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Neue Solidarität
Nr. 13, 31. März 2022

Aufrüstung der EU: Great Reset mit anderen Mitteln

Angeblich als Reaktion auf eine Bedrohung durch Rußland haben die NATO-Staaten erhebliche Erhöhungen ihrer Militärausgaben angekündigt. Am spektakulärsten sind die zusätzlichen Ausgaben in Deutschland, sie betragen in diesem Jahr das Doppelte des jährlichen nationalen Verteidigungshaushalts, d.h. 100 Mrd.€, die italienische Regierung will ihre Militärausgaben 2022 um 50% (12 Mrd.€) erhöhen. Insgesamt wird geschätzt, daß Amerikas europäische Verbündete über 300 Mrd.€ zusätzlich ausgeben könnten.

Das ist eine beeindruckende Summe. Die Frage ist, wie hoch der tatsächliche Nutzen sein wird und wann er eintritt. Vor allem Deutschland hat einen enormen Rückstand bei der Instandhaltung der militärischen Ausrüstung, die ausgeschlachtet wurde, um Investitionen zu vermeiden. Neue Rüstungsgüter existieren nur auf den Reißbrettern der Ingenieure, ihre Entwicklung und Erprobung wird Jahre dauern.

Daher ist es entgegen den offiziellen Verlautbarungen unwahrscheinlich, daß sich die Verteidigungskapazitäten der EU bis zum Ende des Jahrzehnts wesentlich verbessern werden. Wenn militärische Ausrüstung sofort benötigt wird, müssen diese Länder sie von den Vereinigten Staaten kaufen. In der Tat scheint es, daß die Amerikaner etwa 15 Mrd.€ von dem erhalten werden, was Deutschland ausgeben will, um F-35-Jets zu kaufen. Auch ein Großteil der zusätzlichen Ausgaben in anderen europäischen Ländern dürfte dem berüchtigten militärisch-industriell-finanziellen Komplex in den USA zugute kommen. Die Summen werden auch in die riesige Blase unproduktiver Investitionen einfließen und der geplanten „Umschichtung von Billionen“ in den Green Deal Auftrieb geben.

Das gilt ausdrücklich auch für die EU, die unter Druck gesetzt wird, Militärausgaben in ihre Taxonomie „nachhaltiger“ Investitionen aufzunehmen. Um Bloomberg News vom 13. März zu dem Thema zu zitieren: „Rußlands Krieg gegen die Ukraine hat eine einst undenkbare Idee hervorgebracht, da die Rüstungsindustrie – die bei nachhaltigen Investoren lange verpönt war – von einigen zum Instrument zum Schutz der Demokratie umgeformt wird. SEB AB, eine der größten schwedischen Banken und ein Pionier auf dem Gebiet der grünen Anleihen, hat kürzlich erklärt, sie werde ihre Grundsätze nachhaltiger Investitionen aktualisieren, um Platz für Waffen zu schaffen. Und die Commerzbank AG hat erklärt, daß ihre Türen für deutsche Waffenhersteller weit offen stehen, von denen viele Anfang des Jahres noch sagten, sie hätten Schwierigkeiten, Finanzierungen zu erhalten.“ Lobbyisten der Rüstungsindustrie bedrängen die politischen Entscheidungsträger der EU, Waffen in die „Sozialtaxonomie“ aufzunehmen, und „es gibt Anzeichen dafür, daß einige EU-Entscheidungsträger darauf hören“.

Gleichzeitig sagt man der europäischen Bevölkerung unter dem zynischen Vorwand, „den Gürtel enger zu schnallen, um Freiheit und Demokratie zu retten“, sie müsse mit tiefen Einschnitten im Lebensstandard rechnen. Ein Leitartikel auf der Titelseite der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 16. März ist bezeichnend für die Medienkampagne: Unter der Überschrift „Die Stunde der Wahrheit“ heißt es, die zusätzlichen 100 Mrd.€ für die Verteidigungsausgaben sollten nicht durch Kredite, sondern durch einen Kahlschlag in den Sozialhaushalten finanziert werden.

Auch das häßliche Wort „Rationierung“ ist wieder in Europa zu hören. In Italien erklärte der ehemalige EZB-Präsident, Ministerpräsident Mario Draghi, am 18. März unverblümt: „Wenn die Dinge sich verschlechtern, sollten wir in eine Logik der Rationierung eintreten.“

eir