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Der 14. Juli erinnert im allgemeinen an den Sturm auf die Bastille, aber er könnte in Zukunft auch als der Tag in Erinnerung bleiben, an dem die EU-Kommission den Sturm auf die europäische Industrie begann. Am 14. Juli 2021 stellte Brüssel seinen irrsinnigen Plan zur Senkung der CO2-Emissionen um 55% bis 2030 vor, genannt „Fit For 55“.
Zwei Maßnahmen stechen heraus: die Vorgabe von Klimaneutralität für neue Verbrennungsmotoren bis 2035, was auf ein Verbot hinausläuft, sowie Zölle auf „klimafeindliche“ Importe; aber der Plan beinhaltet auch die Ausweitung des Emissionshandelssystems (ETS) auf den Verkehr.
Zu der ersten Maßnahme zog das Handelsblatt einen treffenden Vergleich zwischen der Taktik der EU-Kommission und der Methode, mit der das FBI Al Capone ins Gefängnis brachte: Der Chicagoer Gangster wurde nicht wegen seiner Gewaltverbrechen angeklagt, sondern weil er Steuern auf die Einnahmen aus seinen illegalen Aktivitäten hinterzogen hatte, während die EU einen Weg fand, die Existenz des Verbrennungsmotors zu beenden, ohne ihn formell zu verbieten.
Der Inhalt des Plans war im Vorfeld weitgehend bekannt, aber Industrievertreter und Politiker fangen erst jetzt an zu reagieren. Der Verband der europäischen Automobilhersteller (ACEA) argumentierte: „Das Verbot einer einzelnen Technologie ist in diesem Stadium kein vernünftiger Weg.“ Der Chef der Interessenvertretung der französischen Automobilbranche (PFA) mit ihren 400.000 Beschäftigten, Luc Chatel, sagte, die EU „wirft hundert Jahre europäisches Know-how über Bord und hat sich für eine Technologie entschieden, bei der die Chinesen zehn Jahre voraus sind“. In Italien erklärte der Minister für den grünen Übergang, Roberto Cingolani, der Plan der EU-Kommission bedeute in seiner jetzigen Form das Ende für Italiens Motor Valley, wo legendäre Sportwagen wie Ferrari, Lamborghini, Maserati sowie Motorräder wie Ducati produziert werden. Nicht nur die Autoindustrie ist vom Aussterben bedroht. Die Kommission hat sich zwar für 100% E-Fahrzeuge entschieden, sorgt aber nicht für eine ausreichende Steigerung der Stromerzeugung.
Der „Fit For 55“-Plan ist so unsinnig, daß alle Fraktionen im Europaparlament ihn aus unterschiedlichen Gründen ablehnten. Die Fraktionsvorsitzenden der S+D und der Linken bezeichneten ihn als sozial ungerecht und äußerten Zweifel am Funktionieren des vorgeschlagenen „Klima-Sozialfonds“, der einkommensschwache Familien entschädigen soll. Markus Pieper von der EVP sieht energieintensive Industriezweige in Gefahr und nannte den CO2-Zoll vage, wackelig und nicht durchdacht. Auch das in den neuen EU-Richtlinien (RED III) festgelegte Ziel von 40% „Erneuerbaren“ im Energiemix bis 2030 stellt er in Frage. Er hält es zwar für eine gute Idee, die Abhängigkeit der EU von importierten fossilen Brennstoffen zu beenden, aber auch 70% des „grünen Wasserstoffs“ müßten importiert werden.
Der Chef der Fraktion Identität und Demokratie (ID) Marco Zanni twitterte, der „Fit For 55“-Vorschlag beweise, daß „Grün mehr und mehr der Zeitvertreib des reichen Mannes ist, während die kleinen Leute die Rechnung bezahlen werden; die Kommission ist der Sklave von [dem Vize-Kommissionsvorsitzenden] Frans Timmermans, da das Paket trotz starker Vorbehalte vieler Kommissare vorgelegt wurde.“ Auch die Grünen-Fraktion ist mit „Fit For 55“ unzufrieden – allerdings mit der Begründung, es sei nicht ambitioniert genug.
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