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Neue Solidarität
Nr. 14, 7. April 2022

Deutscher Ökonom:
„Wir alle verlieren“ durch den Krieg und die Sanktionen

Volker Hellmeyer, fast 16 Jahre lang Chefanalyst der Bremer Landesbank und einer der renommiertesten Ökonomen des Landes, sagte in einem Videointerview mit Mission Money, eine Lösung des Ukraine-Konflikts sei nur möglich, wenn „wir erkennen, daß wir alle verlieren“.

Obwohl er Rußlands militärische Intervention „aus humanistischer Sicht“ gegen jeden Krieg verurteilt, sagte Hellmeyer, der Westen solle selbstkritisch sein und anerkennen, daß der Westen zuerst das Völkerrecht gebrochen habe, als er sein Wort brach, daß die NATO nicht nach Osten expandieren würde, und erneut, als er das Budapester Memorandum verletzte. Das sollte man im Hinterkopf behalten, wenn man Rußland für die Verletzung der Souveränität der Ukraine verurteilt.

Und durch die Umsetzung extraterritorialen US-Rechts mit Sanktionen werde eine weitere Souveränitätsverletzung begangen. Deutschland sollte sich daher fragen, wie souverän es selbst ist, bevor es auf die Souveränität der Ukraine pocht.

Was die wirtschaftliche Zerrüttung durch Sanktionen betrifft, so sagt Hellmeyer, daß wir „eine Trennung der Weltsphären haben ähnlich wie im Kalten Krieg, die uns aber stärker trifft als im Kalten Krieg“. In der Tat haben wir heute ein globales System der Versorgungsketten, das auf den Schock „völlig unvorbereitet“ ist. Die derzeitige Preisinflation ist „ein leichter Vorgeschmack“ auf das, was uns bevorsteht.

Kurzfristig werden die Sanktionen Rußland schaden, aber langfristig haben die europäischen Länder unverantwortlich gehandelt. Wenn man sich die Weltkarte anschaut, um zu sehen, welche Länder die Sanktionen nicht mittragen, findet man den größten Teil Asiens, den größten Teil Lateinamerikas, die Länder des Nahen Ostens – und das sind Länder, die Rohstoffe und Energieträger produzieren, die Europa braucht. Wen werden sie in Zukunft als verläßliche Partner betrachten, uns – mit dem Hintergrund einer Politik des Regimewechsels – oder China und Indien?

Hellmeyer verweist auf die Elemente, die die Stärke der chinesischen Wirtschaft ausmachen: Die Partnerschaft mit Rußland, die dadurch provoziert wurde, daß die USA sowohl Rußland als auch China als Feinde ausgemacht haben, hat China Energielieferungen zu einem im Vergleich zum Weltmarkt günstigen Preis beschert; durch die Belt and Road-Politik hat sich China die Rohstoffversorgung gesichert; sein Bildungssystem ist, um es diplomatisch auszudrücken, dem westlichen System weit überlegen, so daß China ein produktiveres Humankapital aufbaut. All diese Faktoren machen China zu einer stabilen und wachsenden Wirtschaftsmacht.

Hellmeyer entlarvt auch die westliche Arroganz, die es versäumt, andere Kulturen anzuerkennen, wie etwa den chinesischen Konfuzianismus, der den Individualismus dem Wohl der Gemeinschaft unterordnet.

ccc