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In den vergangenen Monaten wurden bemerkenswerte Initiativen zum Abbau der Spannungen zwischen Kiew und Moskau ergriffen. Anfang Dezember traf sich die Normandie-Gruppe (Ukraine, Rußland, Frankreich, Deutschland) zum ersten Mal seit 2016 in Paris und vereinbarte einige konkrete Maßnahmen. Wichtig ist, daß die beiden Präsidenten Putin und Selenskyj persönlich anwesend waren und ihr erstes Treffen seit Selenskyjs Wahl im April abhielten.
Kurz vor Silvester fand dann ein Gefangenenaustausch zwischen der Ukraine und den beiden selbsternannten Republiken Donezk und Lugansk statt, und am folgenden Tag wurde ein Fünfjahresabkommen über den Transit von russischem Gas durch die Ukraine nach Europa unterzeichnet. Dennoch sind die Spannungen vor Ort nach wie vor hoch, und die EU begründet harte Sanktionen gegen russische Personen und Unternehmen mit der russischen Politik in der Ukraine und auf der Krim.
Ein wenig beachteter Beitrag zur Debatte über die deutsche Ukraine-Politik erschien am 9. Dezember in Form eines 17seitigen Berichts an den Deutschen Bundestag. Der Bericht „Intervention in Bürgerkriegsgebieten: Zur Rolle Rußlands im Ost-Ukraine-Konflikt“ wurde vom Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages erstellt, der, wie die Autoren betonen, unabhängig von den Fraktionen im Parlament ist. (https://www.bundestag.de/resource/blob/672712/2a08c849f9d72846dab01a017ac40ce2/WD-2-137-19-pdf-data.pdf)
Der Bericht kommt zu dem Schluß, daß die übliche Darstellung der EU, der NATO und der USA über die Beteiligung russischer Truppen im Donbaß nicht durch verläßliche Beweise gestützt wird.
Seit fünf Jahren, so die Autoren, stünden sich die ukrainischen Streitkräfte und prorussische Separatisten gegenüber. „Über Umfang, Qualität und Ausmaß der militärischen Involvierung Rußlands im Ukraine-Konflikt gibt es neben wenigen belastbaren Fakten und Analysen vor allem zahlreiche Spekulationen, zum Teil widersprüchliche Berichte und Pressemeldungen, verschiedene Dementi, aber insgesamt kein eindeutiges Lagebild. Auch der Bundesregierung liegen nach eigenen Angaben offenbar keine belastbaren Erkenntnisse vor. Wie viel Einfluß Rußland heute auf die Separatisten in der Ostukraine tatsächlich ausübt, läßt sich daher kaum verläßlich ausmachen.“
Die Autoren haben nach eigenen Angaben westliche Mainstream-Medienberichte, Einträge in sozialen Medien sowie NATO-Pressemitteilungen studiert, kommen aber zu dem Schluß, daß zuverlässige Informationen über die nicht von Kiew kontrollierten Teile der ukrainisch-russischen Grenzregion selten sind. Skeptisch sind sie auch gegenüber den Behauptungen der offiziellen Beobachtungsmission der Organisation für Sicherheit und wirtschaftliche Zusammenarbeit in Europa (OSZE), da diese trotz ihres umfassenden Mandats nur begrenzten Zugang zu dem Gebiet habe.
In dem Bericht heißt es wörtlich: „Die Frage, ob pro-russische Separatisten in der Donbaß-Region derzeit von Moskau aus kontrolliert und gesteuert werden, oder ob sich noch reguläre russische Truppen auf ukrainischem Territorium aufhalten, läßt sich ohne belastbares Faktenmaterial – insbesondere ohne entsprechende Geheimdienstinformationen - nicht zuverlässig beantworten.“
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