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Von Werner Zuse
Nach dem Treffen von Bundeskanzlerin Merkel mit Greta Thunberg und drei weiteren Aktivistinnen von „Fridays For Future“ am 20. August sagte die Bundesregierung in einer Erklärung: „Beide Seiten waren sich einig, daß die Erderwärmung eine globale Herausforderung ist, bei deren Bewältigung den Industriestaaten eine besondere Verantwortung zukommt.“
Einen Tag später erklärte die bayerische Staatsregierung: „Zunehmende Trockenheit und Hitze im Sommer zeigen: Klimaschutz und Klimaanpassung gehören zu den größten Herausforderungen unserer Zeit. Vor allem in den bayerischen Städten werden die Folgen des Klimawandels deutlich. Ideen für die nachhaltige Stadt der Zukunft liefert der aktuelle ,Leitfaden für klimaorientierte Kommunen in Bayern‘.“
Und zu guter Letzt sehen Klimawissenschaftler angesichts von zwei Wochen mit hohen Temperaturen im August in Mitteleuropa wieder einmal den Beweis, daß der Klimawandel in vollem Gange sei und die Menschheit endlich die in Paris vereinbarte CO2-Reduzierung erfüllen müsse, da sonst der Planet, wie es Prof. Hans Joachim Schellnhuber in seinem Buch Selbstverbrennung vorhersagt, demnächst mit den Menschen verbrennen würde. Aber auch Vertreter der Landwirtschaft, wie der Deutsche Bauernverband und ihr Präsident Rukwied, befürchten eine geringere Ernte wegen der Trockenheit. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft fordert sogar staatliche Zuschüsse für eine Mehrgefahrenversicherung für die Bauern angesichts der Unsicherheit der Ernteerträge wegen Trockenheit und anderen Extremereignissen infolge des Klimawandels.
Laut dem Welternährungsprogramm (WFP) und der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der UN (FAO) droht eine neue Hungerkrise. Sie fordert deshalb Milliarden an Unterstützung zur Versorgung der Hungernden. Gleichzeitig steigen aber nicht die Erzeugerpreise für die Landwirte.
Was ist nun die Lage? Ich möchte am Beispiel Deutschlands zeigen, was hier grundsätzlich falsch läuft: Da die Ernten noch nicht insgesamt eingefahren sind, will ich hier nur den Getreidesektor betrachten: So wird mit einem Ertrag von 7 t/ha das Mittel der Jahre 2015-2019 wieder erreicht. Allerdings ist mit 6,1 Mio. ha Getreideanbaufläche diese knapp 240.000 ha bzw. 4 % kleiner als im langjährigen Durchschnitt. Beim Winterweizen, der bedeutendsten Getreideart im deutschen Ackerbau, lag der Ertrag bei 7,6 t/ha, womit der Vorjahresertrag sogar um 2,5% übertroffen wurde. Gleichzeitig wurde aber hier der Anbau auch um 300.000 ha reduziert. Also hat hier der Ertrag pro Hektar sogar zugenommen. Wie ist dies möglich trotz der behaupteten Trockenheit und Klimakatastrophe? Auch beim Raps liegen die Hektarerträge mit 3,5 t über dem Durchschnitt von 2015-19 von 3,4 t. Warum liegen aber die Erzeugerpreise für Brotweizen im Bundesdurchschnitt nur bei 162 €/t (im Juni lagen sie noch bei 173 €/t)?
Der Grund ist die Festsetzung des Preises durch die internationalen Börsen und nicht durch die EU oder Bundesregierung. An den Börsen wird der Preis durch die Nachfrage der kaufkräftigen Kunden und nicht durch den notwendigen Verbrauch der Weltbevölkerung ermittelt. Die Leidtragenden dieses britischen Freihandelssystems sind die Bauern und die hungernden Menschen der Welt.
Dieser Irrsinn wird noch durch die Politik der Energiewende verschärft. So wurden laut der Fachagentur für Nachwachsende Rohstoffe (FNR) bereits 2017 in Deutschland auf 2,65 Mio. ha Pflanzen für die Energiegewinnung und die industrielle Nutzung angebaut. Im Jahr 2004 wuchsen lediglich auf 1 Mio. ha nachwachsende Rohstoffe, doch schon 2007 wurde die Zwei-Millionen-Marke geknackt. Laut dem Bericht der FNR wuchsen 2016 auf rund 16% der landwirtschaftlichen Nutzfläche, hauptsächlich auf dem Acker, nachwachsende Rohstoffe. Auch ein Teil des Dauergrünlandes wird für die Produktion von nachwachsenden Rohstoffen genutzt, da etwa Mähgut in Biogasanlagen landet. Insgesamt wird also etwa ein Fünftel der Landwirtschaft nicht für die Nahrungsmittelerzeugung genutzt.
Der größte Teil entfiel 2017 mit 2,35 Mio. ha auf Energiepflanzen. An erster Stelle standen 1,4 Mio. ha für Biogasanlagen. Davon waren zwei Drittel der Anbau von Mais, das restliche Drittel waren Gräser, Getreide, Rüben und Leguminosen.
960.000 ha wurden für die Herstellung von Biokraftstoffen genutzt. Davon wurden 713.000 ha für den Anbau von Raps für die Herstellung von Biodiesel und Pflanzenöl genutzt. Auf 251.000 ha wurden Weizen, Roggen, Zuckerrüben und Körnermais für die Bioethanolherstellung angebaut.
Die Anbaufläche für Biogas nahm von 2011 bis 2017 um 52,6% zu. Für die Gewinnung von Industrierohstoffen wurden 300.000 ha genutzt – dort vor allem Rapsöl für technische Zwecke und Weizen, Körnermais und Kartoffeln zur Stärkeherstellung. Zuckerrüben wurden nur noch auf 15.000 ha angebaut.
Dies ist also das Ergebnis der Energiewende: Wir bauen nicht mehr Lebensmittel an, sondern vergasen und verbrennen sie. Nicht genannt sind die Flächen, die wir für die Solarenergiegewinnung überbauen, und die Flächen, die wir für Windanlagen der Landwirtschaft entziehen. Landwirte nehmen oft diese Angebote an, Energiewirte zu werden, da sie mit den Erzeugerpreisen für Lebensmittel längerfristig nicht existieren können.
Dem Unsinn der Energiewende setzte gerade der Obergrüne Robert Habeck noch die Krone auf, als er laut DPA erklärte, „Wasserknappheit und heiße Temperaturen seien für Landwirte ein immer drängenderes Problem, vor dem niemand die Augen verschließen kann. Das Extrem wird zur Regel. Und das verändert die Grundannahmen, auf denen Landwirtschaft bisher betrieben wurde.“ So forderte er mehr Misch- statt Monokulturen – was ist dann mit den Riesenflächen von Mais für Biogasanlagen und Biosprit? –, vielfältigere Fruchtfolgen von Pflanzen, die resistent gegen Hitze und Trockenheit sind, mehr Bäume auf landwirtschaftlichen Flächen, andere Saat- und Erntetermine und mehr Ökolandbau.
Die Forderung nach Bäumen auf den landwirtschaftlichen Flächen stieß auch bei Biolandwirten auf massive Kritik. Als fachfremd bezeichneten andere seine Forderung nach Änderung der Erntezeiten. 2021 will ja der bisherige Sprecher von „Land schafft Verbindung“ (LsV) Dirk Andresen für die CDU gegen Habeck als Direktkandidat in Schleswig-Holstein antreten. Falls er direkt gewählt würde, was zu hoffen ist, muß er dann aber beweisen, daß er sich für kostendeckende Preise für die Landwirtschaft einsetzt, und nicht wie fast alle seine Vorgänger, die aus der Landwirtschaft in die Politik gingen, dann nur noch um Almosen für die Landwirte bitten, um deren Hofaufgabe zu verlangsamen. Denn ohne kostendeckende Preise geht das Höfesterben weiter. Von den deutschen Milchbauern haben in den letzten zehn Jahren ein Drittel ihre Hoftore dichtgemacht. Das gleiche gilt auch für die Schweinehalter. Wer sich aber vom Weltmarkt abhängig macht, erlebt das gleiche Schicksal wie die Hungernden der Welt, die sich Lebensmittel immer weniger leisten können.
werner.zuse@t-online.de