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Von Harley Schlanger
Aus Furcht, daß es nach einer Wiederwahl Donald Trumps einen erneuten Vorstoß zur strategischen Zusammenarbeit zwischen den Vereinigten Staaten und Rußland geben könnte, eskalieren Londoner Geopolitiker die Regimewechsel-Operationen gegen beide Länder. Sie tun dies skrupellos in dem Wissen, daß die jüngsten Provokationen einen Krieg zwischen den beiden atomaren Supermächten auslösen könnten. Der Krieg zwischen Aserbaidschan und Armenien, die Sanktionen gegen hohe Beamte in Weißrußland und die Behauptung, Putin habe versucht, den Oppositionellen Nawalny mit dem Nervengift Nowitschok zu ermorden (was angeblich vom britischen Chemiewaffenlabor in Porton Down bestätigt wurde), sind Teil einer koordinierten Operation, die darauf abzielt, Moskau zu destabilisieren und dort möglicherweise einen Regimewechsel herbeizuführen.
Gleichzeitig häufen sich in den Trump-feindlichen Medien in den USA wieder bösartige Behauptungen über Rußland, obwohl derzeit immer mehr Beweise dafür freigegeben werden, daß es nie eine russische Einmischung in die US-Wahl 2016 gegeben hat, was als Vorwand für das ganze Russiagate-Märchen diente. Anhand dieser falschen Behauptungen wird erneut der Unfug verbreitet, Rußland sei an Operationen für Trumps Wiederwahl beteiligt und deshalb verschließe Trump die Augen vor der russischen Gefahr für Amerika wie auch für europäische Regierungen.
Solche Vorwürfe sind inzwischen ein zentrales Thema des Wahlkampfs von Trumps Gegenkandidat Joe Biden, und sie werden von dessen Mitstreitern wie der Kongreßsprecherin Nancy Pelosi und dem Fraktionschef der Demokraten im Senat Charles Schumer ständig wiederholt. Eine der absurdesten Behauptungen ist, Rußland zahle Kopfgelder an die Taliban für getötete Amerikaner in Afghanistan – eine Geschichte aus der New York Times, die Rußland verleumdet und gleichzeitig Trumps Bemühungen sabotieren soll, den Krieg in Afghanistan zu beenden und die US-Truppen nach Hause zu holen.
In dem Beitrag diese Woche konzentrieren wir uns in erster Linie auf die Schritte zur Einkreisung Rußlands; in den kommenden Wochen werden wir zeigen, daß dieselben Kräfte, die den geopolitischen Angriff auf Rußland organisieren, parallel dazu auch verzweifelt ihre Kampagne eskalieren, Trump auszuschalten. Mit ihren gefährlichen Vorstößen wollen sie verhindern, daß Präsident Trump sein wiederholtes Versprechen einlöst, „die endlosen Kriege zu beenden“, unter anderem durch den Aufbau einer kooperativen Beziehung zu Rußland und Präsident Putin. Wenn er dieses Versprechens erfolgreich erfüllt, wäre dies das Ende der Weltordnung der Ära nach dem Kalten Krieg, die von der Londoner City und ihren amerikanischen Kumpanen – insbesondere Spitzenleuten von Geheimdiensten, Diplomatie und Streitkräften unter Bush und Obama – konstruiert wurde, um ihr hoffnungslos bankrottes, neoliberales Finanzsystem zu bewahren. Diese bankrotte Ordnung läßt sich nur durch eine Fortsetzung und Ausweitung der unter Bush und Obama eingeleiteten Kriege aufrechterhalten.
Zwischen Aserbaidschan und Armenien sind Kämpfe um die umstrittene Region Berg-Karabach ausgebrochen. Beide Länder waren früher Teil der Sowjetunion und liegen an der südwestlichen Grenze Rußlands, haben aber auch gemeinsame Grenzen mit der Türkei und dem Iran. Der Türkei wird vorgeworfen, Waffen und Truppen, darunter von Ankara geförderte islamische Söldner aus Syrien, zur Unterstützung Aserbaidschans zu entsenden. Rußland, das in der Vergangenheit gute Beziehungen zu beiden Ländern unterhalten hat, spielt eine Vermittlerrolle. Da jedoch russische Streitkräfte in Armenien stationiert sind, könnten sich die Kämpfe zu einem Stellvertreterkrieg zwischen der NATO und Rußland ausweiten, da die Türkei Mitglied der NATO ist. Die Präsenz syrisch-islamischer Söldner in der Region ist eine direkte Provokation gegenüber Moskau, weil Rußland die maßgebliche Rolle beim Sieg über ISIS und Al-Kaida in Syrien gespielt hat.
Nach Konsultationen der Minsk-Gruppe riefen die Präsidenten Putin, Macron und Trump gemeinsam zu einer Einstellung der Feindseligkeiten auf. Obwohl in Brüssel davon die Rede ist, mehr Druck auf die Türkei auszuüben, damit sie sich zurückzieht, hat die Östliche Partnerschaft der EU sich in der Vergangenheit um Aserbaidschan und Armenien bemüht, was längerfristig darauf abzielt, beide Länder in die NATO und die EU aufzunehmen. Dies stünde im Einklang mit der Agenda der Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, die erklärt hat, sie wolle die EU zu einer „geopolitischen“ Kommission machen. Dies wiederum paßt sich in die umfassendere Strategie von NATO und EU ein, den russischen Einfluß in Osteuropa wie auch im Transkaukasus „einzudämmen“ und gleichzeitig Opposition innerhalb Rußlands zu schüren.
Die Destabilisierung Weißrußlands nach den Betrugsvorwürfen gegen Staatschef Alexander Lukaschenko bei der Wahl am 9. August eskalierte am 2. Oktober mit der Ankündigung von Sanktionen der EU gegen 40 hohe Beamte des Landes. Schon früher hatten Großbritannien und Kanada Sanktionen verkündet, und der Druck auf Präsident Trump wächst, sich seinen westlichen „Verbündeten“ anzuschließen. Am 25. September beschuldigte Biden Trump, er schweige angesichts der „gewalttätigen Aktionen des Diktators Lukaschenko“. Wenig überraschend stellte sich Biden auf die Seite der Demonstranten, die „friedliche Ausdrucksformen der Freiheit“ praktizierten, wie er sagte.
Die Wahl am 9. August mag als Auslöser für einen Regimewechselversuch gedient haben, aber die Saat wurde lange vorher gelegt. Im Mittelpunkt dieses Vorstoßes steht die berüchtigte britische Geheimdienstinstitution Chatham House, Sitz der Denkfabrik Royal Institute of International Affairs (RIIA). Chatham House ging aus dem von Lord Milner geleiteten imperialen „Runden Tisch“ hervor, zu dem Hardcore-Imperialisten wie Cecil Rhodes ebenso gehörten wie „liberale Imperialisten“, die sich um Sidney und Beatrice Webb sammelten. Milner spielte eine Schlüsselrolle bei der Umsetzung der Politik des britischen Imperialismus am Ende des 19. Jahrhunderts durch seine Förderung dessen, was dann als „Geopolitik“ bekannt wurde. Er war Mitglied des Kabinetts von Premierminister Lloyd George während des Ersten Weltkriegs, von 1916 bis November 1918, als das RIIA zusammen mit seiner amerikanischen Schwesterorganisation, dem Council on Foreign Relations, gegründet wurde.
Eine Zusammenfassung einiger Konferenzen und Papiere von Chatham House und verwandten Organisationen zeigt dessen Rolle als Anstifter der gegenwärtigen Krise:
1) Eine Schrift vom März 2017 verkündete, die EU und die NATO „müssen vollständig vorbereitet sein, wenn Weißrußland sich zwischen Ost und West entscheiden muß“. Zwei Monate später folgte ein Forschungspapier über die inhärente Schwäche der Eurasischen Wirtschaftsunion, der Weißrußland angehörte, worin es hieß, die Bevölkerung werde zukünftig wahrscheinlich die Regierung Lukaschenko für Mißstände verantwortlich machen.
2) Eine Konferenz am 25. November 2019 mit dem Titel „Ändert sich etwas in Weißrußland?“
3) Ein Artikel im Economist, einem Sprachrohr der City, vom 30. Juli 2020, kurz vor der Wahl, mit dem Titel „Der richtige Weg, Präsident Lukaschenko loszuwerden“.
4) Ein Forum in Chatham House am 12. August 2020, wenige Tage nach der Wahl, zum Thema „Weißrußland-Politik: Zeit, mit harten Bandagen zu kämpfen“.
5) 10. September 2020: ein Leitfaden für einen Regimewechsel mit dem Titel „Sieben Wege, wie der Westen Weißrußland helfen kann“. Darin werden „die wichtigsten Schritte skizziert, die Regierungen, internationale Institutionen und NGOs unternehmen können, um dem Leiden des weißrussischen Volkes ein Ende zu bereiten“. Diese Schritte ähneln stark der Regimewechsel-Operation in der Ukraine mit dem „Maidan-Putsch“ vom Februar 2014. Es wird gefordert, Lukaschenko nicht anzuerkennen; „vor Ort präsent zu sein“ (wie die US-Strippenzieherin des Regimewechsels in Kiew, Victoria Nuland); ein Paket für „wirtschaftliche Unterstützung“ anzubieten (wie das „IWF-Reformpaket“, das die Wirtschaft der Ukraine ruinierte?); und schließlich „politische und wirtschaftliche Sanktionen“ zu verabschieden – was die Heuchelei des gesamten Projekts entlarvt, das angeblich „das Leiden des Volkes beenden“ soll.
6) 11. September 2020: ein Papier mit dem Titel „Ein genauerer Blick auf die Proteste in Weißrußland“.
7) Ein Seminar am 29. September mit dem Titel „Die Krise in Weißrußland: Was steht auf dem Spiel?“
Das jüngste Beispiel für den Plan, die „Lehren“ der Ukraine auf Weißrußland anzuwenden, war ein Seminar am 2. Oktober „Ist die westliche Reaktion gegenüber Weißrußland angemessen und wirksam?“ Unter den geladenen Referenten war George Kent, US-Außen-Staatssekretär für Europa und eurasische Angelegenheiten. Kent spielte eine führende Rolle beim Staatsstreich in der Ukraine, und seine Aussage im US-Kongreß trug maßgeblich dazu bei, daß das Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Trump im Zusammenhang mit der Ukraine eingeleitet wurde. In seiner Aussage verteidigte Kent die Rolle des ehemaligen Vizepräsidenten Biden beim ukrainischen Staatsstreich – Biden war in der Obama-Regierung für die Ukraine zuständig.
Die NATO nutzt die Krise in Weißrußland, um ihre Präsenz in den an Rußland angrenzenden baltischen Staaten auszuweiten, sie verstärkt ihre Positionen in Estland, Lettland, Litauen und Polen. Sie behauptet, sie müsse die „Suwalki-Lücke“ schützen, einen 65 km langen Korridor vom russischen Territorium Kaliningrad durch polnisches Gebiet nach Weißrußland. In einem Artikel der Londoner Times vom 8. September 2018 wurde dieser Korridor als „Moskaus Invasionsroute nach Europa“ bezeichnet, und verschiedene Denkfabriken aus Polen und Litauen erklärten, die NATO befürchte, daß Rußland die baltischen Staaten von der NATO abschneiden kann, wenn es die Kontrolle über den Korridor übernimmt – daher müsse diese Lücke besonders geschützt und verteidigt werden.
Ein Analyst des Polnischen Instituts für Internationale Angelegenheiten, Wojciech Lorenz, sagte, eine russische Truppenstationierung dort „könnte die Fähigkeit des Kremls, die östlichen NATO-Mitglieder einzuschüchtern, weiter erhöhen“. Weiter meinte er, die russische Unterstützung für Lukaschenko entspringe der Befürchtung, ein erfolgreicher „demokratischer Volksaufstand“" in Weißrußland „könnte zu einem Modell für die Russen werden, um Putin zu stürzen“.
Die Opposition gegen Lukaschenko, die sich um Swetlana Tichanowskaja versammelt hat, hat eine Exilregierung gebildet und einen Plan ausgearbeitet, der vorsieht, Weißrußland bis 2025 in die NATO und bis 2030 in die EU zu bringen. Sie behaupten, auf diese Weise könne Weißrußland dazu beitragen, sich der „aggressiven Außenpolitik Rußlands“ entgegenzustellen.
Die geopolitischen Verbündeten der City in den USA sind auf der gleichen Wellenlänge, wenn es darum geht, Druck auf Moskau auszuüben, während sie gleichzeitig versuchen, Trump aus dem Amt zu zwingen. Ein Bericht der RAND Corporation vom April 2019 („Rußland ausdehnen: auf überlegenem Terrain konkurrieren“) listet konkrete Maßnahmen auf, „die Rußlands tatsächliche Verwundbarkeit und Ängste ausnutzen könnten, um Rußlands Militär und Wirtschaft und das politische Ansehen des Regimes im In- und Ausland unter Druck zu setzen“.
Es wird zwar alles getan, um eine ernsthafte Beschäftigung mit den amerikanisch-russischen Beziehungen aus dem US-Präsidentschaftswahlkampf herauszuhalten, dennoch ist offensichtlich, daß die Verteidiger der alten geopolitischen Ordnung die Aussicht auf ein Gipfeltreffen (mindestens) der Präsidenten Trump und Putin fürchten. Zu den Themen, über die beide bereits am Telefon gesprochen haben, gehört die Erneuerung eines wichtigen Abrüstungsabkommens. Sie könnten auch koordinierte Bemühungen gegen die Krisen unternehmen, die vom Nahen Osten bis zum Transkaukasus und nach Eurasien geschürt werden.
Die Pläne für ein persönliches Treffen zwischen den beiden Präsidenten am Rande der Vollversammlung der Vereinten Nationen im September wurden aufgrund von Bedenken wegen COVID-19, wahrscheinlich aber auch als Folge der Provokation um die angebliche Vergiftung Nawalnys abgesagt. Die gefährlichen Ereignisse der letzten Wochen in Rußlands nächster Umgebung machen es dringender denn je, daß umgehend, noch vor den Wahlen in den USA am 3. November, ein Gipfeltreffen stattfindet.