|
|
Mit den Rußland-Sanktionen zerstören die USA die Glaubwürdigkeit des Dollarsystems. Was wird an seine Stelle treten?
Die Entscheidung der Regierung Biden, die Devisenreserven der russischen Zentralbank einzufrieren, wird von vielen als historischer Wendepunkt angesehen, der das Ende des Weltwährungssystems auf Dollarbasis markiert. Mit dieser Entscheidung entziehen sich die USA den Verpflichtungen einer Papierwährung, und alle Länder der Welt ziehen daraus ihre Lehren. Sie werden ihre Reserven von den auf den Dollar lautenden Vermögenswerten in andere Währungen und Gold umschichten. Faktisch entsteht ein neues Währungssystem auf der Grundlage verschiedener Währungen, wie die Vereinbarungen zwischen Rußland und China sowie Rußland und Indien, aber auch die jüngsten Erklärungen Saudi-Arabiens zeigen.
In einem Beitrag für das in Beirut ansässige Al-Mayadeen Media Network fragt Alastair Crooke, Direktor des Conflicts Forum, ob „die rußlandfeindlichen Falken in Washington“ solche „unerwarteten Konsequenzen“ nicht vorausgesehen hätten. Steckte hinter der Beschlagnahmung der russischen Reserven eine größere Strategie?
„Nein, es gab nur einen Impuls. Das wissen wir, weil sowohl die US-Notenbank als auch die EZB erklärt haben, daß sie weder zu der Beschlagnahmung noch zum Ausschluß von sieben russischen Banken aus dem SWIFT-Clearingsystem konsultiert wurden, und hinzufügten, daß sie sich beiden Maßnahmen widersetzt hätten, wenn man sie gefragt hätte – es war Selbstschädigung. Was für eine Ironie! In ihrem Eifer, die russische Wirtschaft zu zerschlagen, haben die US-Falken unbeabsichtigt den Weg für Rußland und China geebnet, ein neues Währungssystem zu schaffen, das weit von der US-Dollar-Sphäre entfernt ist.“1
Zoltan Poszar, Analyst bei der Credit Suisse, gehörte zu den ersten, die dies als „Bretton Woods III“ bezeichneten (in der irrigen Annahme, das derzeitige frei schwankende Währungssystem sei ein „Bretton Woods II“), er nimmt an, daß das neue System auf Gold und Rohstoffen basieren wird. Andere Ökonomen haben sich der Diskussion angeschlossen, die aber leider getrübt ist durch das Verwechseln eines Geldsystems mit einem Kreditsystem, wie es Lyndon LaRouche definiert hat.
Den Fahrplan für ein neues Kreditsystem, ein echtes „Neues Bretton Woods“, lieferte LaRouche in seinem bahnbrechenden Aufsatz „Warenkorb statt Währungskorb: Handel unabhängig vom Wechselkurs“ aus dem Jahr 2000,2 der einen Entwurf für eine Reform des Weltwährungssystems auf der Grundlage einer verbesserten Version der Bretton-Woods-Vereinbarungen von 1944 enthält. Im Gegensatz zur britischen Darstellung des Bretton-Woods-Abkommens, die moderne Apologeten von John Maynard Keynes übernehmen, war das in Bretton Woods geschaffene Goldreservesystem grundsätzlich das Gegenteil des britischen Goldstandards und im Gegensatz zu diesem nicht als globales Kolonialsystem konzipiert.
Die Stärke des Bretton-Woods-Systems von 1945-65, schrieb LaRouche in dem erwähnten Aufsatz, liege in der Tatsache, daß „die Stärke des US-Dollars als Reservewährung auf der Zusicherung beruhte, daß die laufenden Verpflichtungen gegenüber dem US-Dollar durch die Kombination eines Exportüberschusses und Goldbarren zu einem festen Standardpreis für Goldreserven beglichen würden. Das Goldreservesystem funktionierte, weil es durch protektionistische und verwandte regulatorische Maßnahmen international wie auch in den betreffenden Ländern selbst geschützt wurde. Es war die physische Stärke der US-Wirtschaft, gemessen pro Kopf – eine Stärke, die sich in Wachstumsraten der physischen Produktivität pro Kopf und pro Quadratkilometer ausdrückte, eine Stärke, die sich in Perioden hoher Wachstumsraten bei der Kapitalbildung in harten Gütern ausdrückte –, die für den Erfolg der US-Wirtschaft in den ersten beiden Jahrzehnten des Nachkriegs-Währungssystems ausschlaggebend war. Diese physische Stärke, passend zu dem Bedarf des kriegsgebeutelten Europas an größeren Mengen von Agrarerzeugnissen wie auch Maschinen und Anlagen aus den USA, ermöglichte es den amerikanischen Krediten, in Westeuropa eine Wachstumsrate der physischen Produktivität pro Kopf zu stimulieren – ein Wachstum, durch das Europa die Mittel erhielt, seine Verbindlichkeiten gegenüber den USA zu erfüllen.“
Und weiter: „Das war Präsident Franklin Roosevelts Absicht bei der Nachkriegshilfe der USA für Nationen und Völker, die von den kolonialistischen Systemen und Hinterlassenschaften Portugals, der Niederlande, der britischen Monarchie und Frankreichs befreit werden sollten. Als Beispiel für diese Politik führte Roosevelt die Entwicklung der Infrastruktur in Afrika an. Diese Politik, wie sie von Roosevelt beabsichtigt war, sollte die Grundlage für neue Formen der Zusammenarbeit zwischen den Teilen der Weltwirtschaft, die fortschrittliche Technologien bereitstellen können, und den weniger entwickelten Regionen bilden. Diese politische Orientierung liefert die Aufgabenorientierung, die ein neues Weltwährungssystem mit festen Wechselkursen übernehmen muß.“
Es könnte ein verbessertes Bretton-Woods-System geschaffen werden, so LaRouche weiter, in dem man die Paritäten zwischen den Landeswährungen anhand eines Korbes von Waren (commodities) festlegt, wobei der Begriff „Waren“ nicht nur im engeren Sinne von Bodenschätzen verstanden wird. LaRouche erwog, „eine synthetische Rechnungseinheit zu schaffen, die auf einem vereinbarten Korb von Waren basiert. Wenn dann die Währungen fluktuieren, erhalten die Währungen, und nicht die Waren, implizit angepaßte Werte auf der Grundlage des zur Definition der Einheit verwendeten Warenkorbs. Eine solche synthetische Einheit könnte als Buchführungssystem einer internationalen Kreditfazilität dienen und in diesem Sinne die Grundlage für die Schaffung einer Art Nachfolger der Sonderziehungsrechte bilden. Bei mittel- bis langfristigen Kapitaldarlehen für Investitionen in Rohstoffe (hard commodities) werden die entsprechenden Währungen auf der Grundlage des Rohstoffkorbs als Standard bewertet. Das Darlehen wird in diesen Einheiten und nicht in Währungspreisen gewährt; dem Exporteur wird jedoch zum Zeitpunkt der Lieferung des Produkts die entsprechende Anzahl synthetischer Einheiten gutgeschrieben, und die Rückzahlung des Darlehens richtet sich nach dem Preis der betreffenden Währung in diesen Einheiten zum Zeitpunkt der Fälligkeit der jeweiligen Zahlung. Auf diese Weise wird ein tauschähnliches System der mittel- bis langfristigen Kreditvergabe für Rohstoffe verwendet, um sich dem System ,Goldreserve plus Korb exportierter Waren‘ anzunähern, das in den einschlägigen transatlantischen Beziehungen während des Zeitraums von 1945 bis 1965 mit festen Wechselkursen funktionierte.“
Claudio Celani
Anmerkungen
2. Siehe Neue Solidarität, 33 und 34/2000.