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Neue Solidarität
Nr. 40, 1. Oktober 2020

Die Autoindustrie umrüsten

Magnetbahnen, Traktoren und Krankenwagen für Afrika

Von Rainer Apel

Erneut stellt sich die Frage nach der Zukunft der Automobilindustrie, dem führenden Sektor der bundesdeutschen Wirtschaft mit etwa einer Million Arbeitsplätzen und Zehntausenden von Zulieferern im mittelständischen Bereich – auch hier mit einigen hunderttausend Arbeitsplätzen.

Kurzarbeit, so wichtig sie gegenwärtig ist, bedeutet in vielen Fällen nur die aufgeschobene Entlassung zehntausender qualifizierter Arbeiter, wie jetzt immer deutlicher wird. Der Autosektor verfügt jedoch über unverzichtbare produktive Kapazitäten, deren technologisches Potential auf keinen Fall zerstört werden darf, denn es wird dringend für den Wiederaufbau der Weltwirtschaft gebraucht. Die Autoproduktion kann jederzeit umgerüstet werden für den Bau von Traktoren, Ernte- und Sämaschinen, für moderne Infrastrukturtechnologien wie den CargoCap (automatisierter Güternahverkehr), den Transrapid (Nah- und Fernverkehr), Schleusen, Komponenten für den Kernkraftwerksbau – alles Dinge, die der afrikanische Kontinent und viele andere Nationen der Welt dringend benötigen. Der Bedarf an all diesen Gütern ist riesig. Das einzige, was heute dazu fehlt, ist der politische Wille zur Schaffung eines neuen weltweiten Kreditrahmens mit staatlicher, produktiver Kreditschöpfung und langfristigen, über 25-50 Jahre laufenden, zwischenstaatlich abgesicherten Verträgen.

Eine wirklich nachhaltige Zukunft muß sinnvolle Perspektiven eröffnen! Und die liegen, wie schon 2009 bei den Europawahlen von der BüSo gefordert, auf jeden Fall in einer mindestens teilweisen Konversion der Autoindustrie. Beispielsweise können Komponenten oder Module für neue Verkehrsträger produziert werden, vorzugsweise im Bereich magnetischer Antriebe. Gerade die Firmengeschichte von Opel zeigt, wie Antriebe und Fahrzeuge verschiedener Kategorien an derselben Produktionsstätte gefertigt werden können – das ist auch heute möglich.

Die derzeit bei den Automobilherstellern genutzten Formpressen für Karosserieteile können ebensogut Teile für Magnetbahnen im städtischen oder regionalen Einsatz fertigen, aber auch für Traktoren oder Krankenwagen bzw. mobile medizinische Behandlungseinheiten, wie sie im Übergang zur Errichtung regulärer Krankenhauseinheiten in Afrika und anderen wenig entwickelten Teilen der Welt benötigt werden. In diese neuen Fahrzeugprodukte wird vielleicht nicht ganz so viel Elektronik wie in heutige Straßenfahrzeuge eingebaut werden, es dürfte aber genügend Auftragsvolumen nachgefragt werden, um den Zulieferern von VW, BMW und anderen Firmen eine Chance zu bieten, aus der Kurzarbeit wieder in die reguläre Vollbeschäftigung kommen.

Der Bedarf weiter Teile Afrikas an Krankenwagen und Traktoren wie auch an anderen Agrarmaschinen ist enorm. Die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens hierfür durch Ausgründung der führenden Automobilhersteller in Kooperation mit den derzeitigen Landmaschinenherstellern würde in Deutschland viele produktive Arbeitsplätze sichern und neue schaffen.

Ein langfristiger, niedrigverzinster Finanzrahmen, abgesichert durch bilaterale Staatsverträge zwischen der Bundesrepublik und afrikanischen Partnern, wäre hier eine Grundvoraussetzung. Auf deutscher Seite würde die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) Kredite an Hersteller vergeben, auf afrikanischer Seite würden bereits existierende staatliche Förderbanken oder Neugründungen solcher Institute in Aktion treten. Die zentrale Rolle staatlicher Garantien ist angesichts einer langfristigen, fortlaufenden Perspektive für den Aufbau effizienter landwirtschaftlicher Produktion und medizinischer Versorgung in Afrika unabdingbar. Für die Bundesrepublik bietet hier auch eine im Juli 2017 mit China abgeschlossene Absichtserklärung zur Kooperation bei Infrastrukturprojekten in Afrika eine gute Grundlage, die für das Zusammenwirken mit weiteren Ländern erweitert werden kann.

Der Aufbau der Landwirtschaft und des Gesundheitssektors in Afrika ist vor allem nach der Erfahrung mit der neuesten Corona-Pandemie dringlich, weil nur eine gesunde und gut ernährte Bevölkerung Aussichten hat, gegen Krankheiten und Ansteckungen besser gewappnet zu sein. Gerade die jahrzehntelang rückständig gehaltenen, chronisch unterversorgten Teile Afrikas sind schon in der Vergangenheit Ursprung etlicher Epidemien gewesen, wobei ein großer Teil der Sterberaten wie bei der Ebola-Epidemie darauf zurückzuführen ist, daß eine medizinische Grundversorgung ganzer Regionen überhaupt nicht vorhanden ist. Mehr Krankenwagen und mobile Behandlungseinheiten können eine sichtbar bessere Versorgung bieten – bis ein enges Netz von Krankenhäusern für die stationäre Behandlung errichtet ist. Dies wird auch viele neue, produktive Arbeitsplätze für die afrikanische Bevölkerung schaffen.