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Neue Solidarität
Nr. 23, 10. Juni 2021

Provokationen der Kriegsfraktion
im Vorfeld des Biden-Putin-Gipfels

Von Harley Schlanger

Wenige Tage vor dem Gipfel zwischen den Präsidenten Putin und Biden setzt die Biden-Administration ihren provokativen Kurs gegenüber Rußland fort, um bereits vor Beginn des Gipfels ein feindliches Umfeld zu schaffen. Vorbereitungstreffen auf unterer Ebene sollen zwar Berichten zufolge von beiden Seiten „herzlich“ verlaufen sein, doch US-Regierungsmitglieder – allen voran Außenminister Blinken – betonen, ein positives Ergebnis hänge davon ab, daß Rußland sein „aggressives“ Verhalten aufgebe, damit man ein „stabiles und berechenbares“ Verhältnis aufbauen könne. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit bekräftigt Blinken, dies bedeute, Rußland müsse damit aufhören, die „regelbasierte Ordnung“ zu missachten. Die Formulierung von der „regelbasierten Ordnung“ verwenden die USA in letzter Zeit ständig, um akzeptierte Prinzipien des Völkerrechts zu umgehen und zu verlangen, daß alle Staaten sich dem unterwerfen, was in Wirklichkeit eine unilaterale Herrschaft ist, die von den strategischen und finanziellen Eigeninteressen der Londoner City und Washingtons diktiert wird.

Neue Sanktionen gegen russische Staats- und Unternehmensvertreter sind zu einem regelmäßigen Bestandteil der Diplomatie geworden, und US-Vertreter wollen den bevorstehenden G7-Gipfel im britischen Cornwall vom 11. bis 13. Juni und den NATO-Gipfel in Brüssel am 14. Juni benutzen, um eine „koordinierte Antwort“ auf Rußlands angebliche bösartigen Absichten gegenüber dem Westen zu entwerfen. Neben dem gemeinsamen Bekenntnis zu Strafsanktionen gehört dazu auch die Einigung auf einen umfassenden Ausbau der NATO-Militärkapazitäten im Zuge des Modernisierungsprogramms „NATO 2030“, für das NATO-Generalsekretär Stoltenberg auf dem Treffen der Außen- und Verteidigungsminister am 1. Juni in Brüssel geworben hat. Parallel dazu setzen die NATO-Streitkräfte ihre seit Jahren größte Militärübung, „Defender Europe 21“, fort, darunter Kriegssimulationen in osteuropäischen Ländern, die an Rußland grenzen.

Auf die Frage bei einem Außenministertreffen der BRICS-Gruppe, warum die NATO ihre bei den Verhandlungen über die deutsche Wiedervereinigung gegebene Zusage, nicht nach Osten zu expandieren, gebrochen habe, antwortete der russische Außenminister Lawrow, dies zeige, daß „sie bösartige Absichten in Bezug auf Rußland haben“. Moskau seinerseits sei bereit, auf Befürchtungen der NATO einzugehen. „Wenn irgendjemand weitreichende gefährliche Pläne in der Position Rußlands erkennt, sind wir bereit, darüber zu sprechen. Bedauerlicherweise ist die NATO dazu nicht bereit.“

Was die Geopolitiker wirklich fürchten

Eine solche Strategie der Kombination aus Sanktionen und Drohungen mit militärischer Aufrüstung an Rußlands Grenzen könnte unabsehbare Folgen haben. Die wahre Bedrohung für den US-amerikanischen Unilateralismus geht nicht von russischen Militärabenteuern aus, sondern von der immer engeren Allianz zwischen Rußland und China, mit Unterstützung vieler Länder im Entwicklungssektor, die einen amerikanischen Unilateralismus ablehnen und sich stattdessen Projekte zum gegenseitigen Nutzen zwischen souveränen Nationen wünschen. Dies war das Thema einer Sitzung des St. Petersburger Wirtschaftsforums: „Die Risiken, die Sanktionen für das globale Finanzsystem und den internationalen Handel aufwerfen“. Im Programm heißt es, der Dollar werde durch die „Intensität und willkürliche Art und Weise, wie Sanktionen eingesetzt werden“, in eine Waffe verwandelt, was „darauf hindeutet, daß ein gezieltes politisches Instrument nun allumfassend wird“.

Der russische Vize-Finanzminister Wladimir Kolytschew erklärte dazu, als Reaktion auf die Zunahme krimineller Sanktionen „entsteht ein neues globales Finanzsystem. Es wird nicht über Nacht kommen, aber es ist unvermeidlich. Es wird von den sanktionierten Ländern kommen.“

Während die transatlantischen Länder um die Umsetzung des „Great Reset“ wetteifern, um eine globale Zentralbankendiktatur zu schaffen, die für ihr kollabierendes Finanzsystem Zeit gewinnt, indem eine neue, grüne Finanzblase mit von oben durchgesetzter Austerität verbunden wird, ist der Wechsel zu einem neuen Finanzsystem für die meisten Länder der Welt längst eine Frage des Überlebens. Es ist eine passende Ironie, daß gerade die Flucht nach vorn in ein Sanktionsregime zur Bestrafung aller, die sich nicht an die „regelbasierte Ordnung“ halten, den nötigen Anreiz liefern könnte, diesem bankrotten London-Wallstreet-IWF-System den Stecker zu ziehen.

Endlose Kriege und endlose Sanktionen

Die Verhängung von Sanktionen gegen russische Staatsvertreter und Unternehmen ist eine Standardreaktion westlicher Regierungen geworden. Obwohl es oft nicht den geringsten Beweis für eine russische Beteiligung an den Vorgängen gibt, für die Moskau verantwortlich gemacht wird, herrscht heute im US-Kongress ein überwältigender überparteilicher Konsens, daß – so der berüchtigte Satz von Kongresssprecherin Pelosi – „alle Wege zu Putin führen“. Sanktionen sind zwar schon seit fünf Jahrzehnten ein typisches Element der US-Politik, doch seit den 90er Jahren hat ihr Einsatz stetig zugenommen, parallel zum Aufkommen der Pseudo-Menschenrechtsdoktrin der sog. „Schutzverantwortung“, die Verletzungen der nationalen Souveränität rechtfertigt, um „Menschenrechte“ zu verteidigen.

Daß durch eine solche Sanktionspolitik Millionen von Menschen ums Leben gekommen sind – darunter eine halbe Million irakische Kinder während der Clinton-Administration, und heute das Leben von Millionen in Syrien und im Jemen bedroht ist –, stört die arroganten Heuchler nicht, die behaupten, Sanktionen seien effektiver als Krieg. Wie Sergej Tschemesow, Chef des russischen Technologiekonzerns Rostec, erklärte: „Man kann Sanktionen sicherlich nicht als etwas Sanftes bezeichnen... Sehr harte Sanktionen sind in Wirklichkeit Krieg. Und wir müssen natürlich auf einen Krieg vorbereitet sein.“

Diese Politik der Sanktionen nahm während der Trump-Administration unter der Führung des radikalen Falken Außenminister Pompeo zu und hat sich unter Biden fortgesetzt. In weniger als fünf Monaten wurden zahlreiche neue Sanktionen verhängt, wegen der Vorwürfe, Rußland sei verantwortlich für Cyber-Kriegsführung beim Hacken des IT-Management-Unternehmens Solar Winds, bei der Cyber-Erpressung der Colonial-Pipeline, und weitere Sanktionen wurden letzte Woche nach einem ähnlichen Angriff auf die große Schlachtereikette JBS angedroht. Dazu sagte ein Sprecher des Weißen Hauses – ohne Beweise zu liefern –, der Angriff sei von einer kriminellen Organisation ausgegangen, die wahrscheinlich in Rußland sitze. Die USA ließen Rußland wissen, daß „verantwortungsbewusste Staaten Ransomware-Kriminellen keinen Unterschlupf gewähren“, und zitierten das FBI, wonach Dutzende solcher Gruppen „in Rußland sicheren Unterschlupf genießen“.

Die Präsidentin des Schiller-Instituts, Helga Zepp-LaRouche, wies ihrerseits auf die Ironie hin, daß die USA Sanktionen im Zusammenhang mit Cybersicherheit verhängen, während genau zur gleichen Zeit der Skandal um die erstmals 2013 aufgedeckte amerikanisch-dänische Spionage gegen US-Verbündete jetzt in Europa Schlagzeilen macht, denn diese Art Spionage gehe wahrscheinlich weiter!

In den USA gibt es Widerstand gegen Bidens Teilzugeständnisse beim Pipelineprojekt Nord Stream 2, seit er Sanktionen gegen das wichtigste beteiligte Unternehmen und dessen Chef aufhob. Senator Robert Menendez forderte Biden auf, die Entscheidung rückgängig zu machen und sich dem überparteilichen Konsens zu beugen, mit den vom Kongress verordneten Sanktionen fortzufahren.

Am 2. März wurden gegen Rußland Sanktionen wegen der angeblichen Vergiftung und späteren Inhaftierung des von Großbritannien unterstützten „Dissidenten“ Nawalny verhängt, was die britische MI6-nahe Webseite Bellingcat den russischen Geheimdiensten anlastete. Weitere Sanktionen wurden am 15. April nach der Veröffentlichung eines Berichts des Nationalen Geheimdienstdirektors in Kraft gesetzt, der behauptete, es gäbe Beweise für umfassende Bemühungen Moskaus, Biden bei der US-Präsidentschaftswahl 2020 zu schaden und Trump zu unterstützen. Das entspricht den fabrizierten Vorwürfen, Rußland habe sich in die Wahl 2016 zugunsten Trumps eingemischt, was als Vorwand für einen versuchten Regimewechsel-Putsch gegen Trump benutzt wurde, um zu verhindern, daß er ein freundschaftliches und kooperatives Verhältnis mit Rußland aufbaut.

Und neue Sanktionen sind wahrscheinlich, nachdem Rußland nun beschuldigt wird, es habe die „Entführung“ eines Ryanair-Fluges zur Inhaftierung des vom Westen unterstützten Dissidenten Protassewitsch in Belarus unterstützt. Dieser war u.a. bei den Nazis des ukrainischen Asow-Batallions dafür ausgebildet worden, Farbrevolution anzuzetteln und hatte von der US-Behörde Agency for International Development Gelder für solche Projekte erhalten. Brian Whitmore, Senior Fellow am Atlantic Council, forderte, Rußland für das Vorgehen Lukaschenkos verantwortlich zu machen. Am 12. Mai – noch bevor das Flugzeug in Belarus zur Landung gezwungen wurde – schrieb er: „Es ist an der Zeit, ... die ,Achse der Autokraten‘ Putin-Lukaschenko zu sanktionieren.“ Später ereiferte sich Whitmore, egal ob Rußland nun involviert war oder nicht, der Kreml trage für Lukaschenkos Handeln ein hohes Maß an Verantwortung.

EU-Präsidentin Ursula von der Leyen bot den Regimewechsel-Kräften in Belarus überdies 3 Milliarden Euro an, wenn es ihnen gelinge, Präsident Lukaschenko zu stürzen.

Das Ziel ist Regimewechsel in Rußland

Das Ziel hinter diesen Kampagnen ist es, Rußland zur Aufgabe seiner Souveränität und Unterwerfung unter die „regelbasierte Ordnung“ zu zwingen oder immer weiter für einen Regimewechsel ins Visier zu nehmen. Dies wird in einem Bericht von Chatham House vom 13. Mai mit dem Titel „Mythen und falsche Vorstellungen in der Debatte über Rußland“ unmissverständlich deutlich. Chatham House ist der Hauptsitz des Royal Institute of International Affairs (RIIA), dem Zentrum des britischen Geheimdienstes. Der Bericht beginnt mit einem Angriff auf das „Wunschdenken“ euro-atlantischer Politiker, die hoffen, daß Rußland ein „konstruktiverer und kooperativerer Partner für westliche Regierungen wird“.

Der Bericht der Chatham-House-„Experten“ verwirft jede Vorstellung, daß ein Dialog zwischen westlichen Regierungen und der russischen Führung zu positiven Ergebnissen führen könnte. Sie spicken ihn mit Aussagen wie: „Rußlands strategische Ziele, Werte und Verständnis zwischenstaatlicher Beziehungen unterscheiden sich unwiderruflich von denen des Westens“, und argumentieren, es gebe „kein gemeinsames Verständnis von Grundprinzipien“. Rußland werde „weiter international akzeptierte Verhaltensprinzipien mit Füßen treten und unbeirrt weitere Aggressionen begehen“. Angeblich sei „Moskaus natürlicher Zustand die Konfrontation mit dem Westen“. Ihre Analyse führt die Autoren zu dem eindeutigen Schluss, man müsse die Politik der Sanktionen beibehalten.

Trotz dieses Umfelds vorprogrammierter ideologischer Feindseligkeit gegenüber Rußland und Präsident Putin persönlich ist es immer noch besser, daß ein Gipfel zwischen Biden und Putin stattfindet als gar keiner, wie es die Geopolitiker von Chatham House vorziehen würden. Wenn alle die gegenseitigen Vorwürfe erst einmal geäußert sind, könnte ein echter Dialog zustande kommen, und das muss er auch, denn die Alternative ist eine immer weitergehende Verschlechterung der Beziehungen bis hin zum Krieg.