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Neue Solidarität
Nr. 39, 24. September 2020

Europa versagt angesichts der humanitären Katastrophe auf Lesbos

Der Brand des Flüchtlingslagers auf der griechischen Insel Lesbos am 9. September lenkte die Aufmerksamkeit wieder auf das Versagen der Europäischen Union, das Migrantenproblem anzugehen, geschweige denn zu lösen. Das Feuer folgte auf den Ausbruch von COVID-19 auf dem Gelände, der zu einer totalen Abriegelung führte, da befürchtet wurde, daß sich die Pandemie rasch über die 80.000 Einwohner zählende Insel ausbreiten würde. Man hätte die Flüchtlinge so schnell wie möglich von der Insel evakuieren und alle erforderlichen Vorkehrungen treffen müssen, um die nun obdachlosen rund 12.000 Menschen zu testen.

Doch das ist nicht geschehen, obwohl die Probleme im Lager Moria schon seit langem bestehen. Lesbos liegt nur wenige Kilometer vor der türkischen Küste und ist damit ein ideales Ziel für Schlepper. Seit Jahren verurteilen internationale humanitäre Organisationen die inakzeptable Situation dort. Ursprünglich für rund 3000 Flüchtlinge gedacht, lebten dort viermal so viele unter hoffnungslos beengten Bedingungen, einige sogar schon seit sechs Jahren.

Zudem war es als Übergangslager konzipiert, von wo Flüchtlinge laut den EU-Absprachen nach einer Überprüfung entweder abgeschoben oder in andere Länder weitergeschickt werden sollten. Das geschah offensichtlich nicht, und die griechische Regierung mußte zusammen mit einigen humanitären Organisationen die Krise allein bewältigen.

Es sollte daran erinnert werden, daß in Griechenland bereits 50.000 Flüchtlinge in Lagern im ganzen Land leben, im Verhältnis zur Bevölkerungszahl entspräche das 400.000 für Deutschland, das reichste Land Europas, während Griechenland zu den ärmsten Ländern gehört – zumal das sogenannte Rettungsprogramm der EU zwar die dort operierenden europäischen Banken rettete, aber die griechische Wirtschaft um 35% dezimierte!

Die griechische Regierung hat eine Fähre und zwei Marineschiffe sowie Zelte als Unterkunft geschickt, um einige Tausend der Menschen, die im Freien schlafen mußten, Obdach zu gewähren. Darüber hinaus wurden medizinische Teams sowie Testkits entsandt, um den Ausbruch von COVID-19 unter den Flüchtlingen und auf der ganzen Insel einzudämmen.

Auf einer virtuellen Pressekonferenz am 10. September sagte der Präsident der Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmond-Gesellschaften (IFRC), Francesco Rocca, man müsse die Migranten dringend auf das Festland bringen, dies sei ein „humanitärer Imperativ“. Diese „europäische Krise, erfordert konkrete Solidaritätsaktionen der EU-Mitgliedsstaaten. Menschen einfach festzuhalten ist nicht die Lösung.“

Doch statt großer Mengen an Nothilfe oder Schiffen zur Evakuierung der Flüchtlinge schickte die EU den Vizepräsidenten der Europäischen Kommission, Margaritis Schinas, nach Athen. Das einzige, was er tat, war, die Hand von Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis zu halten, der Unterstützung beim Bau eines neuen Lagers auf der Insel versprach. Er forderte eine „neue, ehrgeizige Politik für Migration und Asyl“. Weitere leere Hilfsversprechen kamen vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron und der Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen. Man fragt sich, ob die EU bewußt verhindert, daß die Flüchtlinge die Insel verlassen, weil man fürchtet, sie könnten den Weg nach Deutschland, Frankreich und anderen EU-Ländern finden. Die EU-Führer belehren gerne andere über „Menschenrechte“ aber in Europa selbst verschließen sie die Augen davor.

eir