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Neue Solidarität
Nr. 17, 29. April 2021

Die Wahrheit über die Syrien-Krise

Von Senator Richard H. Black

Oberst a.D. Richard H. Black war Offizier und Leiter der Strafrechtsabteilung der US-Armee im Pentagon. Er hielt im dritten Abschnitt der Internetkonferenz des Schiller-Instituts am 21. März den folgenden Vortrag.

Nun, ich liebe mein Land. Ich bin pensionierter Oberst, der 32 Jahre lang in Uniform gedient hat. Ich flog 269 Kampfeinsätze in Vietnam als Marine-Hubschrauberpilot; ich machte eine Bruchlandung, nachdem Maschinengewehrfeuer meine Flugsteuerung durchtrennt hatte. Ich machte 70 Kampfpatrouillen als Bodenluftkontrolleur für die 1. Marinedivision; ich wurde verwundet und meine Funker starben im Kampf neben mir.

Aber ich bin entsetzt über die Unanständigkeit der amerikanischen Aggression gegenüber Syrien.

Am 17. März züchtigte Außenminister Tony Blinken unsere chinesischen Gäste in Anchorage in Alaska mit den Worten, sie respektierten nicht die „regelbasierte Ordnung“, ohne die es eine „viel gewalttätigere Welt“ gäbe. Aber was ist diese „regelbasierte Ordnung“, die wir immer anpreisen? Es scheint, die Regeln sind das, was auch immer die USA entscheiden, daß sie zu einem bestimmten Zeitpunkt wollen.

Mit welchem Recht beschlagnahmen wir Schiffe anderer Nationen auf hoher See? Die Regeln besagen, daß dies eine Kriegshandlung ist. Aber wir befinden uns nicht im Krieg, also sagen die Regeln, daß die Beschlagnahmungen Piraterie sind.

Welche Regeln erlauben uns, eine Seeblockade gegen Syrien, Iran, Venezuela zu verhängen? Sind das keine Kriegshandlungen?

Welche „regelbasierte Ordnung“ besagt, daß wir Deutschland sagen können, daß wir es bestrafen werden, wenn eine Gaspipeline es mit Rußland verbindet? Welche „Regeln“ erlauben uns, jeder souveränen Nation den Handel zu diktieren?

Der amerikanische Eroberungszug umspannt den Globus. Wir sind in souveräne Länder wie Serbien, Irak, Libyen, Jemen und Syrien eingefallen und haben sie alle in rauchende Trümmer verwandelt. Verbietet die „regelbasierte Ordnung“ nicht Angriffskriege? Haben wir die Nazis in Nürnberg nicht für genau solche Aktionen angeklagt? Welche „Regeln“ machen Angriffskriege für Nazis zu Verbrechen, aber nicht für uns?

Man sagt uns, daß wir einen „Krieg gegen den Terror“ führen, aber das tun wir nicht. Wir sind mit Terroristen verbündet, wie Al-Kaida, in dem skrupellosen Bestreben, die arabischen Zivilisationen im gesamten Nahen Osten zu zerstören. Nur wenige Amerikaner können unsere Kriege überhaupt aufzählen: Serbien, Irak, Libyen, Syrien, Jemen, Somalia, Ukraine. Keines dieser Länder hat uns angegriffen; wir haben sie angegriffen.

Betrachten wir nur den Fall Syrien. Erinnern Sie sich daran, was Syrien einmal war. Syrien hatte eine schön ausgewogene Wirtschaft; es produzierte die meisten seiner Industriegüter, Treibstoff und landwirtschaftliche Produkte selbst. Es gab wenig Armut und es erfreute sich eines florierenden Handels. Es war finanziell eigenverantwortlich. Es lebte 40 Jahre lang in Frieden mit Israel. Die unter Präsident Assad erarbeitete Verfassung garantiert den Frauen gleiche Rechte. Sie garantiert die Religionsfreiheit, an drei verschiedenen Stellen im Text. Syrien ist ein Vorbild für andere arabische Staaten, vor allem für solche wie Saudi-Arabien, das überhaupt keine Verfassung hat.

Wir nennen Syriens Präsident einen Diktator, aber 2014 wurde er mit überwältigender Mehrheit in einer fairen und freien Wahl gewählt. Amerika tut so, als hätte die Wahl nie stattgefunden, aber viele Syrer wurden von – von den USA unterstützten – Rebellen getötet, als sie versuchten, ihre Stimme abzugeben. Nach zehn Jahren Krieg hat sich kein einziger Rebellenführer als Sympathieträger beim syrischen Volk herauskristallisiert.

Der Westen liebt die Terroristen, die die Menschen in Syrien verachten. Man indoktriniert uns, Präsident Assad zu hassen, weil er 2011 gegen Aufständische vorgegangen sei und „sein Volk vergast“ habe. Aber das ist nicht wahr, denn wir hatten schon zehn Jahre davor beschlossen, Syrien anzugreifen. Im Jahr 2001 befahl Verteidigungsminister Donald Rumsfeld dem Pentagon, Pläne für einen Umsturz in sieben Ländern im Nahen Osten zu entwerfen, angefangen mit dem Irak, dann Syrien, Libanon, Libyen, Somalia, Sudan und zuletzt Iran. Keines von ihnen hatte den USA jemals Schaden zugefügt.

2006 entwarf die US-Botschaft in Damaskus detaillierte Pläne zur Destabilisierung und zum Sturz der syrischen Regierung. Das war lange vor den Demonstrationen in Syrien, von denen wir immer behaupten, sie seien der Grund für unsere Ablehnung von Präsident Assad.

Im März 2011 griffen die USA, Großbritannien und Frankreich Libyen an und stürzten die Regierung, indem sie Oberst Gaddafi brutal hinrichteten. Die USA überließen der Türkei einen Flugplatz, um erbeutete libysche Waffen mit katarischen Flugzeugen zu transportieren. Diese Waffen wurden über die Grenze zu Terroristen nach Syrien eingeschleust.

Im Jahr 2011, während des Arabischen Frühlings, schickte das hochgeheime CIA Special Activities Center paramilitärische Teams nach Syrien, um Terroristen zu identifizieren, zu trainieren, auszurüsten und gegen die syrische Regierung zu entsenden.

2013 formalisierte Barack Obama unsere langjährige Unterstützung für antisyrische Terroristen, indem er das geheime CIA-Programm Timber Sycamore autorisierte. Im Rahmen dieses Programms trainierte, bewaffnete und bezahlte die Special Operations Division der CIA Tausende Terroristen für den Kampf gegen Syrien. Die NATO und die USA betrieben eine intensive Propagandakampagne gegen Syrien. Angriffe mit Saringas, bei denen Zivilisten getötet wurden, wurden Präsident Assad angelastet. Aber kein einziger Reporter fragte jemals, warum Assad Gas zwar gegen Kinder einsetzen sollte, aber nicht gegen gepanzerte Brigaden von Terroristen, die auf Damaskus marschieren?

Verteidigungsminister James Mattis gab 2018 zu, daß die USA keine Beweise dafür haben, daß Assad Saringas eingesetzt habe. Zwei türkische Parlamentsabgeordnete wurden des Verrats angeklagt, nachdem sie eine Anklageschrift enthüllt hatten, die zeigte, wie eine Al-Kaida-Zelle 2,2 Kilo Saringas über die Grenze einschleuste, um es gegen Syrien einzusetzen.

Warum greifen wir Syrien an? Die USA versuchen, die Öl- und Gasrouten aus Saudi-Arabien und Katar zu erobern. Neben dem Zugang zu den Pipelines will Saudi-Arabien den in religiöser Harmonie lebenden Syrern den strengen wahabitischen Islam aufzwingen. Viele Terrorgruppen haben geschworen, alle Christen und Alawiten zu enthaupten und aus ihren Frauen und Töchtern Sexsklaven zu machen. Ein Dschihadist fuhr seinen Geländewagen aus amerikanischer Produktion in die Schlacht mit einer nackten Sklavin, die an der Windschutzscheibe festgebunden war, wohl wissend, daß syrische Soldaten nicht auf sie schießen würden. Amerikanische Waffenhändler profitieren immens von lukrativen Geschäften, wie den 600 BMP-71 Panzerabwehrraketen, die die CIA 2014 an Al-Kaida lieferte – gerade rechtzeitig, damit die über die türkische Grenze angreifen und die syrischen Linien durchbrechen konnten, um in der antiken Stadt Kessab armenische Christen zu enthaupten.

2015 drangen US-Truppen illegal in Nordsyrien ein und beschlagnahmten unrechtmäßig Syriens Öl. Wir autorisierten eine amerikanische Ölgesellschaft, dort eine Raffinerie zu bauen, und bohren auf souveränem syrischem Land weiter nach Öl. Vor dem Krieg mußte Syrien nie Treibstoff importieren, da es sich selbst mit Öl und Erdgas versorgen konnte. Aber jetzt ist das Erbe der Nation gestohlen worden und die Syrer erfrieren im Winter, weil wir ihren Treibstoff stehlen.

Die gleiche Region ist die Kornkammer Syriens. Sie produzierte genug Weizen, um das Land zu ernähren. Auch er wird gestohlen, und die Kurden verschiffen syrischen Weizen an türkische Händler, während die syrischen Bauern verhungern.

Um die Schlinge um Syrien enger zu ziehen, prahlte Außenminister Mike Pompeo damit, Syrien von Geldquellen abzuschneiden und aus dem Iran kommende Öltanker zu blockieren. Er hat Recht: Wir haben immensen Tod, Krankheit und Leid für die armen Syrer verursacht.

Der amerikanischen Bevölkerung wird ständig eingeredet, daß „wir nicht gegen die Menschen vorgehen, sondern nur gegen die Staatsführung“. Blödsinn! Wir stehlen den Armen Lebensmittel, Treibstoff und Medizin. Wir blockieren Lieferungen für den Wiederaufbau, so daß junge syrische Männer für ihren Lebensunterhalt kämpfen oder verhungern müssen. Würden wir die Blockade beenden, könnten sie am Wiederaufbau des Landes arbeiten. So wie es jetzt ist, ist die einzige Arbeit das Kämpfen, das weitergehen wird, solange wir es weiter finanzieren.

Die Welt muß diese endlosen Kriege verwerfen. Wir kämpfen seit zehn Jahren gegen die Syrer, aber das irakische Volk unterdrücken wir schon seit 30 Jahren, indem wir es bombardieren und das Land besetzt halten. Der Wahnsinn muß aufhören!