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Neue Solidarität
Nr. 30, 29. Juli 2021

Ein „monumentales Versagen“ der Warnsysteme

Die horrenden Folgen der Wolkenbrüche in der Eifel und im Rheinland zeigen, dass der Katastrophenschutz schlecht organisiert ist.

Bei einem Rundgang durch Überschwemmungsgebiete lieferte Bundeskanzlerin Angela Merkel am 18. Juli einen Schwall von Klimahysterie, der in der absurden Aussage gipfelte: „Die deutsche Sprache kennt kaum Worte für die Verwüstung, die hier angerichtet ist.“

Nun, passend gewesen wäre das Wort „Verantwortungslosigkeit“! Offensichtlich empfing die Regierung schon seit dem 10. Juli meteorologische Warnungen, daß schwere Regenfälle wahrscheinlich zu schweren Überschwemmungen der Nebenflüsse des Rhein-Maas-Systems führen würden, doch die Warnungen wurden größtenteils nur über bestimmte Apps öffentlich bekannt gemacht, aber nicht als flächendeckende Warnungen. Zahlreiche Menschen wurden trotz der bekannten Gefahr nicht evakuiert.

Hannah Cloke, Professorin für Hydrologie an der britischen Universität Reading, bestätigte, daß das europäische Flutwarnsystem EFAS solche Vorwarnungen an die deutsche und belgische Regierung gab und detaillierte Karten erstellte, welche Gebiete mit wieviel Wasser zu rechnen hatten. Aber die Warnungen wurden nicht an die Bevölkerung vor Ort weitergegeben, betonte sie in einem Interview mit der Londoner Times. „Es nützt nichts, riesige Computermodelle zu haben, die vorhersagen, was passieren wird, wenn die Menschen nicht wissen, was sie bei einer Überschwemmung tun sollen... Die Tatsache, daß die Menschen nicht evakuiert wurden oder die Warnungen nicht erhalten haben, deutet darauf hin, daß etwas schiefgelaufen ist.“ Sie konstatierte ein „monumentales Versagen“ der Warnsysteme.

Scharfe Kritik an der Regierung übte auch Hartmut Ziebs, 2016-19 Präsident des Deutschen Feuerwehrverbandes. In einem Offenen Brief warf er der Regierung vor, die Bevölkerung sei nicht ausreichend in den nationalen Katastrophenschutz eingebunden: „Es muß Handlungshinweise geben: Was sollte ich tun, wenn das Ereignis eintritt. Dazu gehört aber auch, daß die Menschen zumindest rudimentär auf das richtige Verhalten vorbereitet werden.“

Er erklärte weiter: „Der Bund hat jahrelang Übungen unter dem Titel Lükex durchgeführt. Das Undenkbare wurde durchgespielt und analysiert. Es wurden Forderungskataloge aufgestellt. Konsequenzen? Fast Null! Kann nicht passieren, darf nicht passieren, können wir der Bevölkerung nicht erklären, kostet zu viel Geld, die Liste der Ablehnungsgründe ist fast unerschöpflich.“

Ziebs betonte: „Der Schutz der Menschen muß im Vordergrund stehen. Da muß man auch aus der Komfortzone raus. Zuständigkeitsgeplänkel, Debatten über den Föderalismus und persönliche Animositäten haben an dieser Stelle keinen Platz.“

Der Kommentator Gabor Steingart wies in seinem Morning Briefing auf die Veränderungen im deutschen Katastrophenschutz nach 1990 als einen wesentlichen Faktor hin: Im Jahr 2000 wurde das Bundesamt für Bevölkerungsschutz abgeschafft und 200 Notfallkrankenhäuser wurden aufgelöst. 2004 schuf die Bundesregierung ein Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe neu, allerdings mit deutlich weniger Mitteln als dessen Vorgänger. Viele der Aufgaben, die früher vom Bundesamt übernommen wurden, werden nun den lokalen oder Landesbehörden überlassen.

Ein weiterer Faktor waren die Veränderungen im Vorwarnsystem. Vielerorts wurden mechanische Alarmsirenen abgebaut oder stillgelegt, statt dessen gingen die Warnungen über Kommunikations-Apps raus – die Menschen, die kein Smartphone haben, vor allem ältere Menschen, nicht erreichen. Und diejenigen, die eine SMS- oder E-Mail-Warnung erhalten, wissen oft nicht, was sie damit anfangen sollen. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten WDR und SWR sendeten weiter ihr übliches Nachtprogramm und beriefen sich anschließend darauf, die Regierung habe ihr sog. Drittsenderecht zur Anordnung der Ausstrahlung der Warnmeldungen nicht in Anspruch genommen – obwohl sie die Bedeutung dieser Warnungen auch selbst hätten erkennen können und müssen.

Während Deutschland und Belgien viele Opfer zu beklagen hatten, wurde aus den Niederlanden kein einziges gemeldet, obwohl einige Gebiete an den Grenzen zu Deutschland und Belgien ebenfalls von starken Regenfällen betroffen waren. Der Unterschied besteht darin, daß in den Niederlanden nach den schweren Überschwemmungen der 90er Jahre an vielen Orten die Flußläufe verbreitert worden waren, damit das Wasser bei Hochwasser überlaufen kann. Das Projekt, das über 2 Milliarden Euro kostete, wurde 2019 abgeschlossen.

Auch in Österreich wurde in den letzten zwei Jahrzehnten viel in den Hochwasserschutz investiert, so daß dort zwar auch erhebliche Schäden, aber keine Todesopfer aufgrund der jüngsten Starkregenfälle zu beklagen waren.

Der Biologe Wolfgang Büchs, Gastprofessor an der Universität Hildesheim und früherer wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Pflanzenbau und Bodenkunde des Julius-Kühn-Instituts, berichtete in einem Interview, das über den Nachrichtendienst von gmx.net verbreitet wurde, daß auch an der Ahr schon in den 1920er Jahren Maßnahmen zur Rückhaltung von Starkregen geplant waren. Büchs erklärte:

Statt dessen sei dann der Nürburgring gebaut worden.

Heutzutage werden im Rahmen des „Naturschutzes“ sogar existierende Hochwasserschutz-Einrichtungen zurückgebaut. So vermeldet die Kreisverwaltung Ahrweiler stolz auf ihrer Internetseite: „Auf über 50 Kilometern wurde bisher im Zuge des Projekts in den Zuflüssen der Ahr die aquatische Durchgängigkeit für wandernde Bachlebewesen wieder hergestellt. Zum Beispiel wurden im Armuthsbach und im Unterlauf des Dreisbachs Stauwehre abgerissen und durch eine sogenannte Raue Rampe mit natürlichem Gefälle ersetzt.“

Es ist dringend notwendig, die Prioritäten des staatlichen Handelns zu überdenken.

Alexander Hartmann