten, die in der Generalversammlung der Vereinten Nationen vertreten sind. Die Vereinten Nationen müssen gestärkt werden und in den Mittelpunkt des internationalen Systems gestellt werden.

Das internationale System wandelt sich heute rasch von einem von den USA dominierten unipolaren System zu einem pluralistischen multipolaren System. Wir sehen den Aufstieg Chinas, die Rückkehr Rußlands, das Auftauchen von Ländern wie Iran, Indonesien, Mexiko, Ägypten, Brasilien und den wachsenden Einfluß verschiedener Formate und Organisationen wie BRICS, ASEAN, SCO und der Eurasischen Wirtschaftsunion. Dann gibt es eine neue Situation in Europa mit dem Ukraine-Krieg und dessen wirtschaftlichen und diplomatischen Auswirkungen nicht nur auf Europa, sondern auf die ganze Welt.

Ich möchte noch hinzufügen, daß die Beziehungen zwischen China und Rußland ein Schlüsselfaktor sind und die gemeinsame Erklärung der Präsidenten Xi und Putin vom 4. Februar dieses Jahres eine neue Etappe in der Entwicklung der internationalen Beziehungen darstellt. Die zunehmend kriegerischen und irrationalen Vereinigten Staaten könnten sich in einer sich wandelnden Welt, die nach Frieden und Entwicklung strebt, so isoliert und allein wie nie zuvor vorkommen.

Die Taiwan- und die Ukraine-Frage sind zu diesem Zeitpunkt von großer Bedeutung. Der Besuch von Pelosi auf der chinesischen Insel Taiwan hat die Spannungen verschärft. Pelosis Eskapade fand vor dem Hintergrund von Washingtons Stellvertreterkrieg gegen Rußland in der Ukraine und seiner „Diplomatie der leeren Hände“ im Pazifik, in Asien und Afrika statt.

Pazifische Inselstaaten, ASEAN und afrikanische Staaten haben die Bemühungen der USA, sie in den Kreuzzug gegen China und Rußland einzubeziehen, höflich zurückgewiesen.

Die europäischen Führungen, die in das NATO-Bündnis eingebunden sind, folgen dem Diktat Washingtons. Die wirtschaftlichen und sozialen Folgen von Washingtons Ukraine-Krieg fordern ihren Tribut in Europa, wie wir jeden Tag sehen. Zweifellos wird es zu politischer Instabilität kommen, wenn die europäische Öffentlichkeit erfährt, welche Auswirkungen es hat, wenn ihre Führer wirtschaftlichen Selbstmord begehen, indem sie den amerikanischen Stellvertreterkrieg in der Ukraine und die US-Sanktionen gegen Rußland und China unterstützen.

Die Vereinigten Staaten haben die Kriege in Korea, Vietnam, Afghanistan und Irak verloren. Jetzt sieht es so aus, als würden sie auch den Stellvertreterkrieg in der Ukraine verlieren. Ist Washington seit dem Sieg im Zweiten Weltkrieg über den deutschen Nationalsozialismus und den japanischen Militarismus zu einem Schurkenstaat geworden? Nicht wenige Experten und Beobachter behaupten das.

Fördern die USA den Weltfrieden, die kooperative Diplomatie im Rahmen der Vereinten Nationen und das Völkerrecht? Es ist schwer zu verbergen, daß Washington dies nicht tut, sagen Kritiker.

Die Pelosi-Rundreise durch Asien sollte Washingtons Anti-China-Politik bekräftigen. Aber niemand hat angebissen. Bezeichnenderweise zog es der südkoreanische Staatschef vor, mit Freunden zu Abend zu essen, anstatt Pelosi zu treffen. Die ASEAN-Mitglieder erinnerten Washington höflich daran, daß sie sich nicht für eine Seite in einem amerikanischen Nullsummenspiel im asiatisch-pazifischen Raum entscheiden wollen.

US-Außenminister Tony Blinken wurde auf seiner jüngsten Afrika-Reise, die sich gegen die chinesische Präsenz in Afrika richtete – genau das war sein Ziel –, ebenfalls abgewiesen. Es ist nicht verwunderlich, daß Südafrika seine Bemühungen ablehnend gegenüberstand. Das Land ist zusammen mit Brasilien, Rußland, Indien und China Mitglied der BRICS-Gruppe.

Die BRICS erweitern heute ihre Reichweite, da eine Reihe von Ländern an ihre Tür klopfen und um Aufnahme bitten. Es gibt gute praktische Gründe, dieser Organisation beizutreten, denn sie fördert die wirtschaftliche Entwicklung und die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedern in verschiedenen Bereichen. Die Organisation respektiert das souveräne Recht der Mitglieder, das für ihre Kultur am besten geeignete Entwicklungsmodell zu wählen.

Washingtons strategische Fehler

In ihrer nationalen Strategie und Außenpolitik haben die USA in den letzten sechs Jahrzehnten drei schwerwiegende und unumkehrbare Fehler begangen: den Vietnamkrieg, die Hegemonialpolitik nach dem Kalten Krieg und die Kriege in Afghanistan und im Irak. Die US-Führung hat aus ihren Fehlern und Mißerfolgen nichts gelernt.

Der alte Kalte Krieg wurde durch Diplomatie und ein Abkommen zwischen US-Präsident Ronald Reagan und dem verstorbenen Präsidenten der Sowjetunion, Michail Gorbatschow, beendet. Doch die herrschenden Kreise der USA bereiteten in einem mehrjährigen parteiübergreifenden Projekt den neuen Kalten Krieg vor, und zwar auf einer Reihe hochrangiger Konferenzen in den Jahren 2004 und 2005 – also vor fast 20 Jahren.

Ziel des politischen Projekts war es, den alten Kalten Krieg wiederaufleben zu lassen und ein bipolares, wenn nicht gar ein unipolares Blocksystem wiederherzustellen. Das alte Zweiblocksystem des Kalten Krieges zwischen der „Freien Welt“ und der „Kommunistischen Welt“ wurde umgewandelt und ein neuer Begriff eingeführt, nämlich die „demokratische“ Welt und die „autoritäre“ Welt – wiederum ein bipolarer Ansatz.

Es ist bemerkenswert, daß dieses Projekt, das sogenannte „Princeton-Projekt“, von George Schultz für die Republikaner und Tony Lake für die Demokraten geleitet wurde und zahlreiche hohe Beamter, Personen aus Denkfabriken, Akademiker usw. umfaßte. Der Abschlußbericht des Projekts wurde 2005 der Öffentlichkeit vorgestellt. Die Ko-Direktorin des Projektstabs, Anne Marie Slaughter, leitete später den politischen Planungsstab des US-Außenministeriums unter Präsident Barack Obama und Außenministerin Hillary Clinton. Ich möchte die Kontinuität zwischen der Obama-Administration, der Trump-Administration und der Biden-Administration in Bezug auf diese Außenpolitik der „Eindämmung“ von Rußland und China hervorheben.

Es ist bemerkenswert, daß an dieser Politikgruppe auch ausländische Teilnehmer wie japanische Diplomaten und Wissenschaftler sowie australische Geheimdienstmitarbeiter beteiligt waren. Daher sollten die Anti-China-Ausrichtung der „Quad“ (USA-Japan-Indien-Australien) und die neuere Anti-China-Ausrichtung der „AUKUS“ (Australien-UK-USA) nicht überraschen. Das Quad-Konzept war in der „Diamant“-Strategie des verstorbenen japanischen Premierministers Shinzo Abe gegen China enthalten.

Da es sich um ein parteiübergreifendes politisches Projekt handelte, war es nur logisch, daß es auch in den nächsten Regierungen weitergeführt werden würde. Biden setzt den außenpolitischen Konsens der US-Elite fort. Tatsächlich hat die Biden-Administration die Konsenspolitik auf ein schärferes und intensiveres Niveau gebracht als unter Trump oder Obama vor ihm. Die Kriegstreiberei der USA ist noch ausgeprägter und schärfer geworden. Die Erklärung dafür ist einfach. Während seiner gesamten politischen Laufbahn im US-Senat und als Vizepräsident unter Obama folgte Biden dem außenpolitischen Konsens des Establishments.

Bidens Politik des Neuen Kalten Krieges sollte daher keine Überraschung sein. Einige ausländische Hauptstädte, Akademiker und Beobachter mögen überrascht sein, daß Bidens Politik nicht gemäßigter ist als die von Trump. Aber nach eineinhalb Jahren Außenpolitik der Biden-Administration sollten sie vielleicht einmal über falsche Wahrnehmungen und Analysemethoden nachdenken.

Was kommt auf Washington zu?

Es ist offensichtlich, daß ein Sinneswandel im US-Establishment und seiner Außenpolitik in nächster Zeit nicht zu erwarten ist. Natürlich wünscht sich das amerikanische Volk Frieden und Entwicklung, aber das ist nicht der Ansatz des US-Establishments. So wird der Neue Kalte Krieg weitergehen, obwohl er für die Vereinigten Staaten und ihre europäischen NATO-Verbündeten eine Sackgasse ist. Wie lange es dauert, bis die Sackgasse erreicht ist, ist eine offene Frage.

Man kann davon ausgehen, daß die Vereinigten Staaten aufgrund des unaufhaltsamen Wandels hin zu einer multipolaren Welt immer mehr in die Isolation geraten werden, wenn sie ihre kriegerische und kriegslüsterne Hegemonialpolitik nicht aufgeben. Die US-Politik mit ihren anhaltenden Merkmalen des Neoimperialismus und Neokolonialismus dient nur dazu, die Isolation der USA mit der Zeit zu verstärken. Die internationale Gemeinschaft lehnt diese Art von Verhalten zunehmend ab, und in diesem neuen multipolaren internationalen System bildet sich ein Gegengewicht zu dieser Politik heraus.

Washingtons Politiker müssen die US-Außenpolitik grundlegend überdenken und sich vom Hegemonismus und vom Denken des Kalten Krieges verabschieden. Andernfalls könnten die Amerikaner ihr Land in Zukunft in einer sich verändernden Welt allein vorfinden.

Abschließend möchte ich sagen, daß nur durch ein konstruktives Engagement Washingtons in der internationalen Gemeinschaft ein neues Paradigma entstehen kann, das Frieden durch Entwicklung und eine positive und optimistische Vision einer internationalen Gemeinschaft mit einer gemeinsamen Zukunft fördert.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.