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Neue Solidarität
Nr. 18, 6. Mai 2021

Klimawandel als Vorwand für Geopolitik und Krieg

Die US-Regierung macht den Klimaschutz zur militärischen Priorität. Von der grünen Kanzlerkandidatin ist kein Widerspruch zu erwarten.

In den letzten Wochen wurde immer deutlicher die Absicht des westlichen Militärestablishments erkennbar, den „Klimaschutz“ als Vorwand in die alte, immer gleiche geopolitische Agenda einzubinden. US-Verteidigungsminister Lloyd Austin brachte dies am 22. April auf dem Klimagipfel unmißverständlich zum Ausdruck:

Das ist aus mehreren Gründen eine sehr bösartige Aussage – nicht zuletzt, daß versucht wird, drängende Probleme wie Hunger, Migration und Unterentwicklung auf das Klima zu schieben, obwohl sie eindeutig die Folge der neoliberalen Wirtschaftspolitik und der permanenten Kriege sind, die das moderne Britische Empire bewußt organisiert. Implizit ist darin die Drohung enthalten, mit militärischen Interventionen und/oder Regimewechsel-Coups wie im Irak, Libyen, Syrien und Jemen, die angloamerikanische „regelbasierte Ordnung“ durchzusetzen.

Am selben Tag veröffentlichte das Climate Action Team des Pentagons Artikel, die sich um den geopolitischen Wettbewerb um Ressourcen drehten. Die Reduzierung des Bevölkerungswachstums in unterentwickelten, rohstoffreichen Ländern ist seit vielen Jahren ein Dauerthema in den Strategiepapieren des Pentagon, wobei die Klimakrise erst in jüngerer Zeit hinzugekommen ist. Doch Joe Biden machte nur wenige Tage nach seinem Amtsantritt Klimafragen offiziell zu einem „wesentlichen Element der US-Außenpolitik und nationalen Sicherheit“. Damit wurde der Klimawandel zu einem festen Bestandteil der Pentagon-Planung, während gleichzeitig die Provokationen gegen China und Rußland deutlich eskalieren, womit die entsprechende Gefahr eines großen Krieges wächst.

Um hieran keinen Zweifel zu lassen, gab der Befehlshaber des Strategischen US-Kommandos (StratCom), Admiral Charles Richard, im Februar bekannt, daß er das Pentagon angewiesen hat, die Wahrscheinlichkeit eines Atomkriegs von „fast unmöglich“ auf „sehr real möglich“ heraufzustufen. Und am 20. April veröffentlichte StratCom, das für das US-Atomwaffenarsenal verantwortlich ist, den folgenden Tweet:

Solche Aussagen fanden in den Medien kaum Beachtung, obwohl sie im Kontext einer alarmierenden Eskalation von Sanktionen, Ausweisungen von Diplomaten und militärischen Manövern sowohl gegen Rußland als auch gegen China stehen.

Baerbock ganz auf NATO-Linie

Von der grünen Kanzlerkandidatin ist kein Widerspruch gegen diese Politik zu erwarten. Die Zeiten, in denen sich die deutschen Grünen gegen Establishment, Militarismus und die NATO stellten, sind längst vorbei. Aber falls noch Zweifel bestanden, mußte die Nominierung von Annalena Baerbock, die sich als fest verwurzelt in der transatlantischen Geopolitik erweist, zur Kanzlerkandidatin der Partei sie zerstreuen.

Wie wenig die Finanzelite ihre politische Ausrichtung fürchtet, brachte keine Geringere als die Chefin der Europäischen Zentralbank, Christine Lagarde, in einer Pressekonferenz am 23. April zum Ausdruck. Auf die Unerfahrenheit der Grünen-Kandidatin angesprochen, lobte Lagarde sie überraschend als „eine junge Frau, die sich sehr für den Klima- und Umweltschutz engagiert“, was „auch für mich sehr wichtige Themen sind“.

In militärischen Fragen dürfte Baerbock nicht weniger konform sein. Sie befürwortet nicht nur höhere Verteidigungsausgaben, um Soldaten mit besseren Waffen und Material für „humanitäre“ Einsätze auszustatten, sie kritisierte auch, dass Europa nicht rechtzeitig in Syrien eingegriffen habe, um angebliche, spätere Grausamkeiten der Regierung zu verhindern.

Strategisch ist Baerbock gegen die neue Gaspipeline zwischen Rußland und Deutschland (bzw. Europa), sie erklärt, das Projekt sei ein Affront gegen die Ukraine und erhöhe die Energieabhängigkeit von Rußland (und von Erdgas). „Ich hätte schon längst Nord Stream 2 die politische Unterstützung entzogen“, sagte sie in einem Interview in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung am 25. April, in dem sie auch dazu aufrief, wegen der Krise in der Ukraine und im Donbaß „den Druck auf Rußland zu erhöhen“.

Die deutschen und europäischen Beziehungen zu China beschreibt die Grünen-Chefin in dem Interview als „Wettbewerb der Systeme“, von „autoritären Kräften versus liberale Demokratien“. Bei Chinas Gürtel- und Straßen-Initiative geht es ihrer Ansicht nach nicht nur um schöne Investitionen, sondern um „knallharte Machtpolitik“. Und sie warf Peking vor, die uigurische Bevölkerung mit Zwangsarbeit zu unterdrücken.

Was die Beziehungen zur Biden-Administration angeht, so freut sie sich auf einen Neustart der amerikanisch-deutschen Allianz in Form einer „transatlantischen Klimapartnerschaft“. Implizit befürwortet sie eine europäische Armee und ruft dazu auf, eine Verteidigungs- und Sicherheitsunion voranzutreiben. Und obwohl sie ausdrücklich danach gefragt wurde, befürwortete sie nicht den Abzug der US-Atomwaffen aus Deutschland...

Bei vielen anderen Gelegenheiten hat Annalena Baerbock ihre Klimaschutzziele dargelegt. Bei der Industrieproduktion plädiert sie dafür, das offizielle Ausstiegsdatum für Kohle von 2038 auf 2030 und für Autos ohne Elektromotor auf 2030 vorzuverlegen. Natürlich befürwortet sie „grünen Stahl“, der statt mit Kohle mit erneuerbaren Energien wie Sonne und Wind produziert wird; dies biete Deutschland Exportchancen nach Europa und verhindere, dass das „autoritäre“ China den Markt mit seinem Stahl überschwemmt.

Wenn man weiß, daß Baerbock vor 16 Jahren als Austauschstudentin an der London School of Economics in internationalem Recht ausgebildet wurde, versteht man ihren Hang zur knallharten Geopolitik besser.

eir